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Das DAX-Mirakel: Börse hui, Wirtschaft pfui

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Die Wirtschaft in Deutschland tritt bestenfalls auf der Stelle, aber die Kurse an der Börse eilen von Rekord zu Rekord. Bild: stock.adobe.com

Mancher greift sich an den Kopf, und kann es doch nicht fassen. Wie kann das sein, dass schon lange krisenhafte Nachrichten aus Wirtschaft und Unternehmen in Deutschland die Schlagzeilen prägen – und der Leit-Index DAX trotzdem haussiert und Rekordstand auf Rekordstand folgt?

Am 18. Oktober war es wieder einmal soweit: Mit 19’674 Punkten erreichte der deutsche Leitindex DAX einen neuen historischen Rekordstand. Seit dem Zwischentief bei 12’114 Punkten im September 2022 kennt das Börsenbarometer nur eine Richtung: nach oben. Das historische Hoch von Anfang 2022 wurde bereits im Mai 2023 überboten. Im laufenden Jahr beläuft sich die Performance auf gut 16%, in den letzten 12 Monaten auf beachtliche 30,7%! Und auch auf 5-Jahressicht beeindruckt der Anstieg von 51%.

DAX 5 Jahre
Die Entwicklung des DAX während der letzten 5 Jahre. Chart (in EUR): google.com

DAX-Performance im Vergleich

Zum Vergleich: Der französische CAC-40 hat 2024 per saldo 0,5% verloren, die 1-Jahresperformance beträgt eher magere 10%. Der Schweizer SPI erzielte eine 1-Jahresperformance von 19%, der italienische Mibtel von 27%. Das Verblüffende ist, dass nirgends die Wirtschaftsdaten schlechter als in Deutschland sind. Nach zwei Quartalen mit schrumpfendem BIP ist die deutsche Wirtschaft offiziell in einer Rezession! Die BIP-Prognosen für 2025 wurden abgesenkt. Sogar die fragwürdige Auszeichnung als «kranker Mann Europas» geistert durch den Blätterwald, die in der Vergangenheit für Krisenländer wie Italien oder Griechenland reserviert war.

Market Cap und Indexgewichtung

Für den scheinbaren Widerspruch sind mehrere Faktoren verantwortlich. Rein technischer Natur ist die Erweiterung um 10 Titel auf 40 Aktien. Der Performance-Index DAX ist zudem an der Marktkapitalisierung der Bestandteile ausgerichtet. Fällt diese bei einzelnen Aktien, folgt bei periodischen Revirements ein «Down-Grading» in den Mid-Cap Index MDAX oder den Small-Cap Index SDAX. Es rücken dann Aktien von Unternehmen nach, die mit Blick auf Handelsqualität und Marktkapitalisierung gegenüber den Absteigern an Bedeutung gewonnen haben.

Star-Performer SAP

Auch wenn der Leit-Index DAX die grössten Unternehmen des Landes abbilden soll, die Unterschiede sind doch gewaltig. So liegt die Market Cap von SAP mit 254 Mrd. Euro inzwischen höher als die aller deutschen Automobil-Konzerne zusammen! Als stetiger Performer kann SAP also allein die kollektiven Kursverluste von BMW, VW, Mercedes und Porsche überkompensieren. In den letzten 12 Monaten kletterte die SAP-Aktie um 77%.

Chart SAP
Kletterkurs der SAP-Aktie. Chart (in EUR): boerse.de

Die DAX-Gewinner

Andere starke Performer in den letzten 12 Monaten sind Siemens Energy mit 241%, Rheinmetall mit 89% und MTU Aero Engines mit 77%. Auch der Finanz-Sektor ist ein Zugpferd der DAX-Performance. Deutsche Bank stieg um 66%, Commerzbank um 62%, Allianz um 35%, Münchener Rück um 27% und Hannover Rück um 20%. Mit einer Marktkapitalisierung von 141 Mrd. Euro ist Siemens ein Schwergewicht, die Aktie legte um 41% zu. Die Deutsche Telekom kommt auf eine Börsenbewertung von 140 Mrd. Euro, der Kursanstieg im vergangenen Jahr liegt bei 39%.

Bayer ist grösster Verlierer im DAX

Von den 40 Titeln im DAX zeigen 31 eine positive Jahres-Performance. Grösster Verlierer ist Bayer mit einem Kurseinbruch von 38%. Der aktuelle Kurs von unter 26 Euro bewegt sich auf dem tiefsten Niveau seit 2005. Das Hoch war 2015 mit 146 Euro erreicht worden. Da die Marktkapitalisierung auf nur noch 25.3 Mrd. Euro geschrumpft ist, belastet der Kurszerfall der Bayer Aktie die Index-Performance nur wenig. Unter den schlechtesten Performern finden sich vor allem die berühmten Auto-Hersteller mit Verlusten zwischen 5% und 20%. Auch hier ist die Auswirkung auf die Index-Performance beschränkt. BMW kommt noch auf 43 Mrd. Euro, VW auf 19 Mrd. Euro. Ansonsten finden sich die Aktien des Chemieunternehmens Brenntag mit 10% Kursrückgang und des Versorgers RWE mit 12% Kursrückgang unter den Verlierern. Die Market Cap von Brenntag ist 9 Mrd. Euro, die von RWE 23 Mrd. Euro.

Chart Bayer
Der Kursverlauf bei Bayer zeigt gegen Süden. Chart (in EUR): google.com

Automobil- und Chemie-Industrie als Risiko

Bedenkt man die volkswirtschaftliche Bedeutung von Chemieindustrie und Automobilindustrie für Deutschland und auch die weltweite Bekanntheit und Bedeutung von Marken wie Mercedes und BMW, so erklären sich die potenziell gravierenden Auswirkungen auf Beschäftigungslage und Steueraufkommen selbst. Die ersten Tabus sind gebrochen. VW beispielsweise hat die Beschäftigungsgarantie aufgegeben.

Nur 18% Inlandumsatz der DAX-Werte

Ein ganz anderer Punkt, der die starke Performance des deutschen Leit-Index DAX gut erklären kann, ist die Tatsache, dass, trotz aller Krisensignale, Deutschland immer noch der Export-Champion ist. Folglich sind auch im Leitindex vor allem international aktive Unternehmen vertreten. Tatsächlich entfallen bei den 40 DAX-Unternehmen nur 18% der Umsätze auf den Heimatmarkt und entsprechend 82% auf internationale Märkte! Zum Vergleich: Bei der zweiten Liga der Unternehmen im MDAX werden dagegen schon 33% der kollektiven Jahresumsätze im Inland erzielt. Insofern spiegelt sich im DAX, der ohnehin von ausländischen institutionellen Investoren dominiert wird, weniger das Geschäft im Heimatmarkt ab, sondern hauptsächlich die Konjunkturperspektiven in den wichtigsten Nachfrageregionen wie USA, Frankreich, China, Japan und den zahlreichen aufstrebenden Ländern wie Indien und Brasilien wider.

Risiken für den Export-Weltmeister am Horizont

Was traditionell eine Stärke der deutschen Wirtschaft war – die tiefe Einbettung in die globalen Wirtschaftskreisläufe – droht nun zu einem existenziellen Risiko zu werden. Sollte Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt werden, ist mit einer protektionistischen US-Wirtschaftspolitik zu rechnen. Zölle erleben schon jetzt eine verbale Hochkonjunktur. «60% auf alles aus China», so Trump im Wahlkampf. Auf Importe anderer Länder will er pauschal Zölle zwischen 10% und 20% erheben. Wenn auch China der erklärte «Lieblingsgegner» des Kandidaten Trump ist, die hohen deutschen Exportüberschüsse mit den USA waren ihm schon in der ersten Amtszeit ein Dorn im Auge. 2023 beliefen sich die deutschen Exportüberschüsse auf 63.3 Mrd. Euro, im ersten Halbjahr 2024 auf 37.4 Mrd. Euro. In der Konsequenz würden deutsche Exportunternehmen wie BASF oder BMW ihre Produktion in den USA ausbauen, um so ihre Marktstellung zu behaupten – und entsprechend in Europa reduzieren. Als Folge der Erhöhung der US-Zölle könnte der Euro zum USD, so eine aktuelle Einschätzung von Goldman Sachs, um bis zu 10% abwerten, also unter die Parität fallen.

Chart EUR/USD seit 2014: xe.com

Parallelen und Unterschiede bei Leit-Indizes

Gute und passende Vergleiche machen nicht selten das scheinbar Unverständliche plausibel. Die Situation und die Struktur der Konstruktion der Leit-Indizes ist in Deutschland nicht so viel anders als in der Schweiz. Mit den drei Mega-Caps Nestlé, Roche und Novartis und deren hoher Gewichtung sind diese für die Index-Perfomance massgeblich. Ein wesentliche Unterschied ist, dass die Sektoren Nahrungsmittel und Pharma nicht-zyklischer Natur sind, weshalb die Schweizer Leit-Indizes relativ zu denen anderer Länder insbesondere in den Phasen des Konjunkturzyklus gut performen, die nicht von euphorischen Aufschwungtendenzen geprägt sind. Beim Export-Weltmeister Deutschland ist es genau umgekehrt, dort dominieren Exporteure wie Siemens, BASF und Mercedes. Gleich ist jedoch, dass die Umsätze der Index-Schwergewichte hauptsächlich ausserhalb des Heimatlandes erwirtschaftet werden. Und so erklärt sich auch, dass jeweils internationale institutionelle Investoren sowohl die dominierenden Anteilseigner sind wie auch den grössten Teil des Aktienhandels in Zürich und Frankfurt bestreiten.

Fazit

Indexologie ist eine Wissenschaft für sich. Das fängt schon damit an, dass Total Return-Indizes oft mit Kurs-Indizes verglichen werden, was, je nachdem, einen Unterschied von 2% bis 4% auf Jahresbasis macht. Bei solchen unstatthaften Vergleichen werden die Dividenden als Komponente der Gesamtrendite einfach ausgeblendet. Bei 10-Jahresvergleichen ist der Effekt exorbitant. Indizes sind auch nicht für die Ewigkeit konstruiert, sondern werden regelmässig angepasst. Die Kriterien variieren, doch Free-Float, Market Cap und Handelsvolumen spielen eine wichtige Rolle. Leit-Indizes sollen auch die Wirtschaft eines Landes entsprechend den bedeutenden Wirtschaftssektoren abbilden. Dann gibt es noch Phänomene wie den «Survivor Bias». Im ältesten Index der Welt, dem Dow-Jones 30, ist heute kein einziges Unternehmen aus der Anfangszeit mehr vertreten. Die Bedeutung von Stahl, Öl, Automobilen hat abgenommen, dafür sind Hardware und Software, Healthcare, Finanzdienstleistungen und Internet dazugekommen. Von den zahlreichen Unternehmen, die einst bedeutend waren und es heute nicht mehr sind oder die im Bankrott endeten oder übernommen wurden, sprechen heute nur noch Wirtschaftshistoriker.

