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Basis 57: Urner Fischzucht-Start-up führt Kapitalerhöhung durch

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Zander aus nachhaltiger Produktion in Erstfeld. Bild: zvg
Zander aus nachhaltiger Produktion in Erstfeld. Bild: zvg

Nachhaltig und regional produzierte Lebensmittel liegen im Trend. Nach der SwissShrimp AG führt nun ein weiteres Schweizer Start-up aus der Fischzucht eine Kapitalerhöhung durch und öffnet sich damit neuen Investoren. Dabei handelt es sich um die Basis 57 nachhaltige Wassernutzung AG aus Erstfeld im Kanton Uri.

Produktion mit Bergwasser aus dem Gotthard

Das Unternehmen produziert seit 2021 in einer Produktionsanlage unmittelbar am Nordportal des Gotthard-Basistunnels Zander. Dabei nutzt es das aus dem Nordportal des Gotthard-Basistunnels austretende, 12,5 bis 15,0 Grad warme und einwandfreie Bergwasser für eine nachhaltige Fischzucht ohne Einsatz von Antibiotika, Medikamenten und Impfstoffen. Die Fische wurden bisher unter dem Markennamen «Gotthard-Zander» nur an Gastronomie und Detailhandel vermarktet. Wie das Unternehmen mitteilte, ist der Speisefisch seit kurz vor Ostern auch für Privatkunden direkt erhältlich. «Im Moment setzen wir rund 500 Fische pro Woche ab», wird Thomas Gisler, Geschäftsführer von Basis 57, in der Medienmitteilung zitiert. «Unser Ziel ist jedoch, dereinst rund 3’500 Fische wöchentlich zu verkaufen.» Die Produktion werde kontinuierlich hochgefahren.

920 Aktien für neue Aktionäre

Um weitere Liquiditätsreserven zu schaffen und die Inbetriebnahme der Fischzucht abzuschliessen, läuft noch bis zum 30. April 2022 eine Kapitalerhöhung über 920’000 CHF. Insgesamt werden interessierten Investoren 920 Namenaktien zu nominal 1’000 CHF angeboten. Das Aktienkapital beträgt rund 10 Mio. CHF. Gemäss Businessplan soll bereits in diesem Jahr ein Umsatz von über 2 Mio. CHF erzielt werden. Das Erreichen der Gewinnschwelle ist nach Angaben des Unternehmens bereits 2023 geplant. Wie Thomas Gisler auf Nachfrage erklärt, sei mittelfristig auch eine Dividendenzahlung geplant. Bevor Dividenden ausbezahlt werden können, müsse allerdings mit der Rückführung von Darlehen der öffentlichen Hand begonnen werden. Dazu gehört auch ein Darlehen der Neuen Regionalpolitik (NRP) über 3.075 Mio. CHF.

Details zur Kapitalerhöhung und zum Businessplan sind unter www.basis57.ch/investor-relations/finanzierung/ verfügbar.

Auto AG Group: Gutes Ergebnis mit Wermutstropfen

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Die Auto AG Gruppe ist stark im Thema Wasserstoff unterwegs. Sie wartet die Flotte von 47 mit Wasserstoff betriebenen Lastwagen der Firma Hyundai in der Schweiz und baut selbst Kapazitäten im Bereich H2 auf. Bild: autoag.ch

Das Engagement der Auto AG Gruppe im öffentlichen Verkehr, in dem das Unternehmen aus Rothenburg 2,4 Mio. Kurskilometer pro Jahr anbietet, hat verhindert, dass 2021 zu einem Rekordjahr in der 103-jährigen Geschichte des Unternehmens wurde. Denn während das ÖV-Angebot der Auto AG praktisch unverändert gegenüber den Vorjahren aufrechterhalten wurde, ist die Nachfrage in den Corona-Jahren 2020 und 2021 deutlich gesunken. Um 1.6 Mio. CHF sei man in diesem Bereich unter Budget geblieben, so CFO Walter Odermatt. Statt 6,9 Mio. wie im Vor-Corona-Jahr 2019 konnten im letzten Jahr nur 5,6 Mio. Passgiere befördert werden. Der Verlust werde vollumfänglich durch die Reserven der Auto AG getragen, erst wenn diese aufgebraucht seien, springe der Staat in die Bresche.

Happy trotz Wermutstropfen

«Wir sind happy, trotz des Wermutstropfens ÖV», sagt VR-Präsident Walter Huber anlässlich der Bilanzmedienkonferenz. Untermauert wird das Glücksgefühl des Verwaltungsrats und der operativen Spitze der Auto AG durch einen Rekordverkauf an Nutzfahrzeugen, der auf 1648 Fahrzeuge kletterte; 2020 wurden noch 1447 Stück abgesetzt. Auch der Umsatz im Bereich Werkstätten zog leicht an. Und nicht zuletzt konnte bei der Auto Bus AG, die 2018 ihre Tätigkeit aufgenommen hat, ein Wachstum von 50% verzeichnet werden. Die Auto AG Bus transportiert mit gut 80 Fahrzeugen knapp 800 Schülerinnen und Schüler täglich. Um das Wachstum zu bewältigen, wurden 30 neue Stellen geschaffen.

Engagement in Wasserstoff

Von zentraler Bedeutung für die ganze Auto AG Gruppe wird immer mehr das Thema Wasserstoff. Mittlerweile sind 47 Wasserstoff-Lastwagen von Hyundai auf den Schweizer Strassen unterwegs, die zusammen knapp drei Millionen Kilometer zurückgelegt haben. Die Auto AG ist insbesondere für die technische Wartung dieser Fahrzeuge zuständig. Aber dabei soll es nicht bleiben. Ab Ende 2022 soll eine eigene Wasserstoffproduktion in Rothenburg in Betrieb gehen. Bis zu einer Million Franken werde in die Wasserstoffproduktion-Anlage investiert werden, so Marc Ziegler, CEO der Auto AG, gegenüber schweizeraktien.net. «Wir sehen in diesem Bereich ein enormes Potenzial und verfolgen unsere Innovationsprojekte mit voller Kraft weiter», lässt sich Ziegler in einer Pressemitteilung zitieren.

Ein weiteres Innovationsprojekt verfolg die Auto AG mit einem Wasserstoff-Stromgenerator, der derzeit in Österreich getestet wird und schon bald auch hierzulande zum Einsatz kommen soll. Der Generator mit einer Ausgangsleistung von 5 KW werde etwa 95’000 CHF kosten und damit etwas mehr als ein vergleichbarer Dieselgenerator, so Marc Ziegler.

Vermietungsquote im «A2 Gewerbepark» entspricht Erwartungen

Zufrieden ist man in Rothenburg auch mit der Vermietungsquote des «A2 Gewerbeparks». Der Neubau entwickle sich wie geplant, 56% der Flächen seien bereits vermietet. Trotz steigender Rohstoffkosten und Lieferverzögerungen hätten Termine und Budgetvorgaben eingehalten werden können, der auf September 2022 geplante Inbetriebnahme der 10’000 m2 Mietfläche stehe nichts im Wege, so das Unternehmen. Insgesamt werden 24 Mio. CHF in den Gewerbepark investiert.

Leicht zurückgehende Eigenkapital-Quote

Die Investitionen in den Gewerbepark haben Auswirkungen auf die Bilanz des Unternehmens. So steigt auf der Aktiv-Seite das Sach-Anlagevermögen um 10 Mio. CHF auf 78.4 Mio. CHF. Bei den Passiven erhöhen sich die langfristigen Finanzverbindlichkeiten von 29.3 auf 42.5 Mio. CHF. Der Eigenkapital-Anteil geht gegenüber 2020 leicht auf 46,8% zurück. Damit sei man gut finanziert, befindet CFO Walter Odermatt.

Ergebnis erreicht Vor-Corona-Werte

2021 konnte die Auto AG den Umsatz leicht um 0.3 Mio. CHF auf 113.5 Mio. CHF steigern. Das EBITDA zog mit +35% stark auf 8.4 Mio. CHF an. Unter dem Strich bleibt ein Jahresergebnis von 2.5 Mio. CHF (2020: 0.6 Mio. CHF). Damit erreicht das Unternehmen wieder Ergebnisse wie vor Corona, wie aus dem Geschäftsbericht 2021 hervorgeht.

Entwicklung des EBITDA in den letzten fünf Jahren. Quelle: autoag.ch
Ausblick

Das Unternehmen gibt sich optimistisch, was den Ausblick auf das Jahr 2022 betrifft. So habe sich gemäss VR-Präsident Walter Huber der ÖV im Februar und März gut erholt gezeigt und hätte die Erwartungen der Auto AG sogar übertroffen. Leider werde aber auch das laufende Jahr von externen Ereignissen überschattet. Nach der Knappheit an Chips käme jetzt durch den Krieg in der Ukraine ein Mangel an Kabelsträngen, die hauptsächlich in der Ukraine produziert werden, auf die Autoindustrie zu. «Die ohnehin schon geschwächten Lieferketten werden durch den Krieg in der Ukraine weiter belastet», sagt Huber. Gleichzeitig sieht er aber eine gute Entwicklung im Nutzfahrzeugbereich für 2022. Die Auto AG werde ihre Position als Marktführer für alternative Antriebe weiter ausbauen.

