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Macro Perspective: Schafe und Wölfe an der Wall Street

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„Ich habe keine Angst vor einem Heer von Löwen, das von einem Schaf angeführt wird. Ich habe aber Angst vor einem Heer von Schafen, das von einem Löwen angeführt wird.“ Alexander der Grosse, 356 -323 BC, Eroberer des ersten Weltreiches

Die Börse übertreibt. Nach oben wie nach unten. Doch die Faszination der Aktienmärkte geht vor allem von den Phasen phänomenaler und sagenhafter Kursgewinne aus, die es zumindest in der Theorie jedem ermöglichen, sehr schnell zu sehr viel Geld zu kommen – willkommen im Reich der spekulativen Exzesse!

In den letzten 12 Monaten legten der Nasdaq-Index um 93% zu, der S&P 500 um 66% und der Nikkei um 76%. Fast alle Börsen stiegen kräftig. Selbst mit Index-Fonds oder -ETFs liessen sich substanzielle Gewinne an den Börsen erzielen. Manche Sektoren wie Tech und Biotech brachten weit überdurchschnittliche Wertzuwächse. Und auch mit zunächst schwer eingebrochenen Aktien aus den Bereichen wie Reise, Tourismus, Einzelhandel liess sich bei gutem Timing ein hoher Gewinn realisieren.

Irrationaler Überschwang lockt Schwindler an die Börse

Doch die Standard-Aktien und -Indizes und deren Kurspotenziale reichen scheinbar nicht allen Investoren. Wie eigentlich immer, wenn eine Hausse in der spekulativen und von Überschwang geprägten Phase angelangt ist und selbst Milchmädchen, Taxifahrer und unbedarfte Teenager und Pensionäre über Börsengewinne fantasieren, lockt die Aussicht auf leichtes und schnelles Geld auch Schwindler und Betrüger an die Börsen. Auch wenn es in Phasen des irrationalen Überschwangs regelmässig vergessen oder verdrängt wird, so bleibt es doch eine Tatsache, dass es an der Börse, wie eine alte Wall-Street-Weisheit lautet, eben nicht nur viele Schafe gibt, sondern auch Wölfe.

Historische Lektionen aus Spekulationsblasen

Eines der ältesten Muster ist, Nachahmer von erfolgreich scheinenden Unternehmen in einer Welle der Spekulation und Leichtgläubigkeit schnell zu lancieren und so das spekulationswütige Kapital magnetisch anzusaugen. Beispiele aus der Geschichte sind die Tauchglocken-Manie an der Börse London ab 1690, die das Heben spektakulärer versunkener Schätze zum Gegenstand hatte und mangels nennenswerter Erfolge schon bald wieder abklang, oder die legendären Spekulationen in Kanalgesellschaften ab den 1770er Jahren. Die ersten Kanäle in England und die Kanalverbindung zwischen New York und den grossen Seen brachten anfänglich tatsächlich gewaltige Fortschritte im Warentransport, indem sie die Transportzeiten und die Kosten senkten. Sie lösten so eine Spekulationswelle für zahlreiche neue Kanalprojekte aus. Hohe Renditen lockten, und das Kapital floss reichlich – bis dann die Eisenbahn als Innovation ab 1836 nahezu alle Binnenkanäle obsolet machte.

Die Spekulation auf die „nächste“ Tesla

Ähnlich scheint die Lage heute, vor allem mit Blick auf die vielen Tesla-Nachahmer und die Start-ups aus den Bereichen Autonomes Fahren und Hydrogen. Die meisten dieser mit vielen Mrd. USD bewerteten Unternehmen haben weder Umsätze noch Kunden und schon gar nicht Gewinnaussichten. Insbesondere zwei Faktoren tragen zu dieser spezifischen Spekulationsblase bei. Der erste ist die Kursverzehnfachung von Tesla in 2020 – von 88 USD auf 880 USD! Damit war Tesla mehr wert als die nächsten sieben Automobilbauer zusammen. Die Korrektur auf aktuell 680 USD hat an den Grössenverhältnissen nichts Wesentliches verändert. Die Market Cap von Tesla beträgt derzeit 650 Mrd. USD. Toyota kommt auf 216 Mrd. Euro und Daimler immerhin wieder auf 79 Mrd. Euro.

