Roland Leuenberger, CEO Repower: «Elektromobilität hat ein grosses Wachstum vor sich»

Italienischer Markt profitiert vom Shift zu Erneuerbaren Energien

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Der Bündner Versorger Repower erzielte trotz der Corona-Krise für 2020 ein gutes Geschäftsergebnis. Zwar lagen die Nettoerträge mit 1’708 Mio. CHF um 11% unter dem Vorjahreswert. Dennoch fiel das EBIT mit 77 Mio. CHF um 18% höher als 2019 aus. Obwohl der Reingewinn aufgrund höherer Steuern auf 41 Mio. CHF (Vorjahr: 50 Mio. CHF) zurückging, wird der Generalversammlung am 19. Mai die Ausschüttung einer höheren Dividende von 3 CHF vorgeschlagen.

Ein grosser Teil des in 2020 erzielten Gewinns wurde wiederum in Italien erzielt, wo Repower ein Gaskombikraftwerk in Teverola betreibt. Mit 72 Mio. CHF steuerte das Italiengeschäft 2020 mehr als 90% zum Gruppen-EBIT bei. Im Interview mit schweizeraktien.net erklärt CEO Roland Leuenberger die Bedeutung des Italien-Geschäfts für die Gruppe. Und er geht auch auf die Chancen von Elektromobilität allgemein und für Wasserkraft als Bestandteil der Energiestrategie 2050 in der Schweiz ein.

Roland Leuenberger ist seit April 2020 neuer CEO von Repower. Zuvor leitete er den Versorger bereits ein halbes Jahr interimistisch, nachdem Kurt Bobst das Unternehmen 2019 verlassen hatte. Bild: zvg

Repower kann trotz Corona-Pandemie einen guten Jahresabschluss vorweisen und das operative Ergebnis sogar um 18% steigern. Allerdings wurde, wie schon in den Vorjahren, der grösste Teil des Gewinns in Italien dank dem Verkauf von Regelenergie erzielt. Wie genau funktioniert das Geschäft im Kraftwerk Teverola?

In Italien muss, wie in ganz Europa, die Frequenz des Stromnetzes stabil bei 50 Hertz gehalten werden. Dazu werden Verbrauchs- und Produktionsprognosen erstellt. Weichen dann der tatsächliche Verbrauch oder die Produktion wesentlich davon ab, muss dies mit Regelenergie ausgeglichen werden. Regelenergie wird an einem separaten Markt gehandelt. Unser Kraftwerk Teverola bietet solche Regelenergie an. Gerade in der ersten Lockdownphase waren die Unsicherheiten sehr gross, die Prognosen daher schwierig, was zu einem hohen Bedarf an Regelenergie führte. Wir konnten mit Teverola so das Stromnetz stabil halten und dabei natürlich auch gute Preise erzielen.

Bedeutet dies, je instabiler die Netze sind, desto besser für das Kraftwerk in Teverola?

Grundsätzlich stimmt das so. Dies ist aber nicht nur bei Corona der Fall, sondern zum Beispiel auch bei der zunehmenden Einspeisung von erneuerbaren Energien. Allerdings kommt es sehr auf die konkrete Regelzone an. In der Zone Centro Sud bei Napoli, wo wir unser Kraftwerk betreiben, ist der Markt für Regelenergie vorteilhafter als in anderen Regionen.

In der Corona-Pandemie stand die Wirtschaft wochenlang still. Warum wurde das Geschäft in Italien nicht negativ beeinflusst?

Wir hatten im letzten Jahr einen Trade-off im Italien-Geschäft. Im Lockdown sank weltweit der Bedarf an fossiler Energie. Das hat sich 1:1 negativ auf den Strompreis ausgewirkt, was für unseren Handel schlecht war. Auch die Nachfrage nach Strom in unserem KMU-Geschäft war natürlich rückläufig. Wir konnten also auch weniger Strom verkaufen. Diese beiden negativen Faktoren konnten durch den Verkauf von Regelenergie überkompensiert werden.    

Sie sprachen an der Medienkonferenz den Shift in Italien von Kohle/Gas hin zu den erneuerbaren Energien an. Wie beeinflusst dies mittelfristig die Perspektiven Ihres Gaskombikraftwerks in Italien?

Italien verfolgt mit dem Piano Nazionale Integrato per l’Energia e il Clima, dem Nationalen Energie- und Klimaschutzplan, bis 2030 das Ziel, 80 Terrawattstunden (TWh) Energie, die heute mit fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas erzeugt werden, durch Energie aus erneuerbaren Quellen zu ersetzen. 50 TWh sollen dabei mittels Photovoltaik und 25 TWh durch Windkraft produziert werden. Die anderen 5% sind Wasserkraft. Zusätzlich baut man in Italien für 10 TWh neue Gaskombikraftwerke auf, um die zunehmende unsichere Einspeisung von erneuerbaren Energien ausgleichen zu können und genügend Bandenergie zu haben.