Fazit

Die Auto AG, die vom Nutzfahrzeugverkauf über Wartung und entsprechende Werkstätten bis hin zum Transport im Bereich ÖV und Schulen aufgestellt ist, die zusätzlich aktiv ihre Immobilien entwickelt und bewirtschaftet, hat mit der Diversifikation den Vorteil, das Ergebnis schwächelnder Geschäftsfelder ausgleichen zu können. Wie in den letzten beiden Jahren durch den starken Rückgang im von Corona durchgeschüttelten Bereich ÖV geschehen. Sollte jetzt der ÖV wieder anziehen – und die ersten Monate des Jahres 2022 deuten darauf hin –, liessen sich auf der anderen Seite Rückgänge im Fahrzeugverkauf durch Lieferengpässe kompensieren.

Die Diversifikation der Auto AG Holding. Quelle: autoag.ch

Zusätzlich scheint das Unternehmen eine kohärente Strategie beim Auf- und Ausbau der erneuerbaren Energien, und hier vor allem Wasserstoff, zu verfolgen. Investitionen in eigene erste Schritte zur Herstellung von Wasserstoff, wenngleich noch in kleinen Mengen, sind ein gutes erstes Anzeichen.

Der VR wird der GV für 2021 eine Dividende von 9 CHF beantragen, womit sich eine Dividendenrendite von 1,8% errechnet. Die GV am 11. Mai wird erstmals wieder nach den beiden Corona-Ausfällen 2019 und 2020 mit der physischen Anwesenheit der Aktionäre und Aktionärinnen stattfinden, was VR und Management sehr begrüssen.

Entwicklung des Buchwerts (rot) und des Aktienkurses (blau) der Auto AG. Quelle: autoag.ch

Auffallend ist, dass der Buchwert den Kurswert der Aktie deutlich übersteigt. Die Aktie hat durchaus noch Potenzial einer längerfristigen Aufwärtsbewegung, beträgt das Delta zwischen Buch- und Kurswert doch 37%. Zur Zeit wird die Aktie der Auto AG auf OTC-X der BEKB zu 460 CHF gehandelt.

Digital Assets: SIX Digital Exchange und daura gehen Partnerschaft ein

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Schon heute nimmt der Schweizer Finanzplatz eine Vorreiterrolle in der Digitalisierung von Vermögenswerten ein. Jetzt folgt ein weiterer wichtiger Schritt für die Entwicklung eines Ökosystems für Digital Assets. Wie die zur SIX Group gehörende SIX Digital Exchange (SDX) und die daura AG, eine Schweizer Plattform für digitale Unternehmensbeteiligungen, heute in einer Medienmitteilung bekannt gaben, werden die beiden Unternehmen eine Partnerschaft eingehen. Ziel der Partnerschaft sei es, das Ökosystem der SDX für digitale Emittenten zu erweitern. Konkret bedeutet dies, dass Firmen, deren Anteile über daura tokenisiert werden, diese auch nahtlos als SDX’s regulierte Central Securities Depository (CSD) ausgeben werden können.

Ökosystem soll weiter wachsen

Seit 2018 wurden über die daura-Plattform die Unternehmensanteile von 55 Firmen digitalisiert, die von 3’900 auf daura registrierten Investoren über 17 Mio. CHF an Kapital erhalten haben. Die SIX Group ist bereits seit Beginn als strategischer Investor an daura beteiligt. Durch die neue Partnerschaft wird die SDX den daura-KMU Zugang zu ihren Dienstleistungen und Liquidität am Sekundärmarkt bieten. «Die Partnerschaft mit daura stellt einen Meilenstein für die Veränderungen in der Funktionsweise unserer Industrie dar», wird David Hatton, Head of Products bei der SDX, in der Medienmitteilung zitiert. Es sei ein weiterer wichtiger Schritt in der Entwicklung eines künftigen Ökosystems für die Ausgabe, Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren in privaten Märkten. Viele weitere Partnerschaften für dieses Ökosystem seien in Planung.

Auch Peter Schnürer, CEO von daura, zeigt sich erfreut: «Durch die Partnerschaft zwischen SDX und daura fügen wir einen weiteren Teil zu unserem Ökosystem für Schweizer Digital Assets hinzu: Mit der Zentralverwahrung von SDX und dem digitalen Aktienregister von daura wird eine nahtlose Ende-zu-Ende-Integration von KMU- und Start-up-Aktien in das Bankensystem möglich sein.» Erst Anfang Dezember 2021 hatte die Berner Kantonalbank (BEKB) gemeinsam mit daura mit sme-x.ch einen digitalen Marktplatz für nichtkotierte digitale Unternehmensanteile lanciert.

Macro Perspective: Trügerische Scheinwelten – Zeitgeist vs. Fakten

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Damit die Airlines ihre slots nicht verlieren, tummeln sich Geisterflüge am Himmel. Bild: PD / shutterstock

«Die Täuschung geht immer weiter als der Verdacht.» Francois de La Rochefoucauld, 1613-1680, Diplomat, Offizier, Literat

Das waren noch Zeiten, als die Medienhäuser die Wahrheit und auch ihre Hintergründe suchten. Ziel war es, ihren Lesern, Zuhörern und Zuschauern eine ausgewogene und hintergründige Berichterstattung zu den Themen der Zeit zu liefern. Auf dieser pluralistischen Basis war auch die politische Meinungs- und Willensbildung ein wesentlicher Prozess in der demokratischen Gesellschaft. Doch das hat sich geändert. Unkritische mediale Gleichförmigkeit führt aber gerade auch in der Wirtschaft und an der Börse zu gefährlichen Fehleinschätzungen und auch Fehlallokationen.

Glaubt man der allgemeinen Berichterstattung, dann sind wir längst auf bestem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Die Natur wird geschont und sogar renaturiert. Müllaufkommen, Wasser- und Energieverbrauch sind rückläufig, und die CO2-Neutralität ist fast schon greifbar – so die allgemeinen Marketingbotschaften. Doch nichts könnte ferner von der Wahrheit sein. Viele «Erfolge» mit Blick auf die Klimabilanz sind schöngefärbt oder ihre Berechnungsformeln sind hochgradig korrumpiert.

Geisterflüge in der Pandemie

Ein Beispiel sind die «Geisterflüge» seit Beginn der Pandemie. Eigentlich ein ergiebiges Thema für Medien. Von Anfang der Pandemie an ging die Branche von einer raschen Erholung der Passagierzahlen aus. Sämtliche Prognosen seit dem zweiten Quartal 2020 zeigen allenfalls marginale Änderungen zu den Prä-Covid-Prognosen. Selbst jetzt, zwei Jahre nach dem ersten Auftreten der Pandemie, bewegen sich die Passagierzahlen z.B. am Flughafen Zürich gerade einmal bei 50% des Vor-Covid-Levels. Das sorgt immerhin für weniger Emissionen durch den Flugzeugverkehr, sollte man meinen. In Wahrheit finden aber Zehntausende von Geisterflügen in Europa statt. Das heisst, Flugzeuge ohne Passagiere oder mit weniger als 10% Auslastung fliegen von A nach B – ohne wirtschaftlichen Grund.

Das Reglement der Flughäfen sieht aber vor, dass Landerechte, auch «slots» genannt, in der Regel zu mindestens 80% ausgeübt werden müssen, sonst gehen sie verloren. Diese Regel war zwar zunächst ausgesetzt, aber im Oktober 2021 zu 50% wieder aktiviert worden. Doch an der Frequenz der Geisterflüge hat sich zwischenzeitlich wenig geändert.

Wer ist für die skandalösen Geisterflüge verantwortlich?

Zwischen März 2020 und September 2021 gab es von den fünf wichtigsten Flughäfen auf den britischen Inseln 15’000 Geisterflüge! Erst im Januar 2022 räumte die Lufthansa ein, dass sie allein über den letzten Winter bis März wohl 18’000 Geisterflüge durchgeführt haben wird! Die Anzahl der Geisterflüge wird jedoch nicht offiziell erfasst und bekannt gemacht. Dies fällt in die Hoheit der Regierungen, die trotz Protesten und Petitionen bislang keine Transparenz für die Öffentlichkeit herstellen. Dabei sind Flüge als Kategorie die wohl gravierendsten CO2-Emittenten überhaupt. Viele Konsumenten und Geschäftsleute reduzieren oder streichen Flüge, um ihren Anteil zur Rettung des Klimas beizutragen. Doch das scheint weder die Regierungen, die sich gerne als Nachhaltigkeits-Champions inszenieren, noch die Medien zu interessieren. Dabei wäre es ja gerade die Aufgabe der Medien, ihre Funktion als vierte Macht in der Demokratie auch auszuüben. Die seltsame Kumpanei zwischen Politik und Medien im Übersehen der Geisterflüge-Thematik sollte zumindest sensibilisieren.

