Dividendenstrategie 2021: Die Herausforderungen für Anleger steigen

Alle neun Aktien im Dividendenportfolio erhöhen Ausschüttung für 2019

0
11821

Jahrelang sind die jährlichen Ausschüttungssummen der börsenkotierten Unternehmen stetig gestiegen, zuletzt auf 1.428 Bio. USD. Doch 2020 sorgt nun die Pandemie in den meisten Industrien für eine abgeschwächte Nachfrage oder sogar echten Stress. Vielfach steht die Dividendenfähigkeit ernsthaft in Frage. Sind nun mit Blick auf ein wohl schwieriges Jahr 2021 Anpassungen im Dividendenportfolio angebracht?

Steigende Unternehmensgewinne und Dividenden sind Ausdruck einer gesunden und wachsenden Wirtschaft. Für 2016 lagen die globalen Ausschüttungen bei 1.164 Bio. USD und zeigten in den beiden Folgejahren Zuwächse von 8% und 9,8%. Für 2019 betrug der Zuwachs immerhin nochmals beachtliche 3,6% – so jedenfalls die global aktive Fondsgesellschaft Janus Henderson.

Ausschüttungssumme im zweiten Quartal um 20% gefallen

Bereits seit 2009 führt die Gesellschaft den aus den globalen Top 1’200, nach Marktkapitalisierung gerankten, Dividendenzahlern zusammengestellten Janus Henderson Global Dividend Index. Der zeigt nun im zweiten Quartal 2020 zum ersten Mal einen Rückgang um rund 20% an. Als Summe ausgedrückt fielen die Ausschüttungen um 108.1 Mrd. USD auf 383.2 Mrd. USD. Das ist das schwächste Quartal seit 2012! Volle 27% der ausschüttenden Unternehmen kürzten oder strichen die Dividende.

Globale Dividenden (in Mrd. USD)
Globale Dividenden (in Mrd. USD). Quelle: Janus Henderson
Schweiz und Nordamerika in Sonderstellung

Allerdings sind die Dividendenkürzungen und -streichungen nach Ländern, Regionen und Industrien höchst unterschiedlich verteilt. Europa kommt besonders schlecht weg. In Frankreich, dem europäischen Land mit den höchsten Dividendenausschüttungen, fiel die Summe auf den tiefsten Stand seit mindestens 10 Jahren. In den USA und insbesondere Kanada blieben die aggregierten Dividendenzahlungen dagegen nahezu unverändert. Die gute Nachricht ist, dass die Ausschüttungssumme in der Schweiz im zweiten Quartal auf bereinigter Basis nicht zurückgegangen ist. Die Bereinigung bezieht sich auf Wechselkursveränderungen und die für UBS und CS angeordnete Zurückstellung der hälftigen Ausschüttung.

Schweizer Unternehmen schütten 23.2 Mrd. USD im zweiten Quartal aus

In Summe zahlten die Schweizer börsenkotierten Gesellschaften im zweiten Quartal beachtliche 23.2 Mrd. USD an Dividenden. Mit 8.23 Mrd. USD führt Nestlé nicht nur die Liste der Schweizer Top-Dividendenzahler an, sondern ist weltweit der führende Dividendenzahler. Auf Rang 2 in der Schweiz folgt Zurich Insurance mit 3.1 Mrd. USD; weltweit liegt Zurich Insurance damit immerhin auf Rang 14. Swiss Re zahlte 1.99 Mrd. USD und belegt damit Rang 3 in der Schweiz und Rang 28 in der globalen Liste. Sowohl Nestlé als auch Swiss Re befinden sich bereits seit November 2018 in der Auswahl-Liste der jährlichen schweizeraktien.net Dividendenstrategie.

Sistierte und gekürzte Dividenden in der Schweiz

Nur Sonova hat die Dividende für 2019 ganz gestrichen, Swiss Life und Swatch haben die Ausschüttung gekürzt. Im Verlauf des dritten Quartals hat sich das Bild aber weiter eingetrübt. Mikron kürzte von 3.3 Mio. CHF Ausschüttungssumme auf 1 Mio. CHF. Valora und Aevis Victoria strichen die Ausschüttungen zwischenzeitlich ganz. Sonova setzte auch das Aktienrückkaufprogramm aus. Die Banken stehen weiterhin unter dem wachen Auge der Finma, die vor allem eine Krise des Finanzsystems abwenden und keinesfalls eine Verschlechterung der Eigenmittelausstattung der systemrelevanten Finanzintermediäre riskieren will. Bei vielen weiteren Unternehmen steht eine Ausschüttung für das Geschäftsjahr 2020 durchaus ernsthaft infrage, denn wichtiger als die Dividende dürfte es auch für die Aktionäre sein, die Liquidität zu schonen – und vor allem das Überleben sicherzustellen.

