Repower: Energieaktie im Bann der Verwerfungen am Strommarkt

33 Mio. CHF Gewinn im 1. Semester 2022

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Es ist nur knapp sieben Jahre her, da hatte die Bündner Repower AG einen schweren Stand. Besonders zu schaffen machte dem Energieunternehmen das Kerngeschäft: Die Preise für eine Megawattstunde (MWh) Wasserkraft gingen von 69.30 CHF im Jahr 2011 kontinuierlich auf 43.20 CHF im Jahr 2015 zurück. Dies führte dazu, dass die Produktionskosten durch den Markt nicht mehr gedeckt waren, wie es seinerzeit in einer Analystenpräsentation hiess. Folglich resultierte, gepaart mit weiteren negativen Faktoren wie der Wechselkursentwicklung und Wertberichtigungen, im Geschäftsjahr 2015 ein horrender Verlust von 136 Mio. CHF.

So ändern sich die Zeiten: 2015 beklagte sich Repower noch, dass der Strommarktpreis die Produktionskosten für Strom aus heimischer Wasserkraft nicht deckt. Abb. Repower.ch

Doch statt sich von der damals unrentablen Wasserkraft zu verabschieden, wagte Repower einen Neustart mit einem klaren Bekenntnis zur Wasserkraft. Der Fokus sollte laut der Unternehmensstrategie 2025 auf 100% erneuerbare Energien und heimische Wasserkraft in den Märkten Schweiz und Italien, Dienstleistungen für Energieversorgungsunternehmen (EVU) und Kraftwerksbetreiber, dem Vertrieb sowie digitalen Lösungen und e-Mobilität liegen. Unterstützt wurde die Neuausrichtung durch eine Kapitalerhöhung, an der sich, zusätzlich zum bestehenden Aktionär Kanton Graubünden, die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) und der UBS Clean Energy Infrastructure Fund beteiligten. Für die Aktionäre hat sich der Einstieg im Jahr 2016 übrigens gelohnt: Sie konnten die Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung zu 43 CHF zeichnen. Heute werden die Titel für zuletzt 141 CHF ausserbörslich gehandelt – ein Plus von 228% zuzüglich einer seit 2018 wieder ausbezahlten, stetig gestiegenen Dividende.

Konsequente Umsetzung der Neuausrichtung

Doch der Kursanstieg reflektiert schlussendlich nur den operativen Erfolg, den das Unternehmen seither erzielt hat. Die angekündigten Schritte der Neuausrichtung wurden bisher konsequent umgesetzt. Besonders zugutekommt der Repower AG nun, dass sie auch in den trüben Zeiten der Jahre 2014 und 2015 an der Wasserkraft festgehalten und gezielt in den Ausbau der Kraftwerksanlagen investiert hat. Angesichts der drohenden Strommangellage in diesem Winter ist Wasser in Schweizer Bergen sprichwörtlich zu Gold geworden. Roland Leuenberger, CEO der Repower AG, fasste es an der Halbjahresmedienkonferenz wie folgt zusammen: «Wasser ist zu einem kostbaren Gut geworden, und das nicht nur zum Trinken», sagte er mit Blick auf Spitzenpreise von 1’300 Euro pro MWh und mehr, die teilweise an den Strombörsen für Termingeschäfte mit Liefertermin im 1. Quartal 2023 gezahlt werden. Auf einmal machten sich ein bis zwei Regentage als Millionenbeträge in der Erfolgsrechnung von Stromproduzenten bemerkbar, so Leuenberger. Bei den bis vor Beginn des Kriegs bezahlten Preise waren es nur einige Tausend Franken, die ein Regentag in die Kassen spülte.

Stromhandel mit massiv positivem Einfluss auf Semesterzahlen

Bei Repower wird es noch ein bis zwei Jahren dauern, bis das Unternehmen von den hohen Strommarktpreisen profitieren kann. Denn die Stromproduktion wurde in der Vergangenheit zu wesentlich niedrigeren Preisen auf Termin verkauft. Diese Verträge werden rollierend ersetzt, sodass die Bruttomarge schrittweise deutlich steigen dürfte. Dennoch war bereits der Halbjahresabschluss 2022 geprägt von den massiven Preisanstiegen an den Energiemärkten. Diese hatten vor allem einen positiven Einfluss auf das Handelsergebnis. Die Gesamtleistung des Segments «Markt Schweiz» stieg gegenüber dem Vorjahr um 349 Mio. CHF oder 82,9% auf 770 Mio. CHF. Die Energiebruttomarge erreichte vor Sondereffekten 83 Mio. CHF, was einem Plus von 69,4% entspricht. Dank des guten Handelsergebnisses erreichte das EBIT im Markt Schweiz 40 Mio. CHF.

Ertrag aus Teverola bricht ein

Weniger gut lief es im Berichtszeitraum im «Markt Italien». Die Nachfrage nach sogenannter Regelenergie aus dem Gaskombikraftwerk Teverola sei erheblich gesunken, so Roland Leuenberger an der Medienorientierung. Konkrete Gründe für den Rückgang dieser Regelenergie, die Schwankungen im Stromnetz ausgleicht, nannte er keine. Allerdings vermutet Repower, dass die Sicherheitsanforderungen für die Netzstabilität durch den italienischen Netzbetreiber Terna zurückgenommen worden sein könnten. Dies führt dazu, dass bei Netzschwankungen weniger teure Regelenergie eingekauft werden muss. Im Fall von Teverola wirkte sich die geringere Nachfrage mit einem Rückgang der Marge um 29 Mio. CHF negativ auf die Erfolgsrechnung aus. Zwar stieg die Gesamtleistung des Segments «Markt Italien» gegenüber dem Vorjahr aufgrund der höheren Marktpreise auf 1.452 Mrd. CHF. Jedoch fiel das EBIT in diesem Marktsegment von 41 Mio. CHF im Vorjahr auf nur noch 9 Mio. CHF.