Effizienzfragen bei Kompensationsschemata

Wenn dies ein Einzelfall wäre, wäre es schon schlimm genug. Doch dem ist nicht so. Vielmehr ist es nur ein Beispiel von vielen. Bei näherer Betrachtung finden sich zahlreiche weitere dubiose Praktiken, mit denen Konsumenten, Wählern und Anlegern Sand in die Augen gestreut wird. Ein weitverbreitetes Beispiel ist die Kompensation der CO2-Emissionen durch das Pflanzen von Bäumen irgendwo in der Welt. So gut das theoretisch klingt, die Methodologie ist fehlerhaft. Zwar ist die Bildung und Bindung von CO2 eine globale Angelegenheit, unabhängig von Grenzziehungen. Doch wird rechnerisch so getan, als ob ein frisch gepflanztes Bäumchen so viel CO2 bindet wie ein ausgewachsener Baum – eine krasse Fehlkalkulation. Dazu kommt, dass viele der neu gepflanzten Bäume missraten, austrocknen, weggespült, von Schädlingen befallen oder gefressen werden. Nach manchen Studien sind bis zu 85% als Ausfälle zu zählen. Die Zertifikate gibt es aber dennoch, und die geben den kompensierenden Unternehmen, deren Mitarbeitenden, Kunden und Investoren ein gutes Gefühl des verantwortungsvollen Handelns. Ein gewaltiger Trugschluss.

Intransparente Scheintransparenz

Das Carbon Disclosure Project (CDP) geniesst einen hervorragenden Ruf und schafft Transparenz bei der CO2-Bilanz der Unternehmen. So weit, so gut. Durch das CDP wurde auch zweifellos das Bewusstsein von Unternehmen und Öffentlichkeit für die schädlichen und unkontrolliert steigenden Emissionen geweckt und geschärft. Tatsächlich scheint aber die Methodologie äusserst fragwürdig. So berichtet das Mode-Unternehmen Nike im Nachhaltigkeitsbericht 2020, dass die CO2-Emissionen im Geschäftsjahr 2019 um 5% gefallen sind. Die Berechnung geht so, dass die Veränderungsrate der Emissionen ins Verhältnis zur Umsatzveränderung gesetzt wird. Der Umsatz nahm um 7% zu, die Emissionen um 1%. Das Ergebnis ist, dass die Emissionen relativ zum Umsatz um 5% rückläufig sind. Entsprechend den Protokollen von CDP ist diese Art der Darstellung möglich – und durchaus auch üblich. In der Öffentlichkeit muss vor allem in Folge des Nachhaltigkeitsmarketings des Emittenten der Eindruck entstehen, dass Nike ein Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel ist. Doch tatsächlich werden Jahr für Jahr mehr Treibhausgase ausgestossen. Trotzdem erhält Nike hervorragende ESG-Ratings?

Fakten vs. Nachhaltigkeitsmarketing

Die Modebranche ist für rund 10% der CO2-Emissionen verantwortlich und deshalb auch verstärkt in die Kritik geraten. Ein «grünes» Image ist daher überlebensnotwendig, denn die Konsumenten wollen nachhaltige Materialien, saubere Lieferketten und sogar Recyclingtextilien. Viele junge und auch traditionsreiche Unternehmen erkennen die Änderung der Nachfragetrends und verwenden nachhaltige Materialien, Wolle aus den Alpen und nicht aus Australien etc. Doch Namen wie Nike oder H&M, die sich obengenannter Praxis bedienen, zählen nicht zu den glaubwürdigen Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit.

Die Kritik an der Modebranche zeigt sich auch im Aktienkurs von Nike. Chart: money-net.ch
Scope-3-Emissionen im Fokus

Ein wichtiger Grund für die Glaubwürdigkeit von Unternehmen bei der Erreichung der Net-Zero-Ziele ist die Erfassung und transparente Publikation aller Emissionen, für die das Unternehmen verantwortlich ist. Dies umfasst nach heutiger Methodik drei Arten. Die selbst verursachten Treibhausgase, die Scope 1 genannt werden. Weiterhin die Emissionen, die durch den Energieverbrauch, je nach Quellen, entstehen, das sind die Scope-2-Emissionen. Unter Scope 3 werden weiterhin all jene Emissionen verstanden, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette bei Lieferanten, Verbrauchern, im Transport oder auch bei Geschäftsflügen entstehen. Je nach Industrie können die Scope-3-Emissionen die mit Abstand grössten sein, etwa in der Modeindustrie, mit ihren globalen Liefer- und Verarbeitungsketten. Diese werden jedoch von den meisten Unternehmen nicht erfasst und veröffentlicht.

Rio Tinto und das Net-Zero-Ziel?

So auch in der Bergbauindustrie. Bei der Hauptversammlung des Minen-Giganten Rio Tinto kam es genau aus diesem Grund zum Eklat. Unter Führung der Schweizer Bank Sarasin stimmten die Aktionäre gegen die finanziellen Statements, weil unklar bleibt, wie Rio Tinto die Risiken des Klimawandels adressiert. Sarasin stimmte auch gegen die Beibehaltung von KPMG als Wirtschaftsprüfer und hinterfragte die Performance des Audit Committees. Im Wesentlichen geht es um die Weigerung von Rio Tinto, die Scope-3-Emissionen zu erfassen, beispielsweise bei der geförderten Kohle, die in den Stahlwerken in Japan oder Südkorea verbrannt wird. 95% der Rio-Tinto-Emissionen fallen aber unter die Kategorie Scope 3! Trotz der verbalen Net-Zero-Ziele von Rio Tinto will der Konzern bis 2045 Kohle verkaufen und die Aktionäre weiterhin durch hohe Dividenden bei der Stange halten. Im Kursverlauf zeichnet sich jedoch schon länger ab, dass die Bewertung unter dem Eindruck wesentlicher Risiken zu leiden hat. Trotz hoher Dividenden fehlt es an Dynamik. Das Hoch von 2007 scheint in weiter Ferne.

Aktienverlauf von Rio Tinto in USD: Der Kurs liegt weit unter dem Hoch von 2007. Chart: wallstreet-online
Propaganda und Gegenpropaganda

Ist schon beim Management der Pandemie unter dem Druck von populistischen Politikern, Bewegungen und Medien die Vernunft und die Wahrheit in weiten Teilen auf der Strecke geblieben, so hat sich die Gleichschaltung seit Beginn des Ukraine-Krieges nochmals verschärft. Wenn schon in Kindergärten und Grundschulen Plakate angebracht sind, auf denen in krakeliger Kinderschrift «Böser Putin» steht, so kann das nur das Werk der Gegenpropaganda sein, denn Siebenjährige können das Geschehen kaum beurteilen. Die Gefahr scheint vielmehr, dass eine neue Generation von Anhängern der Erbfeind-Theorie herangezüchtet werden.

Neue NATO-Beitrittskandidaten

Und wenn die Mehrheit der Bevölkerung vorgeblich neutraler Staaten wie Schweden und Finnland nun plötzlich der NATO beitreten will, so ist das genau die Art von Reaktion, die den Konflikt unnötig erweitert. Beide Länder sind bekanntermassen seit 1945 von KGB und FSB unterwandert, und die Nähe zur NATO ist kontinuierlich gewachsen, sodass ein offizieller Beitritt de facto kaum noch einen Unterschied macht. Es ist genau diese Art von Säbelrasseln, die im vergangenen Jahrhundert zu zwei desaströsen Kriegen in Europa geführt hat. Eine kluge De-Eskalationspolitik sieht anders aus als das, was Biden, von der Leyen, Stoltenberg & Co. derzeit liefern. Und eine differenzierte und hintergründige Berichterstattung würde auch zu einer Meinungs- und Willensbildung beitragen, die von Vernunft geprägt wäre und nicht von Stereotypien, alten Feindbildern und Hurra-Patriotismus.

Überprüfung der Annahmen

Propaganda, Wirklichkeitsverzerrung und einseitige Perspektiven sind im Wirtschafts- und Investmentgeschehen der Feind eines jeden Akteurs. Wer sich auf einmal getroffene Annahmen stützt und diese, koste es, was es wolle, durchzieht, steht nicht selten am Ende vor einem Scherbenhaufen. Der wäre meist vermeidbar, wenn nur die eigenen Annahmen kritisch überprüft werden würden und den veränderten Bedingungen angepasst. Das gilt insbesondere für kritische Bereiche wie die Standortfrage. Im Zeitalter der Globalisierung konnte es nicht weit genug weg sein, um Lohnkosten zu sparen – Osteuropa, Indonesien, China, Vietnam. Transportkosten fielen kaum ins Gewicht. Inzwischen sind die Löhne in vielen dieser Länder stark gestiegen – und die Transportkosten sind zuletzt explodiert. Zudem fehlen viele Rohstoffe – und deren Kosten steigen exorbitant. Vielfach sind die Verfügbarkeiten so eingeschränkt, dass die Produktion ausgesetzt oder reduziert werden muss. Ein «perfekter Sturm»!