Das Gaskombikraftwerk in Teverola, ursprünglich für die Produktion von Bandenergie geplant, produziert Regelenergie und hat sich in den letzten Jahren zur Cashcow bei Repower entwickelt. Bild: zvg

Der ganze Shift ist für uns gut, denn wir setzen auf den von der Politik geförderten Umbau hin zu PV und Windanlagen, wo wir selber Anlagen entwickeln und auch bestehende Anlage kaufen, um die Kapazität in den nächsten vier Jahren zu verdoppeln. Die Einspeisevergütung ist dabei staatlich garantiert. Das Risiko ist hier auch gering, denn der italienische Staat hat in der Vergangenheit das Vergütungssystem noch nie rückwirkend angepasst. Hier gehen wir von sehr stabilen Erträgen aus diesen Projekten aus.

Und mit Ihrer Regelenergie kann Repower die Netzstabilität sicherstellen, die sich aufgrund der Schwankungen bei der Einspeisung von Energie aus Sonne und Wind ergibt. Damit profitieren Sie gleich dreimal in Italien von der Nationalen Energiestrategie.

Das ist absolut richtig. Ganz so einfach ist es aber nicht, denn die Konkurrenzsituation wird auch zunehmen. Auch will der italienische Staat die Preise für Regelenergie nicht einfach steigen lassen. Ab 2022/23 wird daher ein Kapazitätsmarkt geschaffen, von dem voraussichtlich mehrheitlich die staatlichen Energiefirmen profitieren werden. Die Auswirkungen davon sind noch nicht genau abzusehen. Hier gibt es wieder grosse regionale Unterschiede. In der Region Centro Sud sind wir allerdings noch weniger von der Konkurrenzsituation betroffen, und die Nachfrage ist dort auch höher.

Welche Massnahmen hat Repower ergriffen, um die starke Abhängigkeit von den Erträgen aus Teverola zu reduzieren?

In Italien bauen wir das Geschäft mit KMU-Kunden weiter aus. Dort beschäftigen wir neben unseren Mitarbeitenden über 500 Agenten, die unsere Kunden betreuen und neue Kunden akquirieren. Das Geschäft wächst pro Jahr stabil mit Raten im einstelligen Prozentbereich. Repower ist dort mittlerweile eine trendige Marke, die auch für eine gewisse Verbindlichkeit steht. Weiterhin verkaufen wir unseren Kunden auch zusätzliche Produkte. So können wir es uns erlauben, keine Margenverwässerung in Kauf zu nehmen. Dass unser Kundeportfolio sehr solvent ist, hat gerade die Corona-Krise im letzten Jahr gezeigt. Die Zahlungsausfälle bei Repower lagen deutlich unter dem italienischen Durchschnitt, der staatlich veröffentlicht wird.

In welchen Geschäftsfeldern wollen Sie in der Schweiz künftig wachsen, und wo sehen Sie das grösste Potenzial?

Ein wichtiges Standbein bleibt das Netzgeschäft, wo wir über ein Netz mit einer regulierten Anlagenbasis von gut 300 Mio. CHF verfügen. Diese sichern einen stabilen Deckungsbeitrag. Wir werden Investitionen und Abschreibungen so gestalten, dass wir den Netzwert beibehalten können. Dann haben wir den eigenen Handel, der abhängig von der Strompreisentwicklung ist. Aktuell entwickelt sich der Strompreis eher zu unseren Gunsten. Einen grossen Teil unserer Stromproduktion müssen wir am Markt absetzen. In der Produktion sind wir stark abhängig von den regulatorischen Rahmenbedingungen. Es geht dabei auch um Investitionsbeiträge der öffentlichen Hand für Grosswasserkraftwerke, die bis 35% der anrechenbaren Investitionskosten betragen können. Weitere Themen sind das Gewässerschutzgesetz sowie die Anpassung der Wasserzinsen ab 2024. Generell kann man sagen, wenn die Wasserkraft von der Politik gestärkt wird, profitiert auch Repower davon. Wenn nicht, werden wir dies 1:1 spüren.

Wird die Politik auf Wasserkraft setzen?

Davon gehe ich aus. Die politische Landschaft wird merken, dass sie ohne Wasserkraft weder die Versorgungssicherheit noch ihre Klimaziele erreichen kann. Es ist ein starker politischer Wille da, die Wasserkraft rentabel zu halten.

Im Bereich der Elektromobilität konnten Sie einen Auftrag des Kantons Zürich für bis zu 880 Ladestationen gewinnen. Warum hat sich der Kanton für Repower entschieden, und wie gross ist das Umsatzvolumen?