Top Spot für Healthcare

Die unerwartete Krise zeigt, dass nicht jede sogenannte Dividenden-Strategie wirklich langfristig funktioniert. Wie in allen Investmentangelegenheiten zahlt es sich aus, kritisch an die Aktien-Auswahl heranzugehen und diese immer wieder auf Herz und Nieren zu prüfen. Wie sich zeigt, ist die in den Vorjahren getroffene Auswahl soweit ganz gut über die Krise gekommen. Dabei ist der mit 5:4 auf den Healthcare-Sektor gelegte Schwerpunkt generell positiv mit Blick auf die Dividendenhöhe und -sicherheit zu bewerten. Dies vor allem, weil die Gewinnentwicklung der gewählten Aktien nicht wirklich leidet und damit die relative Attraktivität der Aktien zunimmt versus Aktien aus zyklischen Industrien oder Branchen, die von der Pandemie stärker betroffen sind.

Consumer Staples – noch ein Fels in der Brandung

Die relative Attraktivität gilt auch für den Weltmarktführer in der Nahrungsmittelindustrie, Nestlé. Untenstehende Grafik zeigt am Beispiel des amerikanischen S&P 500 Index, welche Veränderungen in der Gewinnentwicklung der einzelnen Sektoren die Analysten für das dritte Quartal erwarten. Wie schnell ersichtlich wird, sind Healthcare und nicht zyklische Konsumgüter die Sektoren, die neben Technologie die geringsten Einbussen zu erwarten haben. Die nachhaltige Dividendenfähigkeit dieser Sektoren steht somit kaum infrage.

     

Neun Aktien – neunmal Dividendenerhöhung in 2020

Ausnahmslos alle neun Titel, die im November 2018 respektive November 2019 in das Dividenden-Portfolio aufgenommen worden waren, erhöhten im laufenden Jahr die Ausschüttung pro Aktie, z. T. deutlich. Dies steht im Kontrast zu den meist nur gehaltenen oder sogar gekürzten oder gestrichenen Dividenden in der Schweiz und weltweit. Jedes dividendenorientierte Portfolio sollte nicht nur die absolute Höhe der Ausschüttungen der infrage kommenden Aktien in Betracht ziehen, sondern vor allem die Perspektiven für fortgesetzte Gewinnsteigerungen und damit Dividendenkontinuität sowie -steigerungspotenzial. Dabei sind die Empfehlungen von Banken und Börsenratgebern nicht immer hilfreich. Ein Rückblick auf die vor einem Jahr populären Tipps hinsichtlich Dividendenaktien offenbart das ganze Ausmass der Schieflagen. Demgegenüber beträgt die durchschnittliche Dividendenrendite der auf schweizeraktien.net ausgewählten neun Aktien aktuell trotz der teilweise erhöhten Kursbasis überdurchschnittliche 4,2%.

 

Vorstellungskurs

Kurs 22.10.20 Performance Aktuelle Dividenden- rendite (2020)
Nestlé 85.14 106.32 24.90% 2.50%
Novartis 80.4 76.63 -4.70% 3.90%
Roche 257.20 298.40 16.00% 3%
Galenica 46.42 60.30 29.90% 3.00%
Landis & Gyr 62.05 52.35 -15.60% 6.00%
Swiss Re  91.26 67.48 -26% 8.70%
BB Biotech 64.20 60.85 -5.20% 5.60%
SIG Combibloc 14.16 19.27 36.10% 2.00%
HBM Healthcare 200.00 273.00 36.50% 2.80%
Durchschnitt     10.40% 4.20%
Vorstellungskurs für alle Aktien ist der 26.11.18 ausser HBM Healthcare und SIG Combibloc, bei denen es der 11.11.19 ist. Quelle: SIX Swiss Exchange
         
Trennung von Landis + Gyr

Auch wenn nicht alle Aktien im Plus liegen, die durchschnittliche Performance der Aktien liegt mit 10,4% deutlich im positiven Bereich. Dazu kommen die Dividenden, sodass der Total Return p.a. bei rund 9% liegt. Die Auswahl ist langfristig angelegt, dennoch ist festzustellen, dass die Auswirkungen der Pandemie zumindest im Fall Landis + Gyr so gravierend sind, dass es spätestens jetzt besser ist, sich von der Aktie zu trennen. Auftragseingang, Umsatz, Projektentwicklung – alle wichtigen Parameter zeigen prozentual zweistellige Rückgänge. Bereits im November 2019 waren Gewinnmitnahmen nahegelegt worden, nachdem die Aktie innert eines Jahres um 78% zugelegt hatte.

Chart LandisGyr
Seit dem Absturz im März hat sich die Landis-Aktie nicht mehr erholt. Chart: moneynet.ch
Mega-Caps auf Kurs

Die drei Mega-Caps Nestlé, Novartis und Roche bleiben auf Erfolgskurs, auch wenn die breit diversifizierten Aktivitäten zum Teil zeitweilig mehr oder weniger unter den von der Pandemie geprägten Bedingungen leiden. Dem stehen jedoch Konzernbereinigungen wie bei Nestlé gegenüber, die das Ziel haben, sich auf wachstums- und margenstärkere Segmente zu konzentrieren. Novartis hat die Tochter Alcon erfolgreich an die Aktionäre als Sachdividende verteilt, was, beiläufig bemerkt, die Rendite der Aktie erheblich besser aussehen lässt als die blosse Kursveränderung der letzten zwei Jahre. Roche ist auf Onkologie und Immunologie spezialisiert, wo die Erkenntnisse der Forschung und die technologischen Möglichkeiten zu bahnbrechenden, aber auch teuren neuen Diagnostika und Therapeutika führen. Es gibt keinen erkennbaren Grund, von diesen drei Aktien als Nukleus eines Schweizer Dividenden-Portfolios abzurücken.