Investment-Hypothesen und veränderte Marktbedingungen

Gut geführte Unternehmen sind davon weniger betroffen, wie ja schon die Jahresabschlüsse für die Pandemiejahre 2020 und 2021 zeigen. Umsichtige Planung, ein funktionierendes Risiko-Management, opportunistische Lagerbewirtschaftung, eine solide Bilanz und ein flexibler Multiple-Sources-Ansatz bei Lieferanten und in der Beschaffung sind Charakteristika resilienter Unternehmen. Deren Aktien halten sich auch besser als die von einseitig ausgerichteten, kurzfristig finanzierten und orientierten Konkurrenten. Der Strukturwandel wird sich durch das neue Bedrohungs- und Konfliktszenario mit einer Beschleunigung der vielfältigen Änderungen in der Wirtschaft abspielen. Die Chancen und Risiken der Investoren bestehen darin, die Gewinner von den Verlierern unterscheiden zu können. Viele Investment-Hypothesen der vergangenen Jahre sind teilweise vorübergehend, teilweise dauerhaft aufgegangen, beispielsweise die zur Outperformance der «stay at home»-Aktien. Doch andere haben sich auch nicht erfüllt oder stehen angesichts der veränderten Marktbedingungen vor beträchtlichen Hürden, wie etwa rohstoffabhängige Industrien, wegen der explosiv gestiegenen Preise und geringen Verfügbarkeiten. Andere stehen vor technischen Schwierigkeiten, die den Fortgang der Kommerzialisierung seit 10 Jahren behindern, wie etwa bei Drohnen.

Es wäre daher zu wünschen, dass die Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik, aber auch jeder Einzelne sich die Maxime von de La Rochefoucault zu Herzen nähme: «Niemand ist so klug, dass er alles Unheil erkennen könnte, welches er anrichtet.»

Marc E. Possa, Sara Select: «Ein Re-Shoring könnte vielen Industrieunternehmen helfen»

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Der SaraSelect der VV Vermögensverwaltung AG ist ein reiner Aktienfonds und gehört zur Flagship-Palette der Bank J. Safra Sarasin AG. Der Anlagefonds wurde im Jahr 1996 aufgelegt und investiert in Schweizer Nebenwerte, mit Fokus auf Qualität und Stabilität, und hat deshalb einen hohen Bezug zum Small-Cap-Segment. Mit rund 1 Mrd. CHF  gehört der Fonds zu den Schwergewichten in diesem Bereich. Im Gegensatz zu vielen anderen Small-&-Mid-Cap-Fonds wird ein von der Benchmark unabhängiger Ansatz verfolgt.

Herr Possa, Krieg in der Ukraine, Corona und kein Ende, Inflations- und Stagflationsängste: Anhand dieses toxischen Mix sind Sie nicht versucht, aus den Märkten auszusteigen und auf das gute alte Bargeld zu setzen?

Der Komplettausstieg ist weder machbar noch sinnvoll und zielführend. Wir versuchen, sachlich neue wichtige Erkenntnisse in unser Portfolio einfliessen zu lassen. Auch wenn die Welt bipolarer wird, man muss deshalb bei der häufig propagierten Swissness deswegen keine Abstriche machen. Ganz im Gegenteil, ein Re-shoring könnte vielen industriell orientierten Firmen helfen.

Der Fonds SaraSelect hat in den vergangenen Jahren die Benchmark stets ausgestochen. In diesem Jahr hinken Sie hinter der Benchmark zurück. Ist das allein darauf zurückzuführen, dass Sie in Small & Mid Caps investiert sind und nicht in Blue Chips?

Partiell hat es damit zu tun. Die Finanzindustrie lebt von Volatilität, idealerweise nimmt man die Investoren dort raus, wo sie grossmehrheitlich investiert sind und lässt sie das kaufen, was sie noch nicht haben. So verdienen sie 2x. So wurde auch Anfang Jahr zum x-ten Mal die sogenannte Sektorrotation aus «Growth und Qualität» in «Value und Defensivität» empfohlen. Mit unserem Industrie Bias sind wir natürlich temporär etwas von dieser kurzfristigen Entwicklung betroffen, es hält sich aber in Grenzen.

Dann kommen wir doch direkt zu Ihrem Portfolio. Die grösste Position ist, Stand Ende März, immer noch der Peptide-Hersteller Bachem. Wie so viele Wachstumstitel musste auch Bachem in den letzten Monaten gehörig Federn lassen. Ist Ihre negative Performance in 2022 auch und besonders auf diesen Titel zurückzuführen? Werden Sie weiter an ihm festhalten?

Bachem hat sicherlich in diesem Jahr ein wenig gekostet, auch relativ, die Firma war aber in sehr guter Gesellschaft mit anderen Weltmarktführern, welche nach sehr guten Börsenjahren etwas Federn lassen mussten. Dies hat absolut nichts mit der operativen Performance zu tun und stellt lediglich eine Korrektur der Börsenübertreibungen des letzten Jahres bzw. des letzten Dezembers dar. Vielen Aktien wurden 2021 und v.a. im Dezember 2021 noch massiv raufgezahlt, jeder wollte da noch rein, es musste so kommen, wie Anfang 2022 mit dem Minicrash auf Ansage erlebt.

Auch Logitech gehört in Ihrem Portfolio zu den grössten Positionen. Dieser Titel dürfte Ihnen ebenfalls schon seit längerem keine grosse Freude bereiten. Worauf führen Sie es zurück, dass der Kurs einfach nicht zu Potte kommt?

Auch Logitech gehört zu den Aktien, welche v.a. wegen Corona massivst hochgezahlt wurden und wo danach eine Phase der Beruhigung einsetzen muss. Die Finanzindustrie kann mit Wachstumsmodellen nur schwer umgehen. Aktuelle Wachstumsraten werden ad infinitum extrapoliert, somit sind die Enttäuschung und der Absturz programmiert, dies ganz unabhängig von der operativen Performance.

Jetzt haben wir viel über «Sorgenkinder» gesprochen. Welchen Titel in Ihrem Portfolio können Sie positiv hervorheben?

Poenina ist da sicherlich hervorzuheben, diese Aktie wird zusammen mit Burkhalter nach ihrer Fusion dank der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundesrats zu den Profiteuren der nächsten Dekaden gehören.

Energiealternativen sind seit dem Ausbruchs des Ukraine-Krieges in aller Munde. Solarenergie, Windkraft, Wasserstoff, Biogas – inwieweit bilden Sie in Ihrem Portfolio diese Entwicklung ab?

Gurit, Schweiter, Poenina, Klingelnberg aber auch Sika, EMS Chemie, Huber+Suhner sind Gesellschaften, welche von diesen Trends profitieren werden. Das Problem, wenn die Politik zu stark involviert ist, ist, dass es zu Blasen bzw. Übertreibungen kommt, weil viele dasselbe zur gleichen Zeit umsetzen wollen. Entsprechend müssen Blasen dann auch wieder platzen, um dann hoffentlich einen evolutionäreren Weg einschlagen zu können.

Wie sehen Sie Ihr Engagement in Meyer Burger? Ist das Unternehmen auf der richtigen Schiene? Auch hier ist die Kursentwicklung eher seitwärts, obwohl doch viel Fantasie in Bezug auf Solarenergie im Markt sein sollte. Sie schreiben in Ihrem Kommentar zum März 2022, dass Sie der Ansicht sind, dass in Zukunft vieles repatriiert wird. Ist deshalb MB genau das richtige Investment?

Bei Meyer Burger scheiden sich die Geister. Entweder traut man dem Management und ihrer Marktführerschaft bzgl. der Leistungsfähigkeit und Effizienz ihrer Panels oder man ist der Meinung, dass gegen die Chinesen kein Kraut gewachsen ist. Ich bin klar der Meinung, dass es für Meyer Burger im aktuellen Umfeld sehr viel politisch motivierten Rückenwind geben wird. Einerseits strebt die westliche Welt die Unabhängigkeit von China an, und die langen und immer noch sehr teuren Logistikwege aus Asien ergeben immer weniger Sinn. Andererseits will man gerade heute alle möglichen Formen alternativer Energien fördern, also auch Photovoltaik. Hier hat man nun den innovativsten Hersteller von PV-Modul-Linien, welcher dank einer neuen Strategie nach 2 Dekaden Aufbau der chinesischen PV-Industrie nur entschieden hat, seine Innovationsstärke nur noch für sich zu nutzen.

Die internationalen Handels-Verflechtungen werden in ihrer Wichtigkeit trotz des Ukraine-Krieges bestehen bleiben. Wo sehen Sie weiteres Repatriierungspotenzial?

Grundsätzlich gibt es unendliches Repatrierungspotenzial. Die alte Weltordnung, in welcher China für die Welt produzierte und der Westen v.a. konsumierte, neigt sich aus verschiedenen Gründen dem Ende zu. Vor allem geostrategische Gesichtspunkte, welche durch den Ukraine-Konflikt noch verstärkt wurden, sind die Haupttreiber dieser Entwicklung. Der Westen merkt, dass ungewünschte Abhängigkeiten entstanden sind, nun muss man Gegensteuer geben. Dabei muss v.a. in den USA eine Reindustrialisierung entstehen, wobei da auch Mexiko mitreinspielen wird.