Die scheinbar überragende Bedeutung der Indizes ist auch eine Erscheinung der jüngeren Vergangenheit. Lange war die Börse ein Markt der Aktien, heute ein Aktienmarkt. Noch in den 1980er Jahren waren Indizes kaum ein Thema für Anleger, heute gibt es für die meisten (passiven) Anleger kein anderes Thema. Es ist das zweifelhafte Verdienst der Produktkreatoren in der Finanzwirtschaft mit ihren stets neuen Themen- und Strategie-Indizes sowie sonstigen Schöpfungen aus der Retorte, dass dies so ist. Gerade zurzeit zeigt sich jedoch ganz offensichtlich an der divergierenden Kursentwicklung  innerhalb der einzelnen Branchen und zwischen den Ländern, dass es für die erfolgreiche Performance der Investments eben doch vor allem darauf ankommt, die besten Aktien auszuwählen und auf Mitläufer zu verzichten.

Auto AG Group: Übernahme der Garage Nepple und Markteintritt von Ford Trucks

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Im Juli übernahm die Auto AG Group die Firma Garage Nepple AG mit 110 Mitarbeitenden und einem Umsatz von über 40 Mio. CHF. Ebenfalls in diesem Sommer gab die kürzlich gegründete BF Import AG, eine Tochtergesellschaft der Auto AG Group, bekannt, dass sie eine zentrale Rolle in der Wachstumsstrategie von Ford Trucks mit deren Markteintritt in der Schweiz übernehmen wird.

Im Video erläutert Marc Ziegler, CEO der Auto AG Group, warum die Übernahme der Garage Nepple perfekt in die Wachstumsstrategie der Rothenburger passt. Pascal Job, Geschäftsführer der BF Import AG, berichtet aus erster Hand, wie die Premiere von Ford Trucks bei Kunden und Interessenten angekommen ist.

 

Griesser Holding: Reif für den Turnaround?

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Die Pergola-Markise von Griesser bietet mit ihrer soliden Pfostenkonstruktion zuverlässigen Sonnenschutz in windigen Lagen. Bild: griesser.ch

Schon seit Mitte 2021 befinden sich die Aktien der ausserbörslich gehandelten Griesser Holding auf Talfahrt. Ab Mitte 2023 hat sich der Absturz sogar noch beschleunigt. Bei Kursen von aktuell 650 CHF hat sich das KUV auf 0.16 und das KBV auf 0.4 ermässigt. Ist die Unterbewertung begründet? schweizeraktien.net hat bei CEO Urs Neuhauser die aktuellen Tendenzen im Geschäftsgang nachgefragt.

Mit der Pandemie kam für einige Branchen auch ein unerwarteter Boom. Schnell war der passende Terminus «Home-Nesting» für das gefunden, wozu die Beschränkung der Freizeit- und Bewegungsmöglichkeiten bei den Konsumenten führte. Ein Profiteur der nicht ganz freiwilligen Verbesserung des privaten Umfelds war die Griesser Holding, der führende Hersteller von Rolladen, Markisen und weiteren Sonnenschutzprodukten. Zwischen 2020 und 2022 stieg die Nachfrage, die Umsätze erhöhten sich von 320 Mio. CHF auf über 360 Mio. CHF. Auch EBITDA und Reingewinn stiegen kräftig. Die Dividende wurde von 15 CHF auf 25 CHF angehoben.

Chart Griesser
Kursverlauf der Griesser-Aktie seit Börsenstart. Chart: otc-x.ch

Sondereffekte und Konjunkturschwäche prägen Jahresabschluss 2023

Um der erhöhten Nachfrage auf längere Sicht Herr zu werden, wurde die traditionell hohe Investitionstätigkeit weiter beschleunigt. Die Fertigungskapazitäten in Sachsen wurden verdoppelt, und auch in Österreich wurden die Produktionskapazitäten erneuert und erweitert. Solche Kraftakte können nicht über Nacht geleistet werden, sondern brauchen Zeit. Der Nachfragerückgang infolge des unerwarteten Beginns des Kriegs in der Ukraine, der Verwerfungen der Lieferketten, der zeitweilig erhöhten Energiepreise sowie des steigenden Zinsniveaus kam zur Unzeit. 2023 war ein Umsatzrückgang von 12,8% auf 324.5 Mio. CHF zu verkraften, und erstmals seit langem war auch mit -2.4 Mio. CHF ein negatives Ergebnis zu verzeichnen. Immerhin blieb das EBITDA, also der operative Gewinn, mit 11.5 Mio. CHF klar im positiven Bereich. Die Investitionen beliefen sich 2023 auf 14 Mio. CHF, die Abschreibungen auf 11.3 Mio. CHF. Für den negativen Gewinnausweis sorgten mehrere Sondereffekte wie Währungsverluste von 6.2 Mio. CHF sowie nicht aktivierbare Investitionen von 4.7 Mio. CHF in CRM- und ERP-Systeme.

Starke Bilanz trotz Investitionskraftakt

Die Phase der intensiven Investitionstätigkeit ist zwischenzeitlich beendet. Sowohl in Sachsen wie in Österreich haben die neuen Werke die Produktion aufgenommen. Stand Ende 2023 war die Eigenkapitalquote mit 70% nur um 1 Prozentpunkt unter derjenigen des Vorjahres. Die Griesser Holding hat also trotz des Investitionskraftaktes zum Ausbau der Produktion die Bilanz stark halten können. Die Produktion wurde nicht nur erweitert, sondern auch modernisiert und effizienter gestaltet. Beispielsweise wird die neue Pulverbeschichtungsanlage im österreichischen Nenzing nahezu vollständig mit selbst erzeugter Solarenergie betrieben. Durch eine Wärmepumpe wird der Energiebedarf um 15% gesenkt. Diese und ähnliche Massnahmen senken die Kosten signifikant. Das ist auch das Ziel der fortgesetzten Initiative zur Digitalisierung der Geschäftsprozesse.

Aktienbewertung wie vor 20 Jahren

Dass die Marktbedingungen auch 2024 nicht einfach sein würden, lag auf der Hand. Doch inzwischen haben sich die Perspektiven durch die erfolgten Zinssenkungen von SNB und EZB sowie die begründeten Aussichten auf weitere Zinssenkungsschritte spürbar verbessert. Das ist aber bisher nicht an der Entwicklung der Aktie abzulesen. Tatsächlich liegt der aktuelle Kurs so tief wie zu Beginn des Aktienhandels 2004, wenn auch nicht auf dem tiefsten damals verzeichneten Niveau von 550 CHF. Die aktuelle Marktkapitalisierung beträgt 52 Mio, CHF, woraus sich ein KUV von 0.16 errechnet. Der Buchwert der Aktie liegt bei 1604 CHF, das KBV beträgt somit 0.4.

Auftragseingänge stabil

Wie ist die aktuelle Lage? Was ist für 2025 zu erwarten? CEO Neuhauser sagt auf Anfrage von schweizeraktien.net, dass «die Auftragseingänge insgesamt auf Vorjahresniveau sind, obwohl die konjunkturelle Abkühlung in Deutschland spürbar ist». Er sagt aber auch, dass «die in Deutschland ansässige Marke Weinor im Vergleich zur Konkurrenz deutlich besser abschneidet». Zur Kostenentwicklung erklärt Neuhauser: «die Materialkosten liegen auf ähnlichem Niveau wie im Vorjahr», und ebenso «bewegt sich der Personalstand auf Vorjahresniveau». Dies sind die beiden grössten Kostenblöcke, und der wichtigste Markt ist Deutschland.

Aussichten hellen sich auf

Im Geschäftsbericht 2023 war die Erwartung zum Ausdruck gebracht worden, dass sich die Nachfrage in der Schweiz Ende 2024 und in der EU ab 2025 beleben wird. Stand Oktober 2024 gibt CEO Neuhauser dazu ein Update: «Insgesamt sehen wir erste Tendenzen in diese Richtung. Gerade aber die Bauindustrie ist nach wie vor geschwächt und erholt sich langsamer als erwartet, sowohl in der Schweiz wie auch im westeuropäischen Raum. Wir rechnen deshalb für 2025 mit einem herausfordernden, aber tendenziell leicht besseren Jahr. Für den kommenden Aufschwung sind wir aber gut aufgestellt.»

Digitalisierung optimiert Kosten

Zu den Effekten der Kostensenkungsprogramme und der Effizienzsteigerungen gibt sich Neuhauser zuversichtlich: «Wir erwarten den höchsten Anteil an Kostenoptimierung und Effizienzsteigerung aus unserem Digitalisierungsprojekt.» Anfang 2024 hat die Griesser Holding ihren Anteil an der deutschen Tochter Weinor, der «Cash-Cow» der letzten Jahre, von 76,5% auf 97,5% erhöht. Die bilanziellen Auswirkungen sind zwar noch nicht final geklärt, doch «in der Erfolgsrechnung werden die ausgewiesenen Erfolge der Minderheiten deutlich abnehmen», so Neuhausers Aussage zu den Auswirkungen der Erhöhung der Beteiligungsquote.

Nachhaltige Innovationen haben positiven Impact

Am Ende entscheiden aber die Kunden. Wie kommen die nachhaltigen Innovationen bei Produkten und Produktionsprozessen bei den Käufern und Händlern an? Dazu erklärt der CEO, dass die neu lancierten Produkte wie das stromunabhängig betriebene Solar-Panel und das nahezu CO2-freie Green Aluminium «einen positiven Impact auf die Nachfrage haben».

Fazit

Wird das Zahlenwerk zyklisch und um die einmaligen Sondereffekte bereinigt, erscheint für 2025 und darüber hinaus ein Bild, das eine verbesserte «normalisierte» Ertragskraft zeigt. Der Jahresabschluss für 2024 dürfte wohl besser als der des Vorjahres ausfallen, aber immer noch Spuren der Konjunkturschwäche und des hohen Investitionsniveaus zeigen. Mit Blick nach vorne erscheint die Aktie auf dem aktuellen Niveau dennoch unterbewertet. Anleger mit längerfristigem Zeithorizont können ein antizyklisches Engagement ins Auge fassen. Ob sie günstig zum Zug kommen werden, ist allerdings offen. Gegenwärtig liegt das tiefste Brief-Angebot, abgesehen von wenigen Stücken zu 680 CHF, mit 999 CHF rund 320 CHF über der Geld-Seite.