Galenica mit stetiger Geschäftsentwicklung

Das gilt auch für Galenica, den 1927 gegründeten Apothekenbetreiber und -grossisten, bei dem sich auch für 2020 ein Umsatzanstieg von gut 4% abzeichnet. Während EBIT und Gewinn stagnieren, dürfte die Dividende dennoch um 4% erhöht werden. Das sagt jedenfalls der Konsens von 11 Analysten, die die Galenica-Aktie abdecken. Für die beiden Folgejahre wird erwartet, dass EBIT und Gewinn kräftiger als der Umsatz zunehmen und jeweils Anhebungen der Ausschüttungen im mittleren einstelligen Prozentbereich vorgenommen werden. Die Analystenschätzungen weisen eine geringe Streuung auf, was charakteristisch für das hochgradig prognostizierbare Geschäft von Galenica ist. Das Unternehmen hat wenig Konkurrenz und baut systematisch das Beauty- und Eigenmarkengeschäft aus, das höhere Margen bietet.

Biotech – Wachstum und Dividenden

Zwei Investments sind im Biotech- respektive Healthcare-Sektor angesiedelt. Es handelt sich um die Beteiligungsgesellschaften BB Biotech, seit November 2018 im Portfolio, sowie HBM Healthcare, der vor einem Jahr der Vorzug gegeben worden war. Zwischenzeitlich kletterte der Kurs um 36%, die Dividendenrendite ist daher trotz Erhöhung auf 2,8% gesunken. Die Gesellschaften verfolgen unterschiedliche Investmentansätze und Strategien. Während BB Biotech schwerpunktmässig auf etablierte und profitable Biotech-Grössen und auch innovative Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe setzt, kommt der über die letzten Jahre hohe Gewinnanstieg bei HBM Healthcare davon, dass Beteiligungen, die teilweise vor über 10 Jahren initiiert wurden, nun zur Börsenreife gelangt sind oder lukrative Angebote von grösseren Playern auf sich ziehen. Allein die Beteiligung Cathay brachte bei ihrem Börsengang in Hongkong Bewertungsgewinne von über 400 Mio. CHF. CEO Wicki erläuterte im August im schweizeraktien-Interview, warum noch viel Raum zur Expansion besteht. Das BB Biotech-Investment bleibt trotz der wenig inspirierenden Kursentwicklung fortbestehen, denn es bietet gut gewählte Exposure zur chancenreichen US-Biotechnologie, eine Wachstumsindustrie mit und ohne Pandemie.

Bei Performance und Dividende können die Aktien von HBM überzeugen. Chart: moneynet.ch
SIG Combibloc

Ebenfalls um 36% brachte die Neuaufnahme des vorigen Jahres, SIG Combibloc. Das Wachstumstempo wird zwar durch die Pandemie in einzelnen Regionen vorübergehend gedämpft, doch an den Tendenzen zur Müllvermeidung und Nutzung von Recyclingmaterialien ändert sich nichts. Die Kreislaufwirtschaft steht weltweit auf der Agenda weit oben.

Gute Performance trotz Krise: die Aktie von SIG Combibloc. Chart: moneynet.ch
Swiss Re

Swiss Re zahlt eine hohe Dividende, dafür muss der Aktionär die Risiken des Rückversicherungsgeschäftes mittragen. Im ersten Halbjahr 2020 lag das Prämienwachstum bei 10%, der Gewinn lag bei 865 Mio. USD vor Covid-bezogenen Schadenfällen und Rückstellungen. Diese beliefen sich auf 2.5 Mrd. USD, wodurch ein Verlust von 1.1 Mrd. USD entstand. Die Solvenz des globalen Top-Rückversicherers liegt über dem Industriestandard und den regulatorisch geforderten Quoten. Der nicht überraschende und vorübergehende Kursrückgang ist hinzunehmen.

Fazit

Krisen, externe Schocks und rezessive Tendenzen sind für einkommensorientierte Anleger immer grosse Herausforderungen, denn es gilt, sowohl das Kapital zu erhalten als auch nachhaltige Dividendeneinkünfte zu erzielen. Unnötige Risiken sind zu vermeiden. Solange es keine stichhaltigen Gründe für massiv verschlechterte Perspektiven bei den Einzeltiteln gibt oder sich die Dividendenperspektiven für bislang nicht berücksichtigte Sektoren oder Unternehmen signifikant verbessern, gibt es keinen Anlass für Änderungen in der Zusammensetzung. Die Lage kann natürlich in sechs Monaten oder einem Jahr anders sein.

Kommentar verfassen