Gibt es Dinge, die Sie zur Zeit mit Blick auf die Märkte optimistisch stimmen?

Die Tatsache, dass wie auch schon in den letzten 2 Dekanden vieles in den Händen der Notenbanken liegt. Somit wird es grossmehrheitlich an ihnen liegen, die etwas überhitzten Märkte zu beruhigen und dabei etwas Luft rauszulassen. Am Ende sind folgende Punkte zentral: Die Welt ist immer stärker verschuldet und lebt in Summe über ihre Verhältnisse, dies in immer grösserem Mass. Deshalb dürfen die Zinsen nicht allzu stark ansteigen, sonst gehen auch etliche Staaten bankrott. Dabei gehen keine Wege an gut positionierten innovativen Firmen vorbei, welche der Menschheit auch zukünftig Mehrwert schaffen und sogar zur Mitigation des Klimawandels beitragen.

Aber man kann und darf den von der Natur vorgesehenen Selektionsmechanismus, also den Darwinismus, nicht ausschalten, weil genau dieser für mehr Robustheit sorgt. Dies ist aktuell die grösste Herausforderung der Menschheit, wo man doch Ungleiches um jeden Preis gleichmachen will.

Herr Possa, herzlichen Dank für dieses Gespräch. 

Bad Schinznach: Zum 100-jährigen Jubiläum gibt es wieder eine Dividende

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Eingang zum Kurhotel und der Privatklink im Park in Schinznach-Bad. Bild: zvg
Eingang zum Kurhotel und der Privatklink im Park in Schinznach-Bad. Bild: zvg

Vor einem Jahr sagte Hans-Rudolf Wyss an der Bilanzmedienorientierung, dass es das «schönste Geschenk» für die Aktionäre zum 100-jährigen Jubiläum der Bad Schinznach AG wäre, wenn die Bäder- und Klinikgesellschaft wieder eine Dividende wie 2019 auszahlen könnte. Dieses «Geschenk» kann der Verwaltungsratspräsident seinen Aktionären nun machen. Obwohl die Gesellschaft 2021 mit dem Umsatz von 48.7 Mio. CHF das 2019er Niveau noch nicht wieder erreichen konnte, gelang es, das operative Ergebnis auf Stufe EBITDA um 62,4% auf 7.6 Mio. CHF zu erhöhen. Der konsolidierte Reingewinn von 2.25 Mio. CHF erlaubt zudem eine Dividendenausschüttung in Höhe von 52 CHF je Aktie, welche der Verwaltungsrat der Generalversammlung vom 18. Mai 2022 beantragen wird.

Möglich wurde diese Ausschüttung allerdings nur, weil die Bad Schinznach AG im Februar 2022 eine Fixkostenentschädigung des Kantons Aargau für die Schliessung des Bäderbereiches vom Dezember 2020 bis Mai 2021 in Höhe von 196’000 CHF zurückzahlte. Die Entschädigung habe ohnehin nur einen ganz «unwesentlichen Teil der ungedeckten Kosten» entschädigt, heisst es im Geschäftsbericht.

Bäderbetriebe litten 2021 nochmals deutlich

Dass die Bad-Schinznach-Gruppe auf diese Fixkostentschädigung verzichten konnte, liegt auch daran, dass die Auswirkungen der Pandemie auf die anderen Geschäftsbereiche weniger stark als 2020 ausgefallen sind. Vor allem die Bäderbetriebe mit dem «Aquarena fun» und dem «Thermi spa» waren 2021 nochmals von den unterschiedlichen Corona-Massnahmen betroffen, sodass der Umsatz mit 6.6 Mio. CHF (- 7,1%) nochmals geringer als im Vorjahr ausfiel. Von der 10-Mio.-CHF-Umsatzgrenze, die 2019 noch erreicht wurde, war der Bäderbereich im letzten Jahr weit entfernt. Zwar waren die Bäder seit dem 31. Mai 2021 wieder komplett für die Besucher freigegeben, und auch der regnerische Sommer spielte den Bädern in die Hände. Doch die erneuten Zutrittsrestriktionen ab Herbst verhinderten eine anhaltende Erholung. Die Bäderbetriebe steuerten 2021 jedoch nur noch 13,6% zu den Gesamterlösen der Gruppe bei.

Erholung im Hotel und in den Kliniken

Wichtigster Bereich sind die Klinik- und Hotelbetriebe mit der Privatklinik im Park, dem Kurhotel im Park in Schinznach-Bad sowie der Klinik Meissenberg in Zug. In diesem Bereich konnten 2021 Nettoerlöse in Höhe von 38.9 Mio. CHF oder 79,9% der gesamten Erlöse erzielt werden. Damit lag der Umsatz im vergangenen Jahr sogar leicht über den 38.4 Mio. CHF aus 2019. Im Kurhotel im Park betrug die Auslastung nach einem schwachen Start Anfang 2021 beachtliche 73,7%. Auch die Rehaklinik in Schinznach-Bad hatte einen schwierigen Start, was vor allem auf viele verschobene Operationen zurückzuführen war. Von Juni an blieb dann die Nachfrage dauerhaft hoch. «Auf das ganze Jahr gerechnet weisen wir so wieder Belegungszahlen wie vor der Corona-Krise aus», heisst es im Geschäftsbericht. Auch in der Klinik Meissenberg erholte sich die Situation deutlich, sodass in den letzten vier Monaten des Jahres 2021 die Auslastung wieder 97% erreichte.

Stabil erwiesen sich die übrigen Ertragsquellen der Bad Schinznach AG, hier insbesondere die Miet- und Pachtzinserlöse in Höhe von knapp 2 Mio. CHF aus der Wohnüberbauung Meisenpark in Zug und dem Haus Habsburg. Erholt hat sich auch das Geschäft der Wäscherei Schwob, das im Vorjahr sehr stark unter den coronabedingten Schliessungen und der Hotel- und Gastrobranche gelitten hatte.

Kurzarbeitsentschädigungen entlasten

Auf der Kostenseite waren 2021 keine grossen Einsparungen zu verzeichnen. Im Bereich des Personalwalaufwands sorgten Kurzarbeitsentschädigungen in Höhe von knapp 1.3 Mio. für Entlastung, sodass die Bad-Schinznach-Gruppe einen konsolidierten operativen Gewinn auf Stufe EBITDA in Höhe von 7.6 Mio. CHF (Vorjahr: 4.7 Mio. CHF) ausweisen konnte. Nach 6 Mio. CHF Abschreibungen verblieb ein positives EBIT von 1.5 Mio. CHF; im Vorjahres lag der Verlust auf Stufe EBIT noch bei 1.5 Mio. CHF. Dank der Aufwertung der Beteiligung an der Wäscherei Schwob, für die 2020 noch Wertberichtigungen vorgenommen wurden, und Corona-Entschädigungen für die Privat-Klinik Im Park von 788’000 CHF und 166’000 CHF für die Klinik Meissenberg AG für das letzte Jahr erreichte der Jahresgewinn 2.253 Mio. CHF.

Zuversichtlicher Ausblick

Seitdem am 17. Februar die Corona-Massnahmen aufgehoben wurden, spürt die Bad Schinznach AG auch im Bäderbereich eine starke Erholung. «Alleine in den ersten vier Tagen nach der Abschaffung der Zertifikatspflicht konnten wir 70% mehr Besucher zählen als in der Periode eine Woche zuvor», heisst es im Geschäftsbericht. Auch in den anderen Geschäftsbereichen zeichnet sich eine Verbesserung ab. Allerdings weist die Geschäftsleitung darauf hin, dass Personal-, Sach- und Energiekosten stark ansteigen und die Kostenseite belasten würden. Insgesamt rechnet das Unternehmen mit einem Umsatz von über 50 Mio. CHF und einem Ergebnis in der Grössenordnung von 2021, das wiederum aus operativer Kraft erreicht werden soll.

Auf der Investitionsseite stehen in diesem und den kommenden Jahren weitere Projekte an. So soll 2022 die Baubewilligung für den Hotelneubau in Schinznach-Bad eintreffen. Mit dem Baustart ist dann im Frühling/Sommer 2024 zu rechnen. In Zug erwartet die Gruppe einen Baubeginn nicht vor 2024. Obwohl die Parzelle in Zug zu einem grossen Teil der Bauzone mit speziellen Vorschriften zugewiesen wurde, sei mit einem noch immer länger dauernden Verfahren zu rechnen, heisst es.

Fazit

Verwaltungsratspräsident Hans-Rudolf Wyss hat Wort gehalten und wird an der 100. Generalversammlung der Bad Schinznach AG wieder eine Dividende beschliessen können. Dies ist den operativen Erfolgen zu verdanken, welche die gut diversifizierte Gesellschaft vor allem im Klinik- und Hotelbereich erzielte. Auch die Investitionen in Renditeimmobilien in den Meisenpark in Zug und das Haus Habsburg in Schinznach-Bad in den vergangenen Jahren zahlen sich nun aus: Sie stellen auch in Krisenzeiten eine stabile Einnahmequelle dar.