Stefan Schulthess, SGV Holding: «Durch Solartreibstoffe können wir die bestehende Technologie weiter nutzen»

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Stefan Schulthess
Stefan Schulthess ist seit 2005 Geschäftsführer der SGV Holding AG und der SGV AG. In den vergangenen Jahren hat er das Thema Nachhaltigkeit in der Unternehmensgruppe stark vorangetrieben. Bild: zvg

In puncto Nachhaltigkeit hat die Luzerner SGV Gruppe in den vergangenen Jahren viele Fortschritte gemacht. Dies zeigt sich nicht nur im Nachhaltigkeitsbericht und der Zusammenarbeit mit Initiativen wie myclimate, sondern gerade auch bei den Massnahmen zur Dekarbonisierung der Schiffsflotte. Seit dem Frühling 2024 fährt beispielsweise das von der SGV AG betriebene Motoschiff Rütli rein elektrisch. Ab Frühling 2026 soll das Motorschiff Saphir mit einem Wasserstoff-Brennstoffzellen Antrieb unterwegs sein. Nun gab das Unternehmen bekannt, dass es als weltweit erste Schifffahrtsgesellschaft einen fünfjährigen Abnahmevertrag für einen Solartreibstoff des ETH-Spinn-offs Synhelion unterzeichnet hat. 100 Tonnen des synthetischen Treibstoffes sollen jährlich zum Antrieb der Dampfschiffe auf dem Vierwaldstättersee verwendet werden. schweizeraktien.net fragte Geschäftsführer Stefan Schulthess, was die Umstellung für die Dampfschiffflotte bedeutet, auf welche anderen emissionsarmen Antriebsarten gesetzt wird und wie das bisherige Geschäftsjahr verlaufen ist.

Synhelion ist bekannt dafür, dass sie Kerosin für Flugzeuge herstellen. Wie kam die SGV dazu, diesen Treibstoff für ihre Dampfschiffe anzufragen?

Stefan Schulthess: Synhelion stellt ein synthetisches Rohöl her, aus dem sich in konventionellen Ölraffinerien alles herstellen lässt, was man auch sonst mit Rohöl herstellt. Also Kerosin, Benzin, Diesel oder Heizöl. Der Einsatz des Solartreibstoffes von Synhelion bei Dampfschiffen drängt sich insofern auf, weil wir dadurch unsere existierende Dampfschifftechnologie und Treibstoffinfrastruktur weiter nutzen können. Wir haben darum schon vor ein paar Jahren den Kontakt zu Synhelion gesucht. Im Strassenverkehr spielt heute die Elektrifizierung eine Schlüsselrolle bei der Reduzierung von CO2-Emissionen. Andere Bereiche der Mobilität sind schwieriger zu elektrifizieren wie eben unsere historischen Dampfschiffe.

Also ist eine Umstellung der Antriebe der Dampfschiffe, die bisher mit Heizöl fahren, gar nicht notwendig?

Wie erwähnt ist eine Anpassung des Antriebes und der Dampferzeugung nicht notwendig. Synhelion produziert einen Solartreibstoff, der fossile Kraftstoffe ersetzt und kompatibel ist mit bestehenden Verbrennungsmotoren oder -maschinen. Gleichzeitig ist der Solartreibstoff von Synhelion CO2-neutral, da er bei der Verbrennung nur so viel CO2 ausstösst, wie für die Herstellung verwendet wurde. Weil die Verfügbarkeit von synthetischen Treibstoffen noch sehr gering ist und die Preise noch sehr hoch sind, suchen wir gleichwohl nach Optimierungen im Bereich Treibstoff- und CO2-Reduktion bei Dampfschiffen.

Wie gestalten sich denn die Kosten des synthetischen Treibstoffs im Vergleich zu bisherigen Treibstoffen wie Diesel oder Heizöl?

Der synthetische Solartreibstoff ist aktuell noch um ein Vielfaches teurer im Vergleich zu fossilen Treibstoffen. Ab 2033 strebt Synhelion Produktionskosten von 1 CHF pro Liter an und wäre dann preislich konkurrenzfähig.

«Ab 2033 strebt Synhelion Produktionskosten von 1 CHF pro Liter an»

Werden die Fahrgäste den Mehraufwand bezahlen müssen?

Wie bei jeder anderen Kostensteigerung auch, werden die Fahrgäste selbstverständlich einen Anteil der Mehrkosten indirekt über höhere Fahrpreise früher oder später mitfinanzieren müssen. Ökologische Nachhaltigkeit ist nicht zum Nulltarif erhältlich; auch bei uns nicht. Mit durchschnittlich 14 Franken pro Fahrtstrecke ist die SGV AG heute alles andere als teuer.

Schon ab Mai 2025 soll das Dampfschiff «Gallia» mit einem Teil nachhaltigem Treibstoff, ab 2027 komplett mit den neuen Treibstoffen fahren. Die SGV hat sich jährlich 100 Tonnen dieses Treibstoffs ab 2027 gesichert. Ist es realistisch, dass diese Menge auch produziert werden kann?

Ja, es ist realistisch. Vor ein paar Wochen hat Synhelion im deutschen Jülich seine erste Anlage eröffnet, welche den ökologischen Treibstoff im kleinen Massstab herstellt, und aktuell plant Synhelion den Bau der ersten kommerziellen Solartreibstoffanlage in Spanien mit einer geplanten Produktionskapazität von 1’000 Tonnen Solartreibstoff pro Jahr ab 2027.

Wie läuft die Finanzierung? Muss die SGV für eine Option auf den Treibstoff zahlen?

Die Finanzierung der Anlagen ist für Synhelion tatsächlich anspruchsvoll. Darum braucht Synhelion Partnerschaften und Abnahmeverträge wie mit der SGV AG und natürlich Investoren. Synhelion hat eine hardwaregetriebene Technologie. Der Bau der Anlage ist sehr teuer, der Betrieb vergleichsweise günstig. Die SGV musste aber für die Option der Treibstofflieferungen nicht im Voraus bezahlen.

Kritiker sagen, synthetische Treibstoffe wie bspw. Synhelion brauchen zu viel Energie für deren Herstellung. Was sagen Sie?    

Die Umwandlung von CO2 und Wasserdampf in flüssigen Treibstoff braucht tatsächlich viel Energie, weshalb diese zwingend erneuerbar sein muss. Die thermische Energie , die für die chemischen Prozesse von Synhelion benötigt wird, stammt von der Sonne. Heliostaten konzentrieren Sonnenstrahlen und wandeln sie in Hochtemperaturprozesswärme um. Die Energiefrage kann Synhelion also gut lösen. Auch Wasser ist leicht verfügbar. Bleibt noch die Kohlenstoffquelle. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen kann das CO2 mit der Technologie «direct air capture» (DAC) direkt aus der Luft gewonnen werden oder man setzt auf biogenes CO2, das aus Bioabfall gewonnen wird. Weil DAC derzeit noch nicht zu einem marktfähigen Preis produzierbar ist, setzt Synhelion aktuell auf biogenes CO2. Die Vision von Synhelion ist aber, DAC zu nutzen, sobald der Preis konkurrenzfähig ist.

Die SGV setzt bei den Antrieben für ihre Schiffe auf Elektrizität, Wasserstoff und nun auf synthetische Treibstoffe. Wo sehen Sie das grösste Potenzial?

Aus heutiger Sicht haben meines Erachtens alle der erwähnten Lösungsansätze je nach Mobilitätsform ihre Berechtigung.

Auf der Strasse wird sich die Elektromobilität durchsetzen, in der Fliegerei aus Gewichts- und Platzgründen eher synthetische Treibstoffe wie bspw. Synhelion, und bei Schiffen sind je nach Distanz, Geschwindigkeit, Schiffsgrösse und Einsatzdauer sowohl Elektromotoren mit Batterien oder Brennstoffzellen und Wasserstoff oder eben der Einsatz von synthetischen oder anderen nicht fossilen Treibstoffen ein Thema.

Die SGV AG hat den Anspruch, den Richtwerten im neuen Bundesgesetz über die Klimaziele Rechnung zu tragen, die verlangen, dass im Sektor Verkehr die Treibhausgasemissionen bis 2040 um 57% und bis 2050 um 100% vermindert werden.

Kommen wir zur laufenden Geschäftsentwicklung der SGV Gruppe. Sie haben Anfang Jahr in einem Interview gesagt, dass die Fernmärkte 2024 nochmals zulegen werden, sich die inländische Nachfrage auf einem hohen Niveau stabilisiert. Ist dieses Szenario eingetreten?

Ja, dieses Szenario ist eingetreten. Die SGV AG, also der Schifffahrtsbereich unserer Gruppe, erwartet trotz teilweiser schwieriger meteorologischer Rahmenbedingungen bis Ende Jahr mit rund 3 Millionen Gäste gleich viele Gäste wie im letzten Jahr. Im Gegensatz zu anderen Schifffahrtsgesellschaften profitierten wir vom boomenden Städtetourismus in Luzern und von den ausländischen Gästen, die ihre Reisen wetterunabhängig durchführten. Mit 66% sind Schweizer Gäste auf dem Vierwaldstättersee aber weiterhin die wichtigste Kundengruppe.

2023 hat die SGV AG einen Rekordumsatz erzielt. Wie ist der Ausblick auf das Gesamtjahr in der Schifffahrt …

Auf Umsatzebene werden wir das Rekordergebnis bei der Schifffahrt egalisieren können. Der Verkehrsertrag wird mit rund 42 Mio. CHF voraussichtlich sogar leicht höher ausfallen als im Jahr 2023. Auf Stufe EBITDA werden wir infolge leicht höherer Personal- und Unterhaltskosten das letztjährige Betriebsergebnis jedoch nicht übertreffen.

«Auf Umsatzebene werden wir das Rekordergebnis bei der Schifffahrt egalisieren können»

und bei der Tavolago AG?

Für das laufende Jahr rechnet die Tavolago AG in der Gastronomie mit einem Gesamtumsatz von rund 33 Mio. CHF. Dies ist im Vergleich zum Vorjahr ein leichter Rückgang, der vor allem auf die Schliessung eines Restaurants zurückzuführen ist. Trotz des etwas tieferen Umsatzes wird das Betriebsergebnis auf Stufe EBITDA der Tavolago AG ähnlich hoch wie im guten Vorjahr ausfallen.

2023 war der Ergebnisbeitrag der Shiptec AG negativ. Hat sich die Situation mittlerweile geändert, und konnte man sich mit dem Kunden in Lausanne einigen?

Ja, bei der Shiptec AG hat sich die Situation im laufenden Jahr aufgehellt. Im Sommer 2024 konnte die zweite der beiden Personenfähren an den Kunden CGN SA übergeben werden und die von Ihnen angesprochene Konfliktlösung der strittigen Punkte und deren Kostenfolge konnte zwischenzeitlich zwischen der Shiptec AG und der CGN SA aussergerichtlich bereinigt werden.