Unter dem Strich verblieb ein Gruppenergebnis für das erste Halbjahr 2022 von 33 Mio. CHF, wobei das Ergebnis auch durch einen negativen EBIT-Beitrag von 5 Mio. CHF aus dem Segment der übrigen Aktivitäten und einem Finanzverlust von 8 Mio. CHF beeinflusst wurde. Im gleichen Zeitraum resultiert 2021 ein Gewinn von 42 Mio. CHF. Das EBIT lag bei 50 Mio. CHF (Vorjahr: 60 Mio. CHF); allerdings beeinflussten sowohl im Vorjahr wie auch im Berichtsjahr positive Sondereffekte das Betriebsergebnis. Das um diese Sondereffekte bereinigte EBIT lag mit 34 Mio. CHF somit nur leicht unter dem Vorjahreswert von 37 Mio. CHF.

Weniger Strom aus Wasserkraft produziert
Derzeit wird das Kraftwerk in Robbia erneuert; im Bild die Kraftwerkszentrale Bild: zvg

Gelitten hat die Stromproduktion aus Wasserkraft in der Schweiz im 1. Halbjahr 2022 auch unter einer geringeren Niederschlagsmenge, der spärlich ausgefallenen Schneeschmelze sowie Arbeiten an zwei Kraftwerken. Leuenberger wies darauf hin, dass die Gesamterneuerung des Kraftwerkes in Robbia bereits länger geplant gewesen sei, das Kraftwerk aber nach der Erneuerung ab 2024 etwa 10% mehr Strom produzieren würde. In Italien wurde hingegen 5% mehr Strom aus Wind- und Solaranlagen produziert. Auch in der Schweiz setzt Repower nun auf den massiven Ausbau der Solarenergie. «Photovoltaik ist gegenwärtig die einzige Energieform, für die ein gesellschaftlicher Konsens besteht», bemerkte Leuenberger. Auch auf die Wasserkraft setzt das Bündner Energieunternehmen weiterhin, was durch die Ausarbeitungen eines Grosswasserkraftwerkprojekts in Chlus unterstrichen wird. Damit wolle man einen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten.

Roland Leuenberger machte allerdings auch deutlich, dass angesichts des drohenden Strommangels derzeit kein Weg daran vorbeiführe, Strom einzusparen. Allerdings sei es in der Schweiz möglich, 10 bis 15% Strom einzusparen, ohne eine Wohlstandseinbusse zu erleiden.

Fazit

Angesichts der massiven Verwerfungen an den Strommärkten kann sich das Halbjahresergebnis der Repower AG sehen lassen. Es ist allerdings von Licht und Schatten geprägt. Für Licht sorgte der positive Handelserfolg, der im ersten Semester das Ergebnis gerettet hat. Denn anders als in den Vorjahren sprudelten die Gewinne aus dem Gaskombikraftwerk in Teverola nicht mehr so üppig. Gleichzeitig ist das starke Handelsergebnis weniger der Weitsicht der Unternehmensleitung, sondern mehr den geopolitischen Verwerfungen zu verdanken. Dennoch lässt sich durchaus konstatieren, dass das gute Semesterergebnis nur dank der Ertragsdiversifikation zustande kam.

Der Schatten zeigt sich aber nicht nur in dem schwachen Abschneiden von Teverola, wo sich mit Blick in die Zukunft auch nicht mit Sicherheit planen lässt, ob und wann die hohen Erträge aus dem Verkauf von Regelenergie wieder zurückkommen. Es zeigt sich auch in der aufgeblähten Bilanz, die nochmals auf 4.4 Mrd. CHF zugenommen hat, was vor allem auf die höheren Strommarktpreise und die damit verbundenen Handelspositionen zurückzuführen ist. Im Normalfall dürfte dies kein Problem für Repower darstellen. Angesichts der sich ausser Rand und Band befindlichen Märkte ist dieses Risiko nicht zu vernachlässigen. Das Risiko besteht vor allem darin, dass die Repower AG auf Termin verkauften Strom nicht liefern kann, weil die Gegenpartei nicht liefert oder die eigene Stromproduktion geringer als erwartet ausfällt. Dann müsste sie sich zu deutlich höheren Preisen am Markt eindecken.

In den letzten fünf Jahren hat sich der Kurs der Repower-Aktie mehr als verdoppelt. Chart: www.otc-x.ch

Mittelfristig dürften sich die höheren Strommarktpreise jedoch positiv auf die Erfolgsrechnung auswirken, denn spätestens ab 2025 wird Repower voll von den stark gestiegenen Preisen profitieren können. Hinzu kommt, dass sich dann auch die gemäss der Unternehmensstrategie 2025 getätigten Investitionen in Dienstleistungen sowie die e-Mobilität positiv auf die Erfolgsrechnung auswirken werden. Kurse von um die 141 CHF auf OTC-X liegen nur knapp 20% über dem Buchwert von 118 CHF je Aktie (per Ende Juni 2022). Bei einer gleichbleibenden Dividende von 4.50 CHF würde die Rendite 3,3% betragen. Gelingt es dem Management von Repower, die aktuellen Turbulenzen an den Märkten ohne Blessuren zu überstehen, so ist die Aktie auf diesem Niveau mit Blick auf die mittelfristigen Perspektiven sicherlich nicht zu teuer. Allerdings dürfen die hohen Risiken, die im aktuellen Marktumfeld auftreten, nicht aus den Augen gelassen werden. Mit einer Eigenkapitalquote von 20% und der gestiegenen Verschuldung bewegt sich das Energieunternehmen auf deutlich dünnerem Eis als in der Vergangenheit.

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