Ein zaghafter Aufwärtstrend ist bei der Aktie der Bad Schinznach AG erkennbar. Chart: www.otc-x.ch

Die Aktien der Bad Schinznach AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Mittlerweile hat sich der Kurs vom «Corona-Schock» im März 2020 erholt. Zuletzt wurden 2’150 CHF für eine Aktie bezahlt. Mit einem Kurs-/Gewinn-Verhältnis von knapp 25 sind die Aktien zwar nicht mehr günstig, zumal auch 2022 keine grossen Sprünge beim Gewinn erwartet werden dürfen und die Investitionen einen höheren Abschreibungsbedarf nach sich ziehen. Mit 2,6% ist die Dividendenrendite jedoch attraktiv. Auch das Kurs/Buchwert-Verhältnis ist mit 1,3 nicht überrissen, denn in den Immobilien und den Landreserven dürften noch stille Reserven schlummern. Allein der Brandversicherungswert für die Gebäude wird im Geschäftsbericht mit 175.95 Mio. CHF ausgewiesen, während der gesamte Unternehmenswert (EV) lediglich bei 110 Mio. CHF liegt. Auch die Finanzierung ist mit einer EK-Quote von knapp 44% solide.

Investoren, die in Bad-Schinznach-Aktien investieren, dürfen zwar keine überproportionalen Kurssteigerungen erwarten. Hingegen erhalten sie auch in Krisenzeiten einen stabilen Anker in ihrem Portfolio, der mit 2,6% auch noch eine kleine Rendite abwirft. Hinzu kommt die für Privatanleger interessante Naturaldividende in Form von 4 Gutscheinen für je einen 2-Stunden-Eintritt in die «Aquarena fun» oder das «Thermi Spa». Die Gutscheine werden allerdings nur den an der Generalversammlung anwesenden Aktionären abgegeben.

Rapid Holding: Umsatz und EBIT steigen 2021 kräftig

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Brielmaier-Mäher mit ihren patentierten Stachelwalzen und robuster Technologie bewähren sich auf nassem, sumpfigem Grund. Bild: brielmaier.com

Schon nach dem ersten Geschäftshalbjahr 2021 zeichnete sich ab, dass die Auftriebskräfte nach der Covid-Delle nicht abflauen würden. Mit 55.6 Mio. CHF überraschte der jetzt veröffentlichte Jahresumsatz mit einem Plus von 17% dennoch. Das EBIT schnellte sogar überproportional um 69% auf 4.6 Mio. CHF nach oben.

Zu dem erfolgreichen Jahresabschluss der Rapid Holding trugen verschiedene Faktoren bei. Traditionell ist das erste Halbjahr stärker als das zweite, was wohl auf die Saisonalität in der Berg-Landwirtschaft zurückzuführen ist. Doch 2021 lag das Wachstum mit 17% in beiden Semestern gleichauf. Das kann als guter Indikator für das laufende Geschäftsjahr 2022 interpretiert werden.

«Rapid URI» eröffnet Ära der Elektrifizierung

Ein Höhepunkt im Jahresverlauf war die Markteinführung des ersten vollelektrisch betriebenen Einachsers «Rapid URI». Mit dieser neuen umwelt- und menschenfreundlichen Technologie will Rapid ein neues Geschäftsfeld erschliessen, denn CO2-freie und stark lärmreduzierte Land- und Kommunalmaschinen sind genau das, was der Markt im Einklang mit der Energiewende, den Klimaschutzmassnahmen und nicht zuletzt angesichts der Erfordernisse der Energiebeschaffung seit Beginn des Ukraine-Konflikts verlangt.

Integration der Akquisitionen

Die beiden Akquisitionen des Jahres 2019 sind inzwischen nahezu integriert. KommTek wurde inzwischen in Rapid Technic umbenannt und konzentriert sich nach einer Bereinigung der Produktpalette mit den Kernkompetenzen Funktechnologie und Autonomes Fahren auf den Vertrieb der eigenen Produkte in Deutschland. Die deutsche Tochter beschäftigt 11 Mitarbeitende. Der Umsatzbeitrag zur Rapid-Gruppe belief sich auf 5.8 Mio. CHF nach 5 Mio. CHF im Vorjahr.

Biodiversität im Fokus

Brielmaier mit Standorten in Deutschland und Rumänien beschäftigt 48 Mitarbeitende. Der Umsatz stieg von 11.2 Mio. CHF auf 12.8 Mio. CHF. Trotz zeitweiliger Unsicherheiten über das fortgesetzte EU-Fördermittel-Engagement für die Biodiversität hat sich die Expansion des Experten für Bodenbearbeitung und Feuchtgebiete beschleunigt. Die Produkte von Brielmaier sind für alle EU-Länder interessant, wollen sie ihre Verpflichtungen zur Renaturierung, zur CO2-Reduzierung und zum Artenschutz einhalten.

Engpässe, Kosteninflation, Effizienzsteigerungen und Preiserhöhungen prägen Geschäftsjahr

In der Schweiz beschäftigt die Rapid-Gruppe 123 Mitarbeitende. Der Umsatz stieg markant von 34.7 Mio. CHF auf 41.6 Mio. CHF. Kennzeichnend für das Jahr waren Schwierigkeiten in der Materialbeschaffung sowie Lieferverzögerungen und steigende Transportpreise. Die Rapid-Gruppe steigerte die Effizienz durch ein gruppenweites Informatik-System sowie Bereinigungen und das zentrale Management der operativen Einheiten. Auch Preiserhöhungen konnten durchgesetzt werden.

Contract Manufacturing stösst an Kapazitätsgrenzen

Im Bereich Contract Manufacturing setzte sich der Nachfrageboom fort. Mangels Kapazitäten konnten nicht alle Aufträge abgewickelt werden. Vor allem die Bahnindustrie und die Halbleiterhersteller befinden sich in einem Investitionswettlauf. Hervorzuheben ist, dass auch im zweiten Pandemie-Jahr die üblichen Fachmessen mit persönlichem Kontakt zu den Kunden der Land- und Kommunalwirtschaft ausgefallen sind. Durch hohes Engagement und innovative Kundenbetreuung und -akquisition konnte dennoch ein substanzieller Auftragsbestand erarbeitet werden.

Höhere Kosten

Dass der Jahresgewinn am Ende gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert bei 2.1 Mio. CHF liegt, hat mit steigenden Kosten zu tun. Der Materialaufwand nahm von 19.9 Mio. CHF auf 28.2 Mio. CHF zu, der Personalaufwand erhöhte sich um 2 Mio. CHF auf 17.4 Mio. CHF. Dazu kommen signifikante Bestandesänderungen sowie ein mit -1.6 Mio. CHF negatives Finanzergebnis. Der Gewinn blieb mit 2.1 Mio. CHF nahezu unverändert. Je Aktie errechnen sich 18.51 CHF nach 18.61 CHF in 2020. Die Dividende soll wiederum 15 CHF betragen. Die GV findet am 5. Mai statt.

Ausblick

Trotz weiterhin vorherrschenden Unsicherheiten mit Blick auf die Verfügbarkeit von Rohstoffen und Halbfabrikaten, deren Lieferfristen und Transportkosten sowie die Teuerungstendenzen, insbesondere bei der Energie, zeigt sich im Jahresabschluss 2021, dass die Rapid Holding die Weichen in den Vorjahren gut gestellt hat. Der emissionsfreie Einachser ist eine richtungsweisende Innovation im Land- und Kommunalmaschinenmarkt und dürfte auch in den EU-Ländern auf Nachfrage stossen. Die Akquisitionen tragen bereits erkennbar zum Gruppenwachstum bei. Brielmaier dürfte weiterhin von politisch gewollten Massnahmen zum Schutz von Flora und Fauna profitieren. Und auch im Contract Manufacturing herrscht rege Nachfrage bei den Industriekunden.

Kursverlauf der Rapid-Aktie seit 2014. Chart: otc-x.ch
Fazit

Dass manche Geschäftsbereiche extrem zyklisch sind, wie das Contract Manufacturing, hat sich zu Beginn der Pandemie abermals bestätigt, doch überwiegen eindeutig die langfristigen Auftriebskräfte. Das gilt auch für den Land- und Kommunalmaschinenmarkt. Mit einem KGV von 26 erscheint die Aktie nicht gerade günstig bewertet. Das KBV sieht mit 1.17 besser aus, die Dividendenrendite beträgt immerhin 3,1%. Setzt sich der Trend zu höheren Investitionen in den bedienten Marktsegmenten allerdings fort, wie zu erwarten ist, kann der Spezialist Rapid auch zukünftig höhere Preise durchsetzen. Die Gewinnentwicklung kann in einem solchen Umfeld auch weit überproportional ausfallen. Das KGV kann sich dann schnell relativieren.