Herr Schulthess, ganz herzlichen Dank für das aufschlussreiche Interview.

Die Aktien der SGV Holding AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt wurden 265 CHF für eine Aktie bezahlt.

 

Aktienkurs SGV
Seit Jahresbeginn bewegen sich die Titel der SGV Holding AG in einem Band zwischen 250 und 300 CHF. Chart: otc-x.ch

Schweizer Industrie-Aktien: Gemischte Signale und divergierende Performance

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Das Schiffsantriebssystem Azipod von ABB verringert den Treibstoffverbrauch und ist eines von vielen innovativen Produkten des ABB-Konzerns, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Bild: global.abb/
Das Schiffsantriebssystem Azipod von ABB verringert den Treibstoffverbrauch und ist eines von vielen innovativen Produkten des ABB-Konzerns, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Bild: global.abb

Die Serie der überraschenden Unternehmensergebnisse aus der Schweizer Industrie reisst nicht ab. In einigen Fällen sind sie positiv, in anderen gemischt, doch meistens sind sie enttäuschend und führen zu Kursabstürzen. Im Kursgeschehen zeigen sich Muster, die für Anleger aufschlussreich sind und helfen Verluste zu vermeiden und Chancen zu identifizieren.

Zinssenkungen sind zwar generell gut für die Aktienbörse, trotzdem ist die Gleichung nicht ganz so einfach, denn viele Variablen beeinflussen die einzelnen Unternehmen und Wirtschaftssektoren. Das zeigt sich deutlich im unterschiedlichen Geschäftsverlauf und Ausblick der rapportierenden Unternehmen. Zulieferer von Fertigungsindustrien wie Automobil und Landwirtschaftsmaschinen spüren die anhaltende Zurückhaltung der Endkunden. Ein aktuelles Beispiel ist der Hersteller von Maschinen zur Blechbearbeitung Bystronic, wo Auftragseingänge und Umsätze in den ersten neun Monaten des Jahres um 25,3% respektive 28,3% weiter fielen. 500 Stellen werden abgebaut. Die Aktie verlor seit Anfang Jahr 31% und in den letzten drei Jahren 75%.

Komax im Schatten der kriselnden Automobilindustrie

Ähnlich sieht es beim Kabelbaum-Spezialisten Komax aus. Die Krise der Autobauer schlägt durch, da die Auftraggeber immer zurückhaltender bei Investitionsentscheidungen werden. Der Auftragsbestand ist abgeschmolzen, im Juni wurde Kurzarbeit eingeführt. Standorte werden geschlossen und die Kosten gesenkt, nicht zuletzt durch einen aktiven Personalabbau. Seit Anfang Jahr fiel die Aktie um 41% und liegt nun um zwei Drittel unter den Höchstkursen. Bei beiden Unternehmen gibt es auch Lichtblicke, doch die kompensieren nicht für den breiten Nachfragerückgang.

Kapazitätsauslastung auf Krisenniveau

Ein tieferer Blick auf die Hintergründe offenbart eine mittlerweile tiefe Kapazitätsauslastung der Schweizer Industrie von 79% im ersten Quartal des laufenden Jahres. Noch 2022 bewegte sich die Kapazitätsauslastung bei 84% bis 85%. Das liegt auf der Höhe des langfristigen Durchschnittswertes zwischen 1967 und 2024 von 83,4%. Tiefere Werte als 79% wurden nur in den Krisenjahren 1975, 2009 und 2020 verzeichnet. Das zeigt, dass es sich nicht nur um einen zyklischen Abschwung der Nachfrage handelt, sondern um ein strukturelles Problem.

Kapazitätsauslastung Schweizer Industrie
Die Kapazitätsauslastung der Schweizer Industrie befindet sich auf einem Tiefststand. Abb. tradingeconomics.com

Überkapazitäten und Gewinnschwund

Überkapazitäten wie in der Automobilindustrie können durch einen starken Rebound der Nachfrage im besten Fall schnell verschwinden, doch Über-Investment, das durch inflationierte Erwartungen gespeist wird und an der tatsächlichen Nachfrage vorbei geht, führt zwangsläufig zu Krisen. Die Kosten der herstellenden Unternehmen bleiben hoch und sind nur begrenzt absenkbar. Wenn die Nachfrage schwach bleibt, schwindet auch die Profitabilität schnell, denn die Fixkosten verteilen sich auf immer weniger Stückzahlen und erhöhen so die Gewinnschwelle. In aller Regel kann nur der aktive und entschlossene Kapazitätsabbau die Profitabilität wieder herstellen. Deshalb sind Stilllegungen von Fabriken oder Fertigungslinien derzeit so oft in den Schlagzeilen. Immerhin, die Entscheidungen dazu fallen den Unternehmenslenkern zwar bestimmt nicht leicht, sind aber gleichzeitig ein Signal, dass sie den Ursprung der Problematik verstehen und sich entschlossen in Richtung gesunder ausgeglichener Marktverhältnisse bewegen. Auch wenn es dauern kann, bis sich die erwünschten Ergebnisse zeigen, der eingeschlagene Weg führt meist über kurz oder lang zu einem erneuten Erstarken der Profitabilität.

Zuversicht in der Schweizer Wirtschaft nimmt spürbar zu

Der volkswirtschaftliche Datenkranz und die Prognosen für 2025 begründen durchaus den Optimismus für die Industrie. Das Wirtschaftswachstum dürfte sich auf annualisierter Basis bei rund 1,8% bewegen, die Inflationsrate bei knapp über 1%. Sowohl beim Konsumentenvertrauen als auch bei der Zuversicht der Unternehmen zeichnet sich schon seit dem Ende des dritten Quartals 2024 eine sukzessive Verbesserung ab. Im September 2024 stieg das KOF Economic Barometer überraschend auf 105.5. Erwartet worden waren 102. Das ist der höchste Wert seit dem Tief von 87.2 im September 2022 und dokumentiert die sich stetig verbessernde Stimmung der Wirtschaft, vor allem im Sektor Manufacturing.

KOF Konjunkturbarometer
Das Konjunkturbarometer des KOF der ETH Zürich signalisiert einen Aufschwung. Abb. KOF/ tradingeconomics.com

Kommt die Rieter-Aktie jetzt in Fahrt?

Im zweiten Quartal 2024 stieg die Industrieproduktion in der Schweiz um 7,3%, das ist einer der besten Werte der letzten fünf Jahre. Diese landesweiten Zahlen lassen sich jedoch nicht pauschal auf einzelne Segmente oder Unternehmen übertragen. In manchen Industriezweigen herrscht schon seit Jahren Zurückhaltung bei Investitionen. Ein Beispiel ist Rieter in der Textilmaschinenindustrie. Im ersten Halbjahr 2024 ging der Umsatz um 43% auf 421 Mio. CHF zurück. Der Nettogewinn schrumpfte auf 1.7 Mio. CHF zusammen. Der hohe Auftragseingang in den Boomzeiten hatte zu einem starken Auftragsbestand geführt, doch der ist inzwischen weitgehend abgearbeitet, weshalb die Umsätze zuletzt abgestürzt sind. Die neu entwickelten Textilmaschinen von Rieter sind effizienter und bieten viele neue Features wie die Verarbeitungsfähigkeit von Recyclingfasern. Erste Zeichen eines neuen Investitionszyklus sind erkennbar. Der Auftragseingang im ersten Semester nahm um beachtliche 24% auf 403.4 Mio. CHF zu, getragen von Bestellungen von neuen Maschinen. Die Aktie nahm in den letzten Tagen die Hürde von 100 CHF. Das Tief lag vor kurzem bei 80 CHF, das historische Hoch im Jahr 2007 bei 691 CHF. Noch 2021 wurden in der Spitze 240 CHF bezahlt.

Chart Rieter
Die Aktien von Rieter befinden sich in einem Tief. Chart: six-group.com

Oerlikon plant Spin-off der Textilmaschinen-Sparte

Oerlikon entschied bereits Anfang Jahr, die Textilmaschinensparte mit Namen «Polymer Processing» innerhalb von 12 bis 36 Monaten abzuspalten. Dies könnte auch als Spin-off geschehen, da potenzielle Kaufinteressenten derzeit nicht gerade Schlange stehen. Die jahrelange Krise in der Textilindustrie hatte zu dramatischen Umsatzrückgängen geführt, die auch von den anderen Aktivitäten nicht kompensiert werden können. Zukünftig will sich Oerlikon auf Oberflächentechnologien konzentrieren. Der Aktienkurs ist nur noch ein Schatten seiner vormaligen Grösse. 2007 wurden Kurse über 100 CHF verzeichnet, 2018 immerhin 17 CHF, jetzt gerade noch 4 CHF. Das absolute Tief lag bei 3.40 CHF um die letzte Jahreswende.

Auch die Aktien von Oerlikon gehören zu den negativen Performern unter den Schweizer Industrietiteln. Chart: six-group.com

Erfolg der CPH Spin-off-Transaktion lässt auf sich warten

CPH, ein weiterer Mischkonzern mit langer Tradition, hat die Papieraktivitäten mit unternehmenseigenen Immobilien angereichert und im Juni des Jahres als Spin-off abgespalten. Die Valoren werden seitdem auf OTC-X gehandelt. Im aktuellen Interview mit schweizeraktien.net gewährt Peter Schildknecht, der Vorsitzende der Gruppenleitung der Perlen Industrieholding, Einblicke zum Geschäftsverlauf und der Strategie. Das Kalkül von CPH war, dass sich ohne die zyklische Papiersparte die Bewertung der beiden stetig wachsenden Sparten Pharma-Verpackungen und Spezialchemie erhöhen würde. Tatsächlich hat sich jedoch die aufsummierte Bewertung der beiden Unternehmensteile bis heute kaum verändert. Vor der Transaktion lag der Kurs bei 92 CHF, jetzt sind es etwas mehr als 20 CHF für Perlen Industrieholding + 70 CHF für CPH. Und die Liquidität hat sich nicht, wie erwünscht, erhöht, sondern blieb quasi unverändert.

ABB auf Klettertour

Wenn auch die meisten Industrietitel mehr oder weniger angeschlagen sind, es gibt auch Segmente, die prima laufen. Zu den besten Performern zählen die Gewinner der Elektrifizierung. Unter den Large Caps ragt ABB mit einer 5-Jahresperformance von 175% hervor. Im laufenden Jahr stieg die Aktie um 33%. Zwischen 2009 und 2020 galt die Aktie als langweilig und als 20 CHF-Aktie, weil der Kurs tatsächlich über ein Jahrzehnt lang seitwärts an der 20-CHF-Linie entlanglief. Dann jedoch hatten die vom Management installierten Effizienzprogramme und der neue Investitionsgüterboom durch Automatisierung, Industrieroboter und vor allem mit dem Ausbau und der Erneuerung der Energierzeugungskapazitäten zu einem veritablen Boom geführt. Schon bei 35 CHF und 40 CHF waren erste kritische Stimmen zum Höhenflug zu hören, doch jeder Rückschlag lockte neue Käufer an. Im dritten Quartal 2024, dem ersten unter dem neuen CEO Morten Wierod, stiegen Umsatz und Auftragseingang trotz des hohen Niveaus nochmals um je 2%. Das EBITA-Ergebnis nahm um 12% auf 1.55 Mrd. USD zu, die Marge erhöhte sich um 1.6 Prozentpunkte auf 19%. Der neue CEO hält sie für weiterhin steigerbar.

