Medien: Staatsgelder für eine „Not leidende“ Branche und die weitere Konzentration

Übernahmeangebot der NZZ für die RMH-Aktien - Peter Wanner will 100% der AZ Medien

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Vor etwa einem Jahr, als die Corona-Pandemie in der Schweiz ihren Höhepunkt hatte, schrien fast alle Unternehmen nach Soforthilfe. Laut gebrüllt hat damals auch die Schweizer Medienbranche. Von Existenzgefährdung gerade bei kleinen privaten Radio- und TV Stationen war sogar die Rede.

57.5 Mio. CHF vom Staat für «notleidende Medien»

Das Brüllen hat sich allerdings nicht nur für die kleinen Medienhäuser gelohnt. 57.5 Mio. CHF machte die Regierung locker, mit Hinweis auf die «besondere Bedeutung der Medien für die Demokratie». 30 Mio. CHF flossen an die privaten Rundfunk- und Fernsehveranstalter. Weitere 10 Mio. CHF konnten einige Medienhäuser sparen, indem sechs Monate lang die Kosten für die Nachrichtenagentur sda-Keystone vom Bund übernommen wurden. Und mit weiteren 12.5 Mio. CHF förderte der Staat die Zustellung (gedruckter) abonnierter Tages- und Wochenzeitungen. Ein schönes Füllhorn, das sich da über den Medienhäusern ergoss.

Schaut man nun die Jahresabschlüsse der grossen Medienhäuser an, stellt man schnell fest, dass keines der grossen Medienhäuser in 2020 wirklich dramatische Umsatzeinbussen erlitten hat, sodass es in seiner Existenz gefährdet war. Nur bei der TX Group lag der Umsatzrückgang im zweistelligen Prozentbereich. Die anderen grossen Häuser verzeichneten nur einstellige Umsatzeinbussen, was auch der raschen Erholung im zweiten Halbjahr 2020 geschuldet ist.

NZZ und AZ Medien profitieren dank CH Media von Radio- und TV-Förderung
Quelle: Jahresabschlüsse 2020, eig. Recherchen

Sehr heterogen gestaltet sich die Entwicklung hingegen beim Betriebsgewinn vor Steuern und Abschreibungen (EBITDA): Während die TX Group und Ringier einen zweistelligen Einbruch des EBITDA hinnehmen mussten, legte dieses bei CH Media, NZZ Mediengruppe und AZ Medien sogar kräftig zu. CH Media schreibt dazu in einer Medienmitteilung, dass die Umsatzverluste auch «dank Kurzarbeit und Mediennothilfe des Bundes weitestgehend kompensiert» werden konnten. Kein Wunder, mit 14 privaten TV-Stationen und 8 privaten Radiosendern ist CH Media im Bereich der elektronischen Medien schweizweit führend. Ein grosser Teil der 30 Mio. CHF der Mediennothilfe des Bundes dürfte wohl in die Kassen der CH Media geflossen sein und damit auch die Jahresergebnisse der Mutterkonzerne NZZ Mediengruppe und AZ Medien positiv beeinflusst haben. Laut einem Beitrag von infosperber sind es 6.9 Mio. CHF. Einen Teil davon will CH Media allerdings zurückzahlen, wie AZ-Verleger Peter Wanner in einem Interview in einer seiner Zeitungen erklärt.

AZ Gruppe greift nach der CH Media

In genau diese Gruppe kommt nun Bewegung. Vor wenigen Wochen hatte bereits die Familie Wanner ein wenig transparentes Kaufangebot an die Minderheitsaktionäre der AZ Medien AG gemacht. Nun folgte die NZZ Gruppe, welche den knapp 3% Kleinaktionären der Regionalmedienholding RMH ein Übernahmeangebot unterbreitet.

Nach Abschluss dieser zwei Transaktionen gehören die Aktien der CH Media vollständig zu je 50% der NZZ Mediengruppe und einer Holding, die zu 100% im Besitz der Familie Wanner ist. Kleinaktionäre sind nicht mehr erwünscht. Wer nicht verkauft hat, wird nun durch die Fusion der AZ Medien AG mit der neu gegründeten AZ Medien Holding AG aus dem traditionsreichen Aargauer Medienunternehmen «herausgequetscht». Während die NZZ den RMH-Aktionären die Bewertung offengelegt hat, mauert die Familie Wanner. Zudem haben RMH-Aktionäre die Möglichkeit, sich durch den Kauf einer Aktie der AG für die Neue Zürcher Zeitung am weiteren Erfolg der CH Media zu beteiligen. AZ-Medien-Aktionäre können nicht mehr von einer sogenannten «Upside» bei CH Media und dem Newsportal Watson profitieren.

Wobei es nicht überraschen würde, wenn die Familie Wanner schon bald nach dem 50%-Anteil der CH Media greifen würde, den zur Zeit noch die NZZ Mediengruppe hält. Schliesslich signalisierte NZZ-Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod bereits bei der Gründung des  Medien-Joint Ventures, dass die NZZ zum Verkauf ihrer Anteile bereit sei.

Weitere Medienkonzentration in der Schweiz

Mit diesem Schritt würde die Medienkonzentration in der Schweiz weiter voranschreiten. Kleine, unabhängige Medienhäuser hätten es bei der enormen Marktmacht der zwei grossen Player TX Group bzw. Tamedia und AZ Medien Holding bzw. CH Media noch schwerer, sich am Markt zu behaupten. Erst kürzlich hat Tamedia durch die Zusammenlegung von Berner Zeitung und Bund gezeigt, dass die wirtschaftlichen Interessen über der «besonderen Bedeutung der Medien für die Demokratie» stehen. Am Ende kommt die Konzentration auch den Politikern zugute: Je weniger unabhängige Journalisten es gibt, umso weniger stehen sie unter Beobachtung. Die vierte Macht im Staat wäre geschwächt. Da helfen wohl auch einzelne Neugründung wie die «Republik» und der «Nebelspalter» nicht. Denn sie ersetzen die grossen Tageszeitungen nicht, sondern bedienen vor allem ihre Klientel in ihrer «Blase»

1 Kommentar

  1. Es ist richtig, dass ein Teil des guten Ergebnisses 2020 von CH Media durch Kurzarbeit und Mediennothilfe des Bundes zu erklären ist. Der mit Abstand grösste Teil ist jedoch zurück zu führen auf eine operativ gute Leistung, rigorose Sparanstrengungen und nachlaufende Synergieeffekte aus der Fusion von AZ Medien und NZZ Regionalmedien. Das fehlt im Text.

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