BX Swiss: Neue Wissens- und Informationsplattform ist online

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Mit der neuen Website bxplus.ch erweitert die BX Swiss AG ihr Angebot im Bereich Wissensvermittlung, schreibt das Unternehmen in einer Pressemitteilung. Bereits heute stelle die Schweizer Börse kontinuierlich allgemeines und spezifisches Wissen über das Format BX Swiss TV in Form von Markt-Updates und Experteninterviews zur Verfügung, so das Unternehmen.

«Wir sind sehr stolz darauf, BX Plus zu lancieren. In den letzten Jahren hat sich die BX Swiss neu aufgestellt und Börse neu gedacht. Dazu zählt, dass man als Börse besonders für aktive und interessierte Anleger nahbar ist», wird CEO Lucas Bruggeman in der Medienmitteilung zitiert.

In den kommenden Monaten soll die Plattform kontinuierlich erweitert werden, fügt David Kunz, COO der BX Swiss, hinzu. Neben neuen Lerninhalten seien Kooperationen mit diversen Finanzdienstleistern in Planung, die die Attraktivität von BX Plus und vor allem den Mehrwert für die Mitglieder erhöhen sollen, so Kunz.

Die BX Swiss AG mit Sitz in Zürich ist Teil der internationalen Börsengruppe Stuttgart und untersteht dem Finanzmarktinfrastrukturgesetz sowie der Überwachung durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA.

WWZ: Mit Innovationen auch 2021 auf Erfolgskurs

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In der Schweiz erfolgten 2020 schätzungsweise
80% aller Ladevorgänge
von Elektrofahrzeugen an privaten
Ladestationen am Wohnort oder
am Arbeitsplatz. Foto: wwz.ch

Das widrige Umfeld im Pandemie-Jahr 2022 konnte dem Zuger Versorgungsunternehmen WWZ nur wenig anhaben. Die Nettoerlöse kletterten um 8,6% auf 247.2 Mio. CHF. Der Konzerngewinn stieg dagegen nur geringfügig auf 39.2 Mio. CHF. Die eigentliche Story besteht aber aus den Fortschritten in neuen Geschäftsfeldern wie Fernwärme und -kälte, Wärmepumpen oder Elektro-Mobilität. Das gemeinsame Element ist der Beitrag zu der von WWZ angestrebten CO2-Neutralität.

Die WWZ kehrt ein Stück weit zurück zum Wasser, das ja auch bei der Gründung als Aktiengesellschaft Wasserwerke Zug 1892 am Anfang der Unternehmensgeschichte stand. Neben der Wasserversorgung der Region und der Stromgewinnung aus den lokalen Flüssen ist nun auch Fernwärme und -kälte ein wichtiger Pfeiler der Unternehmensstrategie geworden. Die Wärme- und Kälte-Energie wird aus den Seen gewonnen oder aus dem Tiefengrundwasser. Diese Technologie ist emissionsfrei und erfährt laut WWZ eine Nachfrage, die weit über den Erwartungen liegt. Die Projekte Energieverbund Circulago und Wärmeverbund Ennetsee tragen wesentlich zur CO2-Reduktion in der Zuger Region bei.

Leuchtturm-Projekt mit V-Zug

Dazu kommt die gemeinsam mit V-Zug gegründete Multi Energie Zug AG, die Fernwärme aus dem Circulago-Projekt, Grundwasserenergie, bisher verpuffende Abwärme industrieller Prozesse und Solarenergie koppelt und sogar grünen Wasserstoff produzieren wird. Schon heute können die Mieter auf dem V-Zug Areal für die kommende Heizperiode mit einer zu 100% emissionsfreien Energieversorgung rechnen. Das Projekt hat für die beteiligten Unternehmen, den Industrie-Standort Zug und die ganze Schweiz einen «Leuchtturm-Charakter» und soll neue nachhaltige und kostenreduzierende Lösungen für die Energiewende aufzeigen sowie junge innovative Unternehmen anziehen.

Anfänglich zeigten vor allem Stockwerkeigentümerschaften grosses Interesse an der Elektrifizierung ihrer Tiefgaragenplätze; inzwischen ist das Thema auch bei institutionellen Kunden, Grossüberbauungen und Arealprojekten relevant. Grafik: WWZ, Geschäftsbericht 2021
E-Mobility im Fokus

Im Multi Energy Hub spielt die Elektromobilität eine wichtige Rolle. 250 Ladepunkte sowie ein benachbarter Parkplatz sollen als Umsteigestation für den Individualverkehr von und nach Zug fungieren. Idealerweise, so WWZ im Geschäftsbericht, werden die Elektromobile dort aufgeladen und der Individualverkehr auf ÖV, E-Bikes etc. verlagert. Im Geschäftsjahr 2021 hat WWZ die Anzahl der selbst betriebenen Ladepunkte um 61,4% auf 589 gesteigert. Die registrierten Ladepunkte nahmen um 60,6% auf 1’352 zu. Dahinter steht die Strategie, die Kompetenz rund um die E-Mobility als Service sowohl für kommunale Kunden als auch für Mehrfamilienhauseigentümer zu skalieren. Mit Erfolg, denn die Anfragen nehmen zu.

Praktisch alle grossen Automarken setzen heute auf Elektromobilität. Grafik: WWZ, Geschäftsbericht 2021
Absatzsteigerungen

Der Stromabsatz nahm 2021 um 7,9% auf 755 Mio. kWh zu. Davon entfallen 51.3 Mio. kWh auf die selbsterzeugte Energie. Das ist eine Steigerung von 19,9% und auf den ausgiebigeren Regen zurückzuführen. Der Gasabsatz erhöhte sich, ebenfalls witterungsbedingt, um 9,5% auf 529 Mio. kWh. Der Wärme- und Kälteabsatz stieg kräftig um 24,5% auf 44.7 Mio. kWh. In den Segmenten Wasser und Telekom waren die Veränderungen nur marginal. Insgesamt entfallen auf den Geschäftsbereich Strom 44,1% der Nettoerlöse, 30,7% auf Telekom, 14% auf Erd- und Biogas, 5,7% auf Wärme und Kälte und 4,4% auf Wasser.

Die WWZ AG transportierte im Berichtsjahr 2,8% mehr Strom über ihre Netze. Grafik WWZ, Geschäftsbericht 2021
Investitionen mit Weitsicht

Die Umsatzerhöhung resultiert aus gestiegenen Preisen und Absatzmengen. Allerdings sind auch die Beschaffungspreise und die Betriebskosten gestiegen. Neues Fachpersonal für Marketing, Fernwärme und Produkt-Management wurde eingestellt. Die Ambitionen sind vielfach über die Kantonsgrenzen hinausreichend. So ist die Tochtergesellschaft Heizungsmacher AG landesweit aktiv und setzt insbesondere auf den Vertrieb von Wärmepumpen und Solaranlagen. Bei der Fernwärme und -kälte ist WWZ ein Vorreiter. Die hohen langfristigen Investitionen in das Circulago-Projekt lösten zu Beginn mancherorts Kopfschütteln aus, doch nun geht es für WWZ darum, die schweizweit enorme Nachfrage nach Contracting-Lösungen für ähnliche Projekte auch befriedigen zu können. Dafür braucht es Fachpersonal, Marketing-Experten und Produkt-Manager. Die Anzahl der Mitarbeitenden nahm 2021 um 3% auf 488 zu.

Gewinnzahlen

Trotz der gestiegenen Kosten blieb das operative Ergebnis vor Abschreibungen mit 88.8 Mio. CHF nahezu unverändert. Infolge der weiterhin hohen Investitionen stiegen die Abschreibungen weiter und erreichen mit 50.5 Mio. CHF einen Rekordwert. Das EBIT ging um 5.1 Mio. CHF auf 32.4 Mio. CHF zurück. Ein verbessertes Finanzergebnis sowie ein Liegenschaftsverkauf mit einem Buchgewinn von 4.4 Mio. CHF trugen dazu bei, dass der Konzerngewinn mit 39.2 Mio. CHF kaum verändert ausfiel. Die Dividende soll mit 33 CHF unverändert bleiben.

Aktien-Split und Aktienumsätze

Die Durchführung des Aktiensplits im vergangenen Jahr hat ihre Ziele erfüllt. Die Anzahl der Aktionäre hat sich gemäss Geschäftsbericht weiter erhöht. Auch der Aktienhandel hat sich sichtlich belebt. Bis zum 9. April erreichen die Jahresumsätze 2022 auf OTC-X bereits 3 Mio. CHF, im gesamten Vorjahr waren es 4.6 Mio. CHF. Die Aktie erreichte Ende Februar bei 1’205 CHF ihr langjähriges Tief, erholte sich aber auf zuletzt 1’280 CHF.

Der Handel der WWZ-Aktie hat sich seit dem Aktiensplit im letzten Jahr belebt. Chart: money-net.ch
Fazit

Die Bewertungsparameter für die auf OTC-X gehandelten Aktien haben sich verbessert. Das KGV liegt bei Kursen um die 1280 CHF bei 16, das KBV bei 0.7 und die Dividendenrendite beträgt 2,6%. Durch die Emission einer 100-Mio.-CHF-Anleihe mit Laufzeit 2033 hat sich zwar die Eigenkapitalquote auf 79% verschlechtert, doch ist das immer noch sehr komfortabel. Der Coupon der an der SIX gehandelten Anleihe ist mit 0,2% p.a. äusserst attraktiv. Im gegebenen unsicheren Kapitalmarktumfeld erfüllt WWZ alle Kriterien für langfristig angelegte Engagements. Der Investitions-Kraftakt wird sich zukünftig in Wachstum und Margenstärke niederschlagen.