ABB Aktienkurs
Einer der Top-Performer unter den Industrietiteln war die ABB-Aktie. Chart: six-group.com

R&S Group brilliert mit Jahresperformance von 117%

Unter den Small Caps überzeugt der Transformatorenhersteller R&S Group mit einer Jahresperformance von bisher 117%. Die Aktie wurde anlässlich der Übernahme der irischen Kyte Powertech im September auf schweizeraktien.net auf den Prüfstand gestellt. Nach der Übernahme dürften die Gewinne 2025 überproportional ansteigen. Inzwischen haben auch die Banken den zunächst lange übersehenen Titel für sich entdeckt. Die Kursziele reichen bis 27 CHF.

Stadler-Rail-Aktie enttäuscht

Zu den wichtigsten Segmenten der Elektrifizierung zählt die Bahnindustrie. Und obwohl Stadler Rail einer von nur vier Komplettanbietern ist und zum Ende des ersten Semesters 2024 über einen Auftragsbestand von 26.8 Mrd. CHF verfügt, die Profitabilität ist mit einer EBIT-Marge von 2,2% stark verbesserungswürdig. Trotz nahezu täglicher neuer Bestellungen kommt die Aktie nicht aus ihrem anhaltenden Abwärtstrend heraus. Der Kurs hat sich auf 26 CHF gegenüber den Höchstkursen halbiert.

Stadler Rail Aktie
Das IPO von Stadler Rail war für die Aktionäre bisher eine Enttschäuschung. Chart: six-group.com

Sulzer im Höhenflug

Ganz anders sieht das bei Sulzer aus. Die Aktie des Flow-Management-Unternehmens kennt kein Halten und hat zwischenzeitlich das historische Hoch von 2007 deutlich überboten. Seit den Tiefs von 2020 bei 35 CHF hat sich der Kurs zwischenzeitlich vervierfacht. Unter dem Management von Suzanne Thoma hat sich das Wachstumstempo mehr als verdoppelt, und die Profitabilität hat sich markant verbessert. Im ersten Halbjahr 2024 nahm der Umsatz um 10,5% zu, der operative Gewinn stieg um 25,9%, und die Marge kletterte auf 11,4%. Die Guidance wurde angehoben.

Sulzer Aktienkurs
Die Sulzer-Aktie hat einen sehr guten Lauf. Chart: six-group.com

Fazit

Im Industrie-Sektor der Schweiz gehen in der gegenwärtigen Phase der globalen Konjunkturzyklen die Performancezahlen weit auseinander. Das Wunderbare an Aktien ist eben, dass jede für sich ihren eigenen Verlauf nimmt, je nach dem entsprechenden Subsegment und darüber hinaus auch der Qualität des Managements. Es ist kein Zufall, dass Sulzer und ABB zu den besten Performern zählen und andere Industrietitel eben nicht. Beide Aktien sind seit November 2021 Bestandteil der Dividendenstrategie von schweizeraktien.net.

Hinweis in eigener Sache: Nach der der erfolgsreichen Lancierung des Branchentalk Industrie 2024 findet im kommenden Jahr am 27. Mai 2025 wieder ein Branchentalk Industrie statt. Bitte merken Sie sich das Datum heute schon vor.

Immobilien: Preise für Renditeliegenschaften ziehen wieder an

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Mehrfamilienhäuser Luzern
Mehrfamilienhäuser in der Schweiz, wie hier in Luzern, sind wieder etwas teurer geworden. Bild: stock.adobe.com
Nach einer kurzen Seitwärtsbewegung kommt wieder Bewegung in die Preise von Renditeliegenschaften. Chart: iazi.ch

Im Schweizer Immobilienmarkt kommt wieder mehr Bewegung auf. Waren es bisher vor allem die Preise für selbstgenutztes Wohneigentum, die weiterhin aufwärts zeigten, so zeichnet sich nun eine dynamischere Entwicklung bei den Renditeliegenschaften ab. Gemäss dem quartalsweise erhobenen SWX IAZI Investment Real Estate Price Index sind die Preise für Mehrfamilienhäuser im 3. Quartal 2024 wieder gestiegen.

Noch in den ersten zwei Quartalen des laufenden Jahres habe sich der Markt für Mietliegenschaften mit Wohn- und gemischter Nutzung, basierend auf Handänderungen am freien Markt, seitwärts bewegt, heisst es in einer Medienmitteilung. Auf Jahresbasis resultiere eine Wachstumsrate von 2,6%.

Niedrige Leitzinsen und Zuwanderung sorgen für Dynamik

Mehrfamilienhäuser Luzern
Mehrfamilienhäuser in der Schweiz, wie hier in Luzern, sind wieder etwas teurer geworden. Bild: stock.adobe.com

Die wieder anziehende Dynamik komme nicht unerwartet, denn fundamentale Faktoren wie das Zinsumfeld und die Zuwanderung begünstigten die Attraktivität von Immobilien-Direktanlagen, heisst es weiter. IAZI verweist dabei auf die drei Leitzinssenkungen der SNB in diesem Jahr, darunter die letzte Ende September. «Sinkende Zinsen wirken sich in der Regel preistreibend auf Immobilienanlagen aus, weil Investoren im Gegensatz zu vergleichbaren Alternativanlagen wie Obligationen keine Renditeabstriche in Kauf nehmen müssen», erklärt IAZI. Hinzu komme, dass die Beschaffung von Fremdkapital dank sinkender Hypothekarzinsen günstiger sei. Allerdings weist IAZI in der Medienmitteilung auch auf die Auswirkungen des Basel-III-Standards hin, der per 2025 in Kraft treten soll. «Hypothekarinstitute müssen Liegenschaftstransaktionen mit hoher Belehnungsquote künftig mit erheblich mehr Eigenmitteln absichern, was die mancherorts bereits ins Stocken geratene Kreditvergabe zusätzlich verteuert», so das IAZI. Zu den Auswirkungen dieser Massnahmen auf die Immobilienpreise gibt das Beratungsunternehmen noch keine Einschätzung ab.

Wohneigentum weiterhin gefragt

Weiterhin dynamisch bleibt auch die Entwicklung der Nachfrage nach selbstgenutztem Wohneigentum. Im 3. Quartal 2024 weist der SWX IAZI Private Real Estate Price Index eine Zunahme von 0,8% auf. Die Zunahme gehe vor allem auf ein Plus von 1,0% bei den Eigentumswohnungen zurück, während Einfamilienhäuser mit +0,7% einen etwas geringeren Preisanstieg ausweisen. In den vergangenen zwölf Monaten sind die Wohneigentumspreise gemäss den IAZI-Daten um 3,8% gestiegen. «Solange die Bevölkerung beziehungsweise deren Bedarf nach Wohnraum wächst und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stabil bleiben, dürfte sich an der steigenden Preistendenz wenig ändern», schreibt das Beratungsunternehmen in seiner Medienmitteilung. Denn trotz unerwartet kräftiger Bautätigkeit im vergangenen Jahr halte die Ausweitung des Flächenangebots nicht Schritt. IAZI verweist dabei auf den erneuten Rückgang der Leerwohnungsziffer auf 1,1%. Im vergangenen Jahr sei der schweizweite Wohnungsbestand unter Berücksichtigung von Neubau, Umbau und Abbruch netto um rund 50’000 Einheiten gewachsen.

Daura AG: Der Tokenisierungs-Experte stellt seine Geschäftstätigkeit ein

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Das Unternehmen – und mit ihm das Logo – ist bald Geschichte. Der Tokenisierungsexperte muss aufgeben.

Es ist ein Schock – völlig aus heiterem Himmel kommt er jedoch nicht. Schon mehrfach hat schweizeraktien.net darauf hingewiesen, dass die Tokenisierung von Eigenkapital trotz zahlreicher Projekte in der Schweiz einen schweren Stand hat. Nun wirft der Pionier der Branche das Handtuch. Die Daura AG stellt ihre Tätigkeit ein. In einem Brief an die Aktien-Emittenten schreibt das Unternehmen: «Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass digitale Aktien langfristig die bevorzugte Form der Unternehmensanteile sein werden. Dennoch mussten wir feststellen, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis damit nachhaltig Gewinne erzielt werden können. Daher haben wir die schwierige Entscheidung getroffen, unser Service-Angebot zum 30. November 2024 einzustellen.»

«Es ist schizophren, alle sagen, dass die tokenisierte Aktie die Zukunft ist, trotzdem wagt sich kaum jemand vor», sagt Peter Schnürer, CEO von Daura. Das Unternehmen sei seit einigen Monaten auf der Suche nach einem Kapitalgeber. Man habe sich aber schon von Beginn weg den 1. November als Zeitlimit gesetzt. Obwohl Schnürer noch in Verhandlungen ist, habe er nun begonnen, die Emittenten von tokenisierten Aktien zu informieren, damit diese sich auf die Situation einstellen können. Die Aktionäre, also die Besitzer von tokensierten Aktien, sind noch nicht benachrichtigt worden. Bis Ende Oktober sollen alle Nutzer der Daura-Plattform separat in Kenntnis gesetzt werden.

Das Aktienregister für KMU

Daura wurde im Frühling 2018 als Gemeinschaftsunternehmen von Luka Müller, Partner der Anwaltskanzlei MME, und Swisscom gegründet – Swisscom hat ihren Anteil verkauft und ist mittlerweile nicht mehr an Bord. Im Oktober des gleichen Jahres stiess Peter Schnürer als Geschäftsführer zum Blockchain-Start-up. Das Ziel des Unternehmens war es, die Ausgabe von Aktien, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, die nicht börsenkotiert sind, zu vereinfachen. Daura gab das erste Registerwertrecht der Schweiz auf einer Blockchain heraus. Die Gesellschaft bezeichnet sich als «das Schweizer Aktienregister für KMU».