Uns wurde bestätigt, dass wir die beste technische Lösung anbieten konnten. Dazu gehört nicht nur die Ladeinfrastruktur mit den Ladestationen, die wir mit Partnern installieren werden, sondern auch das Lastmanagement, die Verfügbarkeit der Ladestationen und damit die Sicherheit, dass die Autos auch immer genügend Strom haben, die Abrechnung und die Datensicherheit. Repower kann hier eine sehr überzeugende Gesamtlösung anbieten. Bei der Anzahl Ladestationen handelt es sich um ein «moving target». Es können am Schluss auch über 1’000 Stationen sein. Angaben zu einzelnen Umsatzvolumen kommunizieren wir nicht.

Ist mit weiteren Aufträgen in einer ähnlichen Grössenordnung zu rechnen?

Wir sind überzeugt, dass die Elektromobilität ein grosses Wachstum vor sich hat. Dies gibt auch Repower als Fullservice-Anbieter einen weiteren Schub. Allerdings rechnen wir nicht damit, dass das Geschäft mit der Elektromobilität die Dimensionen des Stromverkaufs erreichen wird. Aber es wird einen stabilen Ergebnisbeitrag leisten.

Wo sehen Sie Chancen für Ihr Dienstleistungsgeschäft und wann werden Ihre Zukunftsprojekte einen nennenswerten Anteil zum Gesamtertrag der Gruppe beisteuern? 2020 war der EBIT-Beitrag mit 11 Mio. CHF noch negativ.

Auch die Dienstleistungserträge ersetzen nicht unsere Erträge aus dem Kraftwerksportfolio. Das Produzieren, Verteilen und Handeln mit Strom bleibt auch in Zukunft unsere Haupteinnahmequelle. Wir nutzen aber unser Know-how aus dem Bau und Betrieb unserer eigenen Anlagen, um mit Dienstleistungen für andere Infrastrukturanbieter und Gemeinden tätig zu werden. Wir bauen zum Beispiel für die SBB ein Unterwerk in Mendrisio. So können wir auch unsere internen Ressourcen besser steuern und uns am Markt profilieren. Unser Dienstleistungsgeschäft ist, anders als bei anderen Versorgern, ein typisches B2B-Geschäft.

Dies betrifft auch Dienstleistungen, die mit dem technologischen Wandel im Netz zusammenhängen. Wir rechnen damit, dass Start-ups in den Markt eintreten, die Produkte und Dienstleistungen im Strombereich anbieten. Hier entscheiden wir, ob wir entsprechende Produkte und Dienstleistungen übernehmen oder neue Lösungen selber entwickeln. Evulution ist ein Beispiel, wie wir Digitale Lösungen vom Energieversorgungsunternehmen (EVU) für andere Energieversorgungsunternehmen anbieten. Weil es sich bei all diesen Themen um Investitionen handelt, dauert es einige Jahre, bis der Break-even erreicht ist.

Wann werden Sie den Break-even erreichen?    

Dies ist von den einzelnen Projekten abhängig. Unsere Produkte Smartpower, Easyasset und Energyboard können alle von einer regulatorisch gestützten Nachfrage profitieren. Das Kundenportal bietet dem Endkunden eines EVU Einblick in den Energiebezug, die Produktionsweise sowie Informationen zu Rechnungsdaten. Hier sind wir bereits Cashflow-positiv. Mit Smartpower liefern wir eine massgeschneiderte Lösung für Smart Metering, Lastmanagement und Energiemanagement. Hier planen wir in zwei bis drei Jahren die Gewinnzone zu erreichen.

Wie ist die Repower-Gruppe in das laufende Jahr gestartet, und welches Ergebnis visieren Sie für 2021 an?

Wir sind gut gestartet. Die höheren Grosshandelspreise am Strommarkt helfen uns. Auch das Geschäft mit der Regelenergie entwickelt sich im bisherigen Rahmen. Dies stimmt uns für das gesamte Geschäftsjahr zuversichtlich. 

Die Verschuldung konnte 2020 weiter abgebaut, die Nettoliquidität gesteigert werden. Vergrössert sich dadurch der Spielraum für weitere Dividendenerhöhungen?

Über die Ausschüttungen entscheiden die Aktionäre auf Antrag des Verwaltungsrates. Allerdings ist es das Ziel von Repower, stabile Ausschüttungen tätigen zu können.

Vielen Dank für das Gespräch.

Nach Bekanntgabe des Jahresabschluss zog der Aktienkurs von Repower auf OTC-X weiter an. Chart: otc-x.ch

Die Aktien der Repower AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Seit Bekanntgabe der Jahreszahlen kletterte der Kurs auf 120 CHF.

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