Schweizer Aktien Favoriten 2023: November-Nebel lösen sich auf

Trendwende an den Aktienmärkten?

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Eine alte Bauernregel besagt: Hängt das Laub bis November hinein, wird der Winter lange sein. Bild: unplash.com

Nach der Verkaufswelle der beiden Vormonate brachte der November eine Trendwende für die Börsen. Die meisten Indizes zogen an: der Eurostoxx-600 um 4%, der Schweizer Nebenwerte-Index SPIEXX um 3,1% und der Nasdaq um 6,4%. Der OTC-X Liquidity Index dagegen gab nochmals leicht nach.

Nach Weihnachts-Rallye sieht es dennoch bisher nicht aus. Allerdings wurden erst zum Monatsende hin stark rückläufige Inflationsraten gemeldet, die Renditen der Staatsanleihen haben sich deutlich ermässigt, und mit dem Rapprochement zwischen China und den USA ist auch eine De-Eskalation der Beziehungen der Supermächte zumindest in Sichtweite gerückt. Gründe für Kursavancen lassen sich also durchaus finden. Dem stehen jedoch ebenso gewichtige Gründe entgegen. Der Krieg in der Ukraine setzt sich fort, und die Gefahr der Eskalation in Israel ist zwar vermindert, aber nicht gebannt. Die Notenbanken dürften die Erhöhungen von Heizkosten, Krankenkassenprämien, Löhnen usw. nicht aus den Augen verlieren. Im Gegensatz zur Schweiz, zu den USA und den wenigen sonstigen Hartwährungsländern ist in den meisten anderen Regionen die importierte Inflation ein ernsthaftes Problem.

Bewertungen und Unternehmensgewinne

Der wichtigste Hinderungsgrund für nachhaltige Kurssteigerungen in der ganzen Breite des Aktienmarktes sind aber die Bewertungen. Die sind schon hoch wie ein durchschnittliches KGV von 19 beim S&P 500. Dazu kommt, dass der Börsenaufschwung weitgehend von einigen wenigen hochkapitalisierten Tech-Aktien getragen wird wie Nvidia mit über 200% Kursanstieg dieses Jahr und Tesla mit 94%. Selbst die schwächer performende Apple legte 45% zu. Der Nasdaq ist 2023 einmal mehr mit einem Indexanstieg von 35% das Zugpferd. Demgegenüber stieg der S&P 500 um 18,2% und der Dow-Jones um 7,6%. Aber der SPIEXX liegt nur 1,1% über dem Stand vom Jahresbeginn. Und der OTC-X Liquidity liegt sogar 5,5% schwächer. Sollte das Wachstum der Unternehmensgewinne überraschend stark ausfallen, könnten die Aktien schnell in die Bewertungen hineinwachsen. Doch danach sieht es aufgrund der hohen Vergleichsbasis weder in den USA noch in der Schweiz aus. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass Inflation und Zinsniveau sehr schnell sehr tief fallen, was die Bewertungen der Aktien stützen würde.

Trendwende für Barry Callebaut

Wie erwartet konnte Barry Callebaut im November den Trend wenden. Scheinbar hat die Information der Investoren am 1. November neues Vertrauen geschaffen. Die Aktie gewann über 100 CHF auf 1458 CHF. Ein guter Neu-Anfang. Dennoch werden sich die Aktionäre in Geduld üben müssen. Viele der Nebenwerte haben in den letzten zwei Monaten ein attraktives Einstiegsniveau erreicht – für ein täglich gemanagtes Trading-Portfolio. Auf der Favoritenliste wird aber in aller Regel eine zumindest mittelfristige Perspektive eingenommen. Die erhöhte Volatilität, gerade im KMU-Bereich, dürfte in den kommenden Monaten wohl noch bessere Einstiegskurse bei KMU-Aktien bringen.

Chart Barry Callebaut
Die Aktie von Barry Callebaut legte anfangs November um über 100 CHF zu. Chart: six-group.com

Special Situations I

Chancen gibt es dennoch, auch wenn nicht jede Aktie für die Favoritenliste geeignet ist, sondern besser in ein Opportunity- oder Special-Situations-Portfolio passt. Ein Beispiel ist Orascom Development (ODHN). Die Aktie ist sehr tief unter ihren Höchstkursen. Die Market Cap beträgt derzeit 292 Mio. CHF. Erst kürzlich wurden 84% eines Schweizer Ski-Resorts in Crans Montana durch die amerikanische Vail Resorts übernommen. Der Wert des Resorts wurde dabei auf 118.5 Mio. CHF geschätzt. Auch in Andermatt ist ODHN noch indirekt über Andermatt Swiss Alps mit 40% am Skiresort beteiligt. Weitere 55% am Skigebiet gehören ebenfalls Vail Resorts. Allein nur dieses Bespiel zeigt die krasse Unterbewertung der Firma auf, denn ODHN besitzt in vielen Ländern grosse Resorts, u.a. in Ägypten, wo das Unternehmen allerdings unter der schwachen Währung leidet. Mehr zu Orascom findet sich hier. Die Aktie scheint ihr Tief überwinden zu können.

Special Situation II

Eine ganz andere Situation stellt Evolva dar. Die einzige Gemeinsamkeit ist, dass der Kurs jeweils sehr tief unter dem einstigen Hoch liegt. Evolva lag im Juli 2007 bei über 8000 CHF, jetzt sind es 78 Rappen! Das Unternehmen wird verkauft, die Aktie dekotiert. Für bestehende Aktionäre wird es allerdings eine Liquidationsdividende geben. Die wird mit 0.70 CHF bis 2.40 CHF erwartet. Abhängig ist die tatsächliche Summe am Ende von etlichen Variablen, die jedoch dem Aussenstehenden kaum im Detail zugänglich sind, etwa die Kosten der Fortführung der Gesellschaft und, mit Blick auf «earn-out»-Regelungen, wie sich die Absatzentwicklung darstellen wird. Ein theoretisches Potenzial von 200% in maximal 2 Jahren kann eine aufwendige Due Diligence durchaus begründen. 

Entwicklung des OTC-X Liquidity-Index seit Jahresbeginn. Quelle: otc-x.ch

Resilienz auf OTC-X

Der ausserbörsliche Aktienmarkt ist für seine Resilienz in turbulenten Börsenzeiten zu Recht bekannt. Seine Qualitäten schützten die Marktteilnehmer auch 2022 vor grösseren Index-Verlusten. Aber einem andauernden Sog kann sich auch der ausserbörsliche Aktienmarkt nicht auf Dauer entziehen. Das zeigt sich an den OTC-X Indizes. Der Liquidity-Index mit -5,5% dieses Jahr oder der Premium-Index mit -7,8% verzeichnen Verluste, die allerdings überschaubar sind. Dennoch zeichnet sich ein schwächerer Trend ab. In der Betrachtung der Branchen-Indizes zeigt sich jedoch ein vielfältigeres Bild. Der Bank-Index stieg um 2,9%, der Energie-Index um 0,4%. Die eindeutig beste Performance brachten mit 33,5% aber die Bergbahnen. Alle anderen Branchen verzeichnen jedoch ein negatives Vorzeichen. Mit -2,5% bei Transport/Verkehr/Logistik bis -9% bei Industrie und Medien halten sich die Verluste aber in Grenzen. Lediglich Beteiligungsgesellschaften fielen mit -13,3% prozentual zweistellig.

Daran gemessen fällt die Performance der OTC-X Valoren auf der Favoritenliste durchaus akzeptabel aus, vor allem, wenn man bedenkt, dass zumeist Geldkurse die letzte Transaktion bestimmten und die Briefkurse höher liegen. 

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