Peter Schnürer CEO daura
Daura-CEO Peter Schnürer sucht einen strategischen Investor – doch die Zeit wird knapp. Bild: zvg

Über die vergangenen Jahre hat Daura rund 100 Unternehmen als Kunden gewonnen. Nicht alle haben tokenisierte Aktien emittiert, einige führen lediglich das Aktienbuch mit der Technologie oder organisieren ihre Generalversammlung regelmässig digital. Was bedeutet das Aus von Daura für Unternehmen, die ihre Anteile auf der Blockchain handelbar gemacht haben? Die Plattform bleibt gemäss Unternehmensangaben bis Ende November wie gewohnt verfügbar. In dieser Zeit bietet Daura den Kunden die Möglichkeit, alle relevanten Informationen in strukturierter Form von der Plattform herunterzuladen und ausserhalb zu verwenden.

Es fehlt der Sekundärmarkt und das Settlement

Das Angebot von Daura – und anderen Tokenisierungs-Anbietern – wurde im breiten Markt nicht angenommen. Nur vereinzelte KMU entschlossen sich dazu, ihr Eigenkapital digitalisieren zu lassen. Es fehlten grosse «Leuchtturm-Projekte». Zudem mangelte es an Teilen für ein effizientes Ökosystem. Zwar stellen die Anbieter einen funktionierenden Primärmarkt zur Verfügung. Es hätte aber auch einen Sekundärmarkt, der ins bestehende Finanzsystem eingegliedert ist, sowie die Integration von digitalen Zahlungsmitteln und ein ebensolches Settlement für eine unmittelbare Erfüllung des Geschäfts benötigt. Zudem gab es keine bereits kotierten Unternehmen, die sich entschieden, auch tokenisierte Aktien zu emittieren. Die Schweizer Börse und der Finanzplatz arbeiten an einer eigenen Lösung. Deshalb blieben auch die wichtigen institutionellen Anleger den tokenisierten Aktien vorerst fern.

Auch die Aktionariat AG, ein weiterer Tokenisierungsspezialist, sieht sich mit Problemen konfronitert. Im Juli kündigte das Unternehmen an, die Zeit für einen strategischen Wandel sei gekommen. Der Tokenisierungs-Anbieter nahm in Management und Strategie Anpassungen vor. Die Aktionariat AG will sich zukünftig darauf konzentrieren, einem Blockchain-affinen Publikum erstklassige technische Tools zur Verfügung zu stellen. «Wir wollen skalierbare Investor Relations für Unternehmen Wirklichkeit werden lassen, die die Vorteile der Blockchain-Technologie verstehen», schreibt das Unternehmen.

Mit Käufern in Verhandlung

Es sei geprüft worden, ob eine Übergabe an einen strategischen Investor möglich sei, der den langfristigen Fortbestand des Unternehmens sichert, schreibt Daura. «Die Gespräche mit einem potenziellen Käufer laufen weiter, konnten jedoch nicht innerhalb nützlicher Frist abgeschlossen werden», heisst es weiter. In der Folge hätten die Aktionäre von Daura einstimmig die Auflösung der Gesellschaft beschlossen. «Während dieser Auflösungsphase werden wir weiterhin intensiv nach einem strategischen Käufer suchen, der die Plattform weiterführen will. Über den Stand der Entwicklungen werden wir Sie regelmässig informieren», heisst es im Schreiben an Unternehmen mit tokenisierten Aktien. Daura hat sich in den vergangenen Monaten verschlankt und besteht eigentlich nur noch aus dem CEO. Die Entwicklungsarbeit wird an externe Programmierer vergeben.

Auch wenn die Daura-Aufgabe ein Rückschlag für die Tokenisierung ist, das Konzept überzeugt weiterhin. Und egal, wer sich durchsetzen wird, die klassische Finanzinfrastruktur wird früher oder später wegen Effizienzgewinnen auf DLT (Digital Ledger Technology) wechseln. Vielleicht, ohne dass es die Aktionäre gross wahrnehmen, weil lediglich im Hintergrund das Abwicklungssystem auf diese disruptive Technologie wechselt. Die Tokensierung von Vermögenswerten und die Abwicklung des Handels über eine Blockchain bedeuten aber einen grundlegenden Paradigmenwechsel. Das geschieht nicht von heute auf morgen. Die Technologie ist nur Mittel zum Zweck.

Börsengänge Schweiz: Die Pipeline für 2025 ist gut gefüllt

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Sparks IPO Academy
13 Unternehmen durchlaufen 2024/25 die Sparks IPO Academy. Vielleicht befindet sich darunter auch einer der nächsten IPO-Kandidaten. Bild: schweizeraktien.net
Sparks IPO Academy
13 Unternehmen durchlaufen 2024/25 die Sparks IPO Academy. Vielleicht befindet sich darunter auch einer der nächsten IPO-Kandidaten. Bild: schweizeraktien.net

Mit den Börsengängen lief es in der Schweiz in diesem Jahr bisher nicht ganz so gut. Während es global in den ersten drei Quartalen 870 IPOs gab, fiel die Bilanz für die Schweizer Börse SIX anzahlmässig mit nur einem echten Going Public eher schwach aus, obwohl das Debüt von Galderma ein Mammut-IPO war und weltweit zu den grössten gehörte, für die Schweiz mit einem Volumen von 2.3 Mrd. CHF sogar das grösste seit 2017. Noch bis zum Jahresende 2024 wird das Listing des Telekommunikationsunternehmens Sunrise erwartet. Im 2025 soll der IPO-Markt dann weiter an Fahrt aufnehmen.

Mindestens 6 IPOs in 2025 erwartet

Insgesamt sei sehr viel Optimismus im Markt zu spüren, fasst Valeria Ceccarelli, Head Primary Markets bei der SIX, die Stimmung an den Märkten an der Auftaktveranstaltung der 4. Sparks IPO Academy zusammen. Wenn das Marktumfeld so bleibe, werde 2025 ein gutes IPO-Jahr. Konkret wollte Ceccarelli nicht werden. Doch Vertreter von Emissionsbanken teilen die Zuversicht. Die Pipeline für 2025 sei gut gefüllt, heisst es. Man rechne mit rund sechs IPOs im kommenden Jahr, darunter auch mittelgrosse Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 1 Mrd. CHF. Wer genau zu den Börsenkandidaten gehört, darüber herrscht allerdings Stillschweigen. Investmentbanken, Anwälte und Treuhänder arbeiten offenbar hinter den Kulissen an den nächsten Börsengängen.

Auftakt der 4. Sparks IPO Academy

Am Dienstag startete im SIX Convention Point zum 4. Mal die Sparks IPO Academy, ein Programm der Schweizer Börse, das potenzielle Börsenkandidaten mit den Anforderungen an ein Going Public vertraut machen soll. In den letzten drei Jahren durchliefen 45 Unternehmen die Academy, bestehend aus Online-Schulungen und ganztägigen Seminaren. In diesem Jahr haben sich 13 Unternehmen angemeldet. Klar ist allerdings, dass nicht jedes Unternehmen ein IPO-Kandidat ist und die Teilnehmerliste der Academy nicht mit einer Pipeline gleichzusetzen ist. Im Laufe der letzten Jahre gab es nach Informationen der Veranstalter Firmen, die weiter privat bleiben wollen, andere wurden verkauft oder haben die Geschäftstätigkeit eingestellt.

Ein heterogener Branchenmix

Auch in diesem Jahr nehmen Unternehmen an dem Programm teil, die, wie die Investmentgesellschaft Climartis, erst vor wenigen Jahren gegründet wurden. Oder traditionsreiche Firmen wie das Kranunternehmen Wolffkran, das auf eine 170-jährige Geschichte zurückblicken kann. Auch der Branchenmix ist sehr heterogen: Mit Muvon Therapeutics, Ilya Pharma und Zurimed Techologies waren gleich drei Unternehmen aus dem Lifesciences-Sektor dabei. Das ETH-Spin-off Zurimed verfolgt dabei die Vision, mit seiner «Nähmaschine» für menschliches Gewebe zum Unicorn auf dem Gebiet des «Soft Tissue Repair» für die orthopädische Sportmedizin zu werden. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, braucht es aber noch viel Kapital, das durch den Börsengang beschafft werden soll.

Plastik-Problem lösen

Ambitionierte Ziele im Clean-Tech-Bereich haben die Firmen Enespa, Sun Contracting und DePoly. Von Enespa und Sun Contracting befinden sich Aktien und Obligationen durch Privatplatzierungen bereits im breiten Publikum. Der Börsengang soll dann einen regulierten Handel ermöglichen. DePoly befindet sich hingegen in den Händen der Gründer und von VC-Investoren. Das als Top-100-Start-up ausgezeichnete Unternehmen ist ebenso wie Enespa in der Kreislaufwirtschaft angesiedelt und will mit einem speziellen Verfahren PET und Polyester recyclen. DePoly will somit einen wichtigen Beitrag zur Lösung des Plastik-Problems leisten.

Aus dem Umfeld der digitalen Medien

Auch das Westschweizer ICT-Unternehmen infomaniak gehört zu den Teilnehmern der Academy. Bild: schweizerkatien.net

Die Swiss Marketplace Group (SMG) ist bereits zum zweiten Mal mit dabei. Das Joint Venture von TX Group, Ringier, dem Versicherer Mobiliar und der Investmentgesellschaft General Atlantic gilt schon länger als IPO-Kandidat. Auch dem Sektor der digitalen Medien zuzuordnen sind der Westschweizer Serviceprovider Infomaniak sowie das spanische Live-Streaming-Unternehmen Nexoom, dessen Hauptsitz in Zug ist.

Erleichterter Börsenzugang für KMUs

Unter den mittlerweile über 50 Firmen, welche in den vergangenen Jahren die Sparks IPO Academy durchlaufen haben, dürfte in den kommenden Jahren das eine oder andere den Kurszettel im Sparks, dem KMU-Segment der SIX, erweitern. Denn das klare Ziel des Börsenbetreibers ist es, mit Sparks den Zugang gerade für kleinere und schnell wachsende Firmen zu erleichtern. Dazu werden, neben den geringeren Listinganforderungen als im Hauptsegment, in Zukunft weitere Services offeriert, welche den Firmen das Going und Being Public erleichtern sollen.

Luxusgüter-Aktien: Neuer Boom?

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Der Durchschnittspreis für eine neue Hermès Kelly Bag aus Leder beginnt bei etwa 8’000 CHF und kann je nach Grösse und Material bis zu 80’000 CHF oder mehr gehen. Bild: stock.adobe.com

In den letzten 10 Jahren wurden Luxusgüter in Studien, Analysen und Fachartikeln immer mit dem Hinweis auf China, den dort schnell wachsenden Wohlstand und den unstillbaren Hunger der 1.4 Mrd. Konsumenten auf Luxusgüter aller Art versehen. Inzwischen ist China als Wachstumstreiber in den Köpfen der Anleger assoziativ stark verankert. Doch tatsächlich kommt der grösste Teil der Nachfrage aus den USA, Europa, Japan und vielen Emerging Markets. An den Börsen verläuft die Entwicklung der Luxusgüter-Aktien sehr differenziert.