EW Jona-Rapperswil AG: Stromverkäufer wird Energiedienstleister

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Strom, der vom Energieversorger zum Kunden fliesst: So einfach ist es längst nicht mehr. «Prosumenten» speisen selbst in die Verteilnetze ein, die Energiepolitik strafft regulatorisch die Zügel, die E-Mobilität will integriert werden. Kommunale Energieversorgungsunternehmen (EVU) werden darum zu breit agierenden Dienstleistern – das zeigt auch das Geschäftsjahr 2021 der Elektrizitätswerk Jona-Rapperswil AG (EWJR).

Einmal Kunde, immer Kunde – so sah die Stromwelt Schweiz bis 2009 aus Sicht der Endverbraucher aus. Der Stromanbieter war nicht wählbar, als Neuzuzüger vergrösserte man automatisch das Kundenportfolio des kommunalen EVU. Seit 2009 dürfen zumindest grosse Endverbraucher mit mehr als 100’000 kWh Jahresverbrauch ihren Stromversorger frei wählen. Zum Vergleich: Ein 4-Personen-Haushalt in einem Einfamilienhaus verbraucht ca. 4’500 kWh/Jahr. Die Politik plant, dass künftig auch Haushalte und Kleinbetriebe ihr EVU selbst wählen können– das Monopol zum Stromverkauf soll also weiter erodieren. Zudem müssen die Verteilnetze für die neue Energiewelt fit gemacht werden. Denn immer mehr Kunden speisen mit ihren Solarzellen selbst Strom ins System ein – und immer mehr Elektroautos verlangen nach starken Hausanschlüssen.

Das Ziel: In den neuen, intelligenten Netzen der Zukunft – sogenannten «Smart Grids» – sollen alle Spannungsebenen permanent beobachtbar sein und über das Datennetz automatisch optimiert werden. Neue Sensoren und Smart-Meter (Messgeräte) werden die nötigen Infos liefern und Ansteuermöglichkeiten für alle Verbraucher und Erzeuger bieten. Kommunale Strombezüger, Privathaushalte, Elektro-Ladestationen und (Batterie-)Speicher sollen dereinst alle Teil dieses intelligenten Netzes sein. Doch IT-Unternehmen und andere branchenfremde Player drängen ebenfalls in diese Nische – denn ihre Kompetenzen sind dort gefragt wie nie zuvor. Der E-Auto-Titan Tesla etwa belässt es nicht bei Solarziegeln und Batterien, mit denen die Kunden ihren Strom selber generieren und speichern können. In Deutschland trumpft Tesla bereits mit einer KI-Plattform namens «Autobidder» auf. Die Lithium-Autobatterien, wenn im Netz angeschlossen, werden dadurch zu einem «virtuellen Kraftwerk» – und Tesla-Besitzer können Strom ganz privat unter sich handeln.

Für angestammte Elektrizitätsversorger/Verteilnetzbetreiber ohne eigene Produktion – wie die EWJR – ist diese Entwicklung Krux wie Chance. Der Fokus kann nicht länger nur auf Strom liegen, wo die Konkurrenz immer wilder und der Margendruck grösser wird – die Unternehmen müssen vielmehr zu Unterstützern der Energiewende werden. Basierend auf dem Vertrauen, das sie seit vielen Jahren in ihren Gemeinden geniessen, kann diese herausfordernde Veränderung und Angebots-Diversifikation auch durchaus gelingen.

Auf dem Dach der Helbling & Co. AG im Joner Industriegebiet Buech produziert seit 2021 eine 1’000 m² grosse Photovoltaikanlage Strom. Realisiert wurde sie vom Bereich «Smart Energy» der EWJR.

Planung von Photovoltaik, E-Mobilität, Energieberatung, Glasfasernetzen…
«Die Elektrizitätswerk Jona-Rapperswil AG blickt auf ein erfolgreiches und vielseitiges, aber auch herausforderndes Geschäftsjahr zurück», schreibt das Unternehmen im Geschäftsbericht 2021. Mit einem konsolidierten Umsatz von CHF 39.7 Mio. und einem Gewinn von CHF 4.2 Mio zeige man sich zufrieden. Der Umsatz konnte im Vergleich zum Vorjahr um 7.5 % gesteigert werden, der Gewinn erhöhte sich um 18.6 %. «Im regulierten Geschäft führten die über die letzten Jahre verordneten Anpassungen zu Einbussen», sagt Michael Bätscher, Geschäftsführer der EWJR. Die EWJR habe sich in dieser Zeit aber auch stetig weiterentwickelt und sei vor allem im Bereich der Dienstleistungen deutlich gewachsen. «Gerade dank dem erfreulichen Zuwachs im Dienstleistungsgeschäft können wir erneut einen soliden Gewinn ausweisen». Insbesondere bei der Energieberatung, der Planung von Heizungen, Lüftungen und Klimalösungen sowie bei der Installation von Photovoltaikanlagen hat sich die EWJR in den letzten Jahren wesentlich bemerkbar gemacht. Zudem konnte sie im Bereich der Glasfasernetze ihre Kompetenzen erweitern. Und das EVU sieht sich als Partner für die persönliche E-Mobilität (78 neue E-Ladestationen 2021). «Wir stehen von der ersten Kontaktaufnahme über Ihren ersten eigenen Ladevorgang bis hin zur Wartung der Ladestation zur Seite», verspricht die firmeneigene Broschüre «Strom im Tank».

Der Fachbereich Smart Energy der EWJR wächst durch die grosse Nachfrage nach Ladestationen und Photovoltaikanlagen stetig. Die grösste realisierte PV-Anlage hat aktuell eine Leistung von rund 300 Kilowatt – genug für die Versorgung von rund 70 Haushalten. Zudem hat die Firma im letzten Jahr 22 neue Batteriespeicher installiert – und bietet sich zudem als Experte für Elektroinstallationen an. Auch in der pittoresken Kirche Maria Himmelfahrt in Jona, wo neue LED-Leuchten installiert wurden.

«Die Entwicklung bei den Dienstleistungen, die höheren Erträge aus den Liegenschaften sowie die Dividendeneinnahmen aus den Beteiligungen trugen wesentlich zum starken Ergebnis bei», fügt Matthias Wickli, Bereichsleiter Finanzen & Energie, an. Der Finanzertrag enthalte substanzielle Einnahmen aus den Wertschriften mit Börsenkurs, was das gute Börsenjahr sowie die hohen Ausschüttungen auf den Wertschriften widerspiegelt. Aus Investorensicht spannend ist auch das beachtliche Portfolio an nicht betrieblichen Liegenschaften der EWJR – im Wert von knapp 14 Mio. Franken. Ein interessanter Substanzwert angesichts der gewaltigen Immobilienhausse der letzten Jahre. Diese Sachanlagen dürfen zudem OR-konform jährlich abgeschrieben werden.

Mehr Nachfrage, kostspielige Produktion aus Erdgas, weniger Wettbewerb um den günstigsten Preis, steigende Netzentgelte, teurere CO2-Zertifikate: Auch 2022 werden in Europa flächendeckend steigende Strompreise erwartet.

Der unerwartet starke Anstieg der Strompreise in den letzten Monaten führte bei EVU ohne eigene Produktion zu ebenso unerwartet hohen Beschaffungskosten. Diese dürfen jedoch nicht unterjährig, sondern wie bisher nur von Jahr zu Jahr an die gebundenen Endkunden weitergegeben werden, wie die Eidgenössische Elektrizitätskommission ElCom jüngst erklärte. «Der Fachbereich Energie war bei der Verlängerung von Marktverträgen stark gefordert», räumen auch die EWJR ein.

Weg vom Stromverkäufer, hin zum diversifizierten Dienstleister einer neuen Energiewelt? Auch das Eingangs-Zitat zum EWJR-Geschäftsbericht 2021 bemüht das Selbstverständnis des «Energiewende-Enablers»: «Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist», wird der grosse Autopionier Henry Ford zitiert. Oder zwischen den Zeilen gelesen: «Wir bleiben nicht stehen, wir prägen die aktuellen Veränderungen mit».

Im Peer-Group-Vergleich (unten 2020) ist die EWJR-Aktie preislich im Mittelfeld anzusiedeln (KGV 2021: 20,59, Preis/Buchwert: 5,63). Sie bietet eine attraktive Dividendenrendite von 3,7%. Dank ihrem grossen Fächer an Dienstleistungen ist die EWJR ist auf gutem Weg, ein substanzielles und wachsendes Geschäft
ausserhalb des von Margendruck geprägten regulierten Bereichs aufzubauen. Zudem erhalten Investoren mit der Aktie auch ein substanzielles Immobilien-Investment.

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