Es war ein Fehler mancher Unternehmen im Luxusgüter-Segment, ausschliesslich oder hauptsächlich auf China zu setzen. Immerhin handelt es sich um ein Land, das seit mehr als sieben Jahrzehnten von der Kommunistischen Partei gelenkt wird – und Luxus steht auf der Agenda des Politbüros bestimmt nicht weit oben. Tatsächlich ist die Konsumentenstimmung in China eingebrochen, nachdem sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit der Covid-Pandemie stetig verschlechtert haben. Die Wachstumsraten haben sich seitdem halbiert, und ein grosser Teil der potenziellen Käufer von Luxusgütern leidet unter der seit Jahren schwelenden Immobilienkrise, in deren Verlauf die Wiederverkaufswerte der Objekte dramatisch eingebrochen sind. Richtig ist allerdings auch, dass die Klasse der Superreichen in China weiterhin Champagner, Luxusuhren und exklusive Artikel aller Art kauft. Doch ein Massenmarkt, wie bis 2020, ist es nicht mehr. Die meisten westlichen Luxusgüter sind auch in China teurer als in der Schweiz oder in Japan. So kommt es, dass die stark rückläufige Anzahl chinesischer Touristen eher in Zürich oder Tokio Luxusgüter erwirbt, da sie dort weniger kosten als im Heimatland.

China-Lastigkeit fordert Tribut

Manche der börsenkotierten Hersteller von Luxusgütern haben stark auf den chinesischen Markt gesetzt und dort zunächst hohe Wachstumsraten und dann auch hohe Umsatzanteile erreicht. Ein solches Beispiel ist Ermenegildo Zegna. Die Aktie ist seit 2021 an der NYSE kotiert. Der luxuriöse und traditionsreiche italienische Hersteller von edler Bekleidung erzielte sehr hohe Umsatzanteile in China. Der Kurs hat sich in den letzten Monaten fast halbiert. In der Region Greater China sanken die Umsätze im ersten Halbjahr 2024 um 13,2% auf nur noch 266.3 Mio. USD. Diese Entwicklung wurde zwar durch die Zuwächse in den meisten anderen Regionen, vor allem den amerikanischen Ländern, mehr als kompensiert, doch trotz der Umsatzerhöhung um 6,3% auf 960.1 Mio. USD lag das organische Wachstum bei -2,7%, und der operative sowie der ausgewiesene Gewinn litten deutlich.

Gewinnschrumpfung bei Kering

Bei allen an der Börse vertretenen Luxusgüter-Produzenten erzählen die Kursverläufe die eigentliche Geschichte. Zu den Verlierern zählt neben Zegna die französische Kering, deren Aktie im letzten Jahr 44% verlor und auf 5-Jahressicht 49%. Im ersten Halbjahr 2024 sank der Konzernumsatz um 11% auf 9 Mrd. Euro, der Anteil der Region Asien-Pazifik ging um 5 Prozentpunkte auf 32% zurück. Die grösste Marke ist Gucci, die seit einiger Zeit schon mit Problemen ringt. Der Markenumsatz sank im ersten Semester um 20% auf 4.1 Mrd. Euro. Auch die anderen Marken verzeichneten aus verschiedenen Gründen einen Rückgang der Margen. Der Gewinn je Aktie fiel um mehr als die Hälfte auf 7.16 Euro.

Chart Kering
Kursverlauf der Kering-Aktie während der letzten 5 Jahre. Chart (in EUR): boerse.de

Soll ein «Taking Private» den Sinkflug von Swatch stoppen?

Ein weiterer Verlierer im Universum der Luxusgüter-Konzerne ist die Schweizer Swatch, trotz der jüngsten Kurserholung. Im ersten Halbjahr 2024 sank der Umsatz um 14,3% auf 3.5 Mrd. CHF. Ohne die Währungsverluste von 145 Mio. CHF lag der Rückgang bei 10,7%. Swatch hebt im Halbjahresbericht explizit hervor, dass der scharfe Rückgang der Luxusgüter-Nachfrage in China für den Umsatzschwund ursächlich ist. Die Marke Swatch entwickelte sich entgegen dem Trend in China mit einem Wachstum von 10% jedoch positiv. Der Gewinn kollabierte von 686 Mio. CHF auf 204 Mio. CHF. Für das zweite Semester gibt sich CEO Nick Hayek optimistisch und erwartet starkes Wachstum in den USA und Japan. Der chinesische Markt bleibe bis Ende des Jahres schwierig, das Potenzial für weiteres Wachstum sei jedoch intakt. Die Aktie verlor im vergangenen Jahr 20% und auf 5 Jahressicht 18%. Das klingt weniger dramatisch, als es wirklich ist. Das historische Hoch Ende 2013 lag bei fast 600 CHF, das Zwischenhoch von 2018 bei fast 500 CHF. Die Aktie stürzte Ende September 2024 bis auf 149 CHF und stieg dann unter dem wohlgenährten Eindruck eines bevorstehenden «Taking Private» durch die Hauptaktionäre auf rund 180 CHF an. Tatsächlich kaufte die Familie Hayek für etliche Mio. CHF Aktien am Markt. Von den Marktteilnehmern wird darüber spekuliert, ob die Familie ein öffentliches Übernahmeangebot für alle ausstehenden Aktien schultern kann. Die aktuelle Marktkapitalisierung der Kategorie der Inhaberaktien beträgt nur noch 5.6 Mrd. CHF. Am Markt wird geschätzt, dass ein überzeugendes Übernahmeangebot bei mindestens 230 CHF je Aktie liegen müsste.

Italienische Luxusgüter-Produzenten als Übernahmeziele

Weitere Übernahmen liegen in der Luft. Im September erwarb der Branchenprimus LVMH 10% an der Beteiligungsgesellschaft des CEO und Grossaktionärs des italienischen Luxusgüter-Konzerns Moncler, Remo Ruffini, mit der Option, die Beteiligung auf 22% zu erhöhen. Ruffini will mit dem frischen Kapital seinen Anteil am Aktienkapital von bisher 16% erhöhen. Die Moncler-Aktie ist seit 2013 an der Mailänder Börse kotiert und bringt nach dem jüngsten Kurssprung eine Market Cap von 14.8 Mrd. Euro auf die Waage. In den letzten 5 Jahren hat sich der Umsatz auf 3 Mrd. Euro nahezu verdoppelt. Gerade in Italien sind etliche Player noch in Familienbesitz, u.a. Ferragamo, Zegna und Prada unter den börsenkotierten Unternehmen, aber auch privat gehaltene Unternehmen wie Giorgio Armani. Der smarte Einstieg bei Moncler durch LVMH könnte die nächste Runde der Konsolidierung einläuten. Die Prada-Aktie stieg in den letzten 12 Monaten um 22% und in den letzten 5 Jahren um 135%. Die Marktkapitalisierung liegt bei 16.4 Mrd. Euro, das KGV für 2024 wird von der Analystengilde auf durchschnittlich 21 geschätzt.

Langfristig überzeugende Performance von Richemont

Richemont dagegen trennt sich nun von den digitalen Aktivitäten mit Namen YNAP, die jahrelang für Verluste gesorgt haben. Letztes Jahr sollte YNAP an den Onlinehändler Farfetch verkauft werden, doch der wurde übernommen, und der neue Eigner Coupang aus Südkorea winkte ab. Nun übernimmt der Onlinehändler Mytheresa YNAP und beteiligt Richemont im Gegenzug mit 33% am Aktienkapital. Dennoch könnte es bei Richemont diesbezüglich noch zu substanziellen Abschreibungen kommen. Durch die Beendigung der verlustträchtigen Expansion in die direkte digitale Vermarktung im Modesegment sehen die Perspektiven für Richemont besser aus. Die Aktie zählt mit einer 1-Jahresperformance von 23% und einer Kurssteigerung um 115% in den letzten 5 Jahren zur Spitzengruppe im Luxusgüter-Universum. Die Market Cap beträgt 67.7 Mrd. CHF. Hier zeigt sich das Muster, dass die Top-Player der internationalen Luxusgüter-Industrie auch die beste Performance bringen. Wenn auch der Gewinn im Geschäftsjahr zum 30. März 2024 leicht auf 3.7 Mrd. CHF zurückging, so hat er sich doch in den letzten 5 Jahren fast vervierfacht.

Chart Richemont
Richemont verzeichnete in den letzten 5 Jahren eine Kurssteigerung um 115%. Chart (in CHF): six-group.ch

Knick im Aktienkurs von LVMH bietet Einstiegschance

Gemessen an der Market Cap bleibt LVMH mit 328 Mrd. Euro der globale Spitzenwert in der Branche. Noch im April 2023 stieg der Kurs kurzzeitig auf über 900 Euro, fiel aber bis September 2024 auf 600 Euro. Auf aktueller Kursbasis errechnet sich bei einem geschätzten KGV für 2024 von 21 ein Kurssteigerungspotenzial zum Höchststand von fast 40%. Die Performance im letzten Jahr belief sich auf -4%, auf 5 Jahressicht 73%. Im ersten Halbjahr wurde ein organisches Wachstum von 1% erreicht. Der Umsatz lag bei 41.7 Mrd. Euro. Der Gewinn sank um 14% auf 7.3 Mrd. Euro. LVMH ist breit diversifiziert und litt unter der generellen Nachfrageschwäche in China sowie Zurückhaltung der Käufer von Mode, Spirituosen und Lederwaren. Es dürfte sich um eine vorübergehende Delle handeln, da die neue Zinssenkungsrunde die Konjunktur und die Zuversicht der Konsumenten verbessern sollte. Wie und wann sich die Konsumentenstimmung in China verbessern soll, bleibt allerdings schwer zu prognostizieren.

Chart LVMH
Gemessen an der Market Cap bleibt LVMH mit 328 Mrd. Euro der globale Spitzenwert in der Branche. Chart (in EUR): google.com

Hermès mit herausragender 5 Jahresperformance

Operativ besser lief es beim Top-Performer Hermès. Die Aktie stieg in den letzten 12 Monaten um 22% und in den vergangenen 5 Jahren um 236%. Die Market Cap liegt aktuell bei 223 Mrd. Euro. Auf Basis des für 2024 geschätzten Gewinns errechnet sich mit 48 das mit Abstand höchste KGV der Branche. Hermès repräsentiert als Pure Play das absolute «High End» des investierbaren Luxusgüter-Sektors. Kein Konkurrent erzielt höhere Margen und hat eine treuere Kundschaft. Wer mehr als 10’000 Euro für die neueste Handtaschen-Kreation ausgeben kann, ist von Zins- und Konjunkturzyklen nicht betroffen. Und selbst auf diesem Preisniveau können spezielle Kreationen nochmals ein Vielfaches davon kosten. Im ersten Halbjahr stieg der Umsatz um 15% auf 7.5 Mrd. Euro, der operative Gewinn um 7% auf 3.2 Mrd. Euro. Die Aktie liegt mit aktuell 2130 Euro nur wenig unter dem Rekordhoch. Hermès bleibt weiterhin die erste Wahl.

Chart Essilor-Luxottica
In den letzten 5 Jahren stieg die Aktie von Essilor-Luxottica um 60%. Chart (in EUR): google.com

L´Oréal und Essilor-Luxottica

Erwähnenswert bleiben L´Oréal und Essilor-Luxottica, wenn auch Luxusgüter nur für einen Teil der Umsätze sorgen. Die Aktie von L´Oréal veränderte sich per saldo im letzten Jahr nicht, die 5-Jahresperformance beträgt 63%. Auf Basis der aktuellen Market Cap von 211 Mrd. Euro beträgt das für 2024 geschätzte KGV 31. Im zweiten Quartal 2024 legte der Umsatz angetrieben durch die Nachfrage in Nordamerika und Europa um 6,7% auf 10.9 Mrd. Euro zu. Essilor-Luxottica zeigt im letzten Jahr mit 29% die beste Kursentwicklung. Ein Grund ist die Zusammenarbeit mit Meta zur Integration von KI in Brillen. In den letzten 5 Jahren stieg die Aktie um 60%. Bei einer inzwischen auf 98 Mrd. Euro angestiegenen Market Cap errechnet sich ein für 2024 geschätztes KGV von 36. Im ersten Halbjahr stieg der Umsatz um 5% auf 13.3 Mrd. Euro, der Gewinn erreichte 1.8 Mrd. Euro.

Bergbahnen Sörenberg: Ausbleibender Schnee macht Unternehmen «verletzlich»

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Ein Winterwunderland wie hier die Rossweid gab es in der Saison 2023/24 nur selten zu sehen. Foto: ©Martin Schwaiger

Theo Schnider, Verwaltungsratspräsident der Bergbahnen Sörenberg AG (BBS), nimmt kein Blatt vor den Mund. Verletzlich sei man geworden, finanziell stecke man in Schwierigkeiten, ein zermürbender Winter liege hinter dem Unternehmen, beklagt der VRP im Vorwort zum Geschäftsbericht.

Er habe schon an der Generalversammlung im Herbst 2023 davor gewarnt, dass ein erneuter schlechter Winter die Bergbahnen in finanzielle Schwierigkeiten bringen könne. «Was wir uns alle nicht herbeiwünschten, ist mit voller Wucht eingetroffen: 22% weniger Ersteintritte im 5-Jahresschnitt und ein Verlust von 2.4 Mio. CHF.»

Regen und zu warme Wintertemperaturen

Der Grund ist schnell ausgemacht. Begann der Winter 2023/24 noch vielversprechend und ermöglichte mit viel Schnee einen «grossartigen» Saisonstart, folgten schon bald der grosse Regen und viel zu warme Temperaturen.

Immerhin hat die künstliche Beschneiung bestens funktioniert, so der VRP. Die Investitionen in die zusammenhängende Beschneiungsanlage Rothorn bis Dorf seien entscheidend wichtig. Auf dem Rothorn habe es viel Naturschnee und in den Gebieten Dorf und Platz trotz der widrigen Umstände gute Pistenverhältnisse dank Kunstschnee gegeben. «Wir dürfen sogar behaupten, dass wir erstaunlich ‹kunstschnee-sicher› sind», schreibt Schnider.

Keine Sommerreserven wegen Umbau der Luftseilbahn

Auf Sommerreserven konnte das Unternehmen hingegen nicht bauen, wurde doch 2023 die Luftseilbahn auf den höchsten Luzerner Berg fertiggestellt. Der Auftritt der neuen Luftseilbahn Brienzer Rothorn begeistere jetzt Gäste wie Seilbahnfachleute, freut sich Schnider. Sich für die Ausbauvariante «Retrofit» zu entscheiden, also möglichst viel Bausubstanz und bestehendes Wissen mit einfliessen zu lassen, sei absolut richtig gewesen und habe sich gelohnt. Mit dem gezielten Ausbau auf dem Berg, mit neuen sanitären Anlagen, einer leistungsfähigen Küche und einem gemütlichen Gipfelrestaurant erfolge nun auf die Sommersaison 2024 der Abschluss des Projektes «Retrofit».

Einnahmerückgänge in sämtlichen Segmenten

Die Nettoerlöse der Bergbahnen Sörenberg sanken im Berichtsjahr 23/24 (zum 31.05.) um über 10% auf 10.4 Mio. CHF (Vorjahr 11.7 Mio. CHF). Auffallend ist, dass sämtliche Segmente stark zurückgehende Einnahmen verzeichneten, von den Transporteinnahmen über die Erträge aus der Restauration bis hin zu Beherbungs- und Logiserträgen.

Gegensteuer gaben die Sörenberger um CEO René Koller und CFO Otto Jenni, in dem auch die Kosten deutlich nach unten getrieben wurden. So sank der Betriebsaufwand von 4.7 Mio. auf 4.3 Mio. CHF, und dies trotz deutlich höherer Energiekosten. Der Personalaufwand reduzierte sich von 5.6 Mio. CHF auf 5 Mio. CHF.

Fremdkapitalquote steigt stark an

Aber durch deutlich höhere Abschreibungen von 2.3 Mio. CHF (nach 1.9 Mio. im Vorjahr) und einen um mehr als 100% gestiegenen Finanzaufwand von 0.52 Mio. CHF steht unter dem Strich ein Jahresverlust von 2.44 Mio. CHF (Vorjahr -0.74 Mio.). Der massiv höhere Finanzaufwand ist durch die höheren Zinszahlungen für das aufgenommene Fremdkapital sowie durch die Zinszahlungen beim Leasing der Pendelbahn Rothorn zurückzuführen.

Die Investitionen von 22 Mio. CHF in «Retrofit» machen sich dann auch deutlich in der Bilanz bemerkbar. Auf der Aktivseite spiegelt sich dies in einem von 27 Mio. auf 34 Mio. CHF gestiegenen Anlagevermögen wider. Auf der Passivseite ist das Fremdkapital von 17.2 Mio. auf 30.1 Mio. CHF angeschwollen, die Bilanzsumme besteht nun aus 75% Fremdkapital, die Eigenkapitalquote ist von 42% auf 25% zurückgegangen.

Nach zwei verlustreichen, weil schneearmen, Wintern nach der Pandemie und stark gestiegenen Zins- und Energiekosten sowie der zu stemmenden Grossinvestition am Rothorn spricht Theo Schnider von einer Herkulesaufgabe, die auf die Bergbahnen Sörenberg AG zukommt.

Abkehr vom Dynamic Pricing

Mit dem Projekt «New Horizon» hätten der VR und die GL nach einer intensiven Analysearbeit, wo kein Stein auf dem anderen blieb, diverse Lösungsansätze unter dem Motto «Kräfte bündeln» erarbeitet, schreiben die BBS. Im Fokus stehe ein Konzentrationsprozess, um die Kostenbasis zu reduzieren mit gleichzeitiger Vorwärtsstrategie und Stärkung der Kernelemente und Potenziale. Kurzfristig bedeutet dies die Verkleinerung des Winterbetriebs mit Fokus auf die Skigebiete Sörenberg Dorf, Schwand und Brienzer Rothorn.

Ebenfalls hat der Verwaltungsrat entschieden, nach zwei Jahren vom aktuellen Preismodell «Dynamic Pricing» abzusehen und zum Fixpreissystem zurückzukehren. Kundenzufriedenheit habe oberste Priorität, so die BBS. Die Aufgabe des Preismodells «Dynamic Pricing» sei aber keine Abkehr von der Digitalisierung.

Heftige Kundenreaktionen

Apropos Kundenzufriedenheit: In den sozialen Medien und den Kommentaren z.B. des «Entlebucher Anzeigers» macht sich bereits der Frust der Gäste bemerkbar. Vor allem die Schliessung von Rieschli und Ochsenweid stösst manchem sauer auf. «Anstatt Millionen ins Rothorn zu stecken, das für Familien mit Kindern wenig attraktiv ist, hätte man besser die Infrastruktur im Rischli verbessert, um die Schneesicherheit zu erhöhen», meint ein Kommentarschreiber.

Fazit

Dass sich Gäste über den einen oder anderen Einschnitt in «ihrem» Skigebiet ärgern, ist nachvollziehbar, aber eben nicht entscheidend für die weitere Strategie der Betreiber, die längerfristig das Potenzial des von ihnen bearbeiteten Tourismusgebiets im Auge haben müssen. Die klaren Worte, die VRP Schnider im Geschäftsbericht wählt, sind deshalb notwendig, um ein gewisses Mass an Alarmbereitschaft bei der Belegschaft, aber auch bei Aktionären und Gästen auszulösen.

Denn ein Skigebiet in mittlerer Lage, wie es die BBS betreibt, wird wohl in Zukunft noch stärker unter der Erwärmung und dem Ausbleiben des Weissen Goldes «Schnee» zu leiden haben. Es ist deshalb auch richtig, den Fokus stärker auf den Sommerbetrieb zu richten, wie es die BBS mit den Investitionen ins Brienzer Rothorn vormachen. Eine ganze Reihe anderer Bergbahnbetriebe in einer ähnlichen Höhenlage versucht ebenfalls, mit dem Fokus auf den Sommerbetrieb dem Fluch der warmen Winter zu entkommen.

Jetzt hoffen die Betreiber, dass sie mit «Retrofit» den Gipfel des Rothorns deutlich attraktiver gemacht haben und damit zusätzliche Gäste anlocken können. Angesicht einer Investition von 22 Mio. CHF ist jetzt ein starkes Marketing gefragt. Sicher ist es schon mal vernünftig, der Zielgruppe Familien mit der Abkehr vom Dynamic Pricing einen festen Preis anzubieten, der negative Überraschungen ausschliesst.

Für die Aktionäre und Aktionärinnen heisst es jetzt, Geduld aufzubringen. Geduld, weil keine Dividende ausgeschüttet wird und Geduld, um nicht bei schlechten Nachrichten Aktien unter Wert zu verkaufen. Denn der Kurs der auf OTX-X selten gehandelten Aktie ist in diesem Jahr heftig eingebrochen, um über 70%. Allerdings ist anzumerken, dass es sich dabei um einen einzelnen Verkauf im Oktober von 5 Aktien zu 110 CHF handelt, der letzte Preis davor betrug im Februar 2024 noch 340 CHF.

Hinweis in eigener Sache: Am 29. Oktober 2024 findet der Branchentalk Tourismus am Flughafen Zürich statt.

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