Verlauf der Tesla-Aktie seit 2016. Chart: money-net.ch
„Peak Car“

Diese Entwicklung ist natürlich nicht unfundiert. Im Sommer 2016 wurde in der Macro Perspective „Peak Car“ die nachfolgende Divergenz bereits skizziert. Damals lag die Market Cap von Tesla noch bei gerade 32 Mrd. USD. Tesla und die Nachahmer stehen für die neue Mobilität – ohne Emissionen! Inzwischen haben nahezu alle wichtigen Länder inklusive USA, China und Japan Net-Zero-Ziele für 2050 definiert. Viele Länder sind aber schneller – oder wollen es zumindest sein. Besonders ambitioniert erscheinen die Ankündigungen des britischen Premiers Johnson. In Norwegen werden Verbrennungsmotoren schon ab 2025 nicht mehr zugelassen. Aber auch Unternehmen, Städte und Regionen wollen Leader in der Dekarbonisierung sein. GM und Volvo werden ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr einsetzen. Viele Städte bannen Automobile in den Innenstadtbereichen, um die Rückkehr des urbanen Lebens zu ermöglichen – ohne Abgase, Feinstaubpartikel, Unfallgefahr und Verkehrslärm.

EV-Marktanteil von nur 2% bei Neuzulassungen

Dennoch, nur 2% der globalen Neuzulassungen von Fahrzeugen entfallen heute auf Electric Vehicles. Alle etablierten Hersteller versuchen sich mehr oder weniger verzweifelt in der neuen Welt der emissionsfreien Mobilität zu positionieren: durch eigene Forschungsanstrengungen, Fusionen, Partnerschaften, Kooperationen oder Übernahmen von Start-ups. Da es sich um einen strukturellen Wandel handelt, bleibt allerdings abzuwarten, ob es eine friedliche Ko-Existenz von alt und neu geben kann oder ob doch eher eine „kreative Destruktion“ im Sinne Schumpeters das Erscheinungsbild der Mobilitätsindustrie in den nächsten Jahren radikal verändern wird. Die Divergenzen in der Entwicklung der Market Caps sprechen eindeutig für Letzteres.

EV- + SPAC-Manie wirken zusammen
Quelle: marketwatch.com
Quelle: marketwatch.com; source- DJ Market Data
Quelle: marketwatch.com
Quelle: marketwatch.com
Quelle: marketwatch.com; source: CB Insights

Nebenstehende Grafiken zeigen aber gemäss dem berühmten Ermittler-Motto „follow the  money“, dass auch milliardenschwere Gründe für die phänomenale Schaffung von Aktionärsvermögen im EV und AV Space verantwortlich sind. Es ist ein relativ geschlossener Kreis von Initiatoren und Investoren, der den grössten pekuniären Vorteil geniesst – und das bei geringem Risiko. Die privaten Anleger, die erst beim IPO der SPACs hinzustossen oder gar erst, wenn das Übernahmeziel bekannt wird, sind die letzten in der Reihe, innerhalb derer ein immer kürzer werdendes brennendes Streichholz weitergereicht wird.

Privatanleger entdecken die Börse

Mehrere Faktoren wirken zusammen. Die Notenbank- und die Fiskalpolitik sind ultra-locker. Jedes auftauchende Problem wird mit noch mehr Geld scheinbar behoben. Doch das meiste von diesem Geld wird weder in der Realwirtschaft investiert noch in Konsum umgesetzt. Es wird gespart, bestenfalls findet das Geld seinen Weg an die Börse. Die neue Generation der Privatanleger hat jedenfalls die Börse neu entdeckt und ihren Anteil am Börsenhandel in 2020 von 10% auf 20% verdoppelt.

Durchbruch 2020

Die meisten der Börsenneulinge suchen verständlicherweise die „nächste“ Tesla. Die Grafiken zeigen, dass die Finanzierungsvolumina sowohl im vorbörslichen Bereich als auch bei den gelisteten Aktien im Bereich EV und AV Jahr für Jahr deutlich zugenommen haben, wobei 2020 mit dem vertikalen Anstieg der Bewertungen den vorläufigen Höhepunkt der Entwicklung bildet.

Der schnelle Weg an die Börse

Zwischen 2015 und 2019 gab es jährlich eine Übernahme eines Mobility-Unternehmens durch ein SPAC. 2020 stieg mit der Popularität der SPACs die Anzahl solcher Übernahmen jedoch auf 22 – eine sensationelle Zunahme und ein klares Zeichen, das nur richtig interpretiert werden will. Die meisten Mobility-Unternehmen, die so den Weg an die Börse fanden, wären nicht unbedingt als klassisches IPO durchgegangen. Sei es, weil die Zulassung aus Gründen der Unreife nicht erteilt worden wäre, sei es, weil die Investoren Konzept-Unternehmen ohne Produkte, Kunden und Umsätze abgelehnt hätten.

Spekulationswut wird durch SPACs bedient

Im grossen Bild sieht das so aus: Der phänomenale Anstieg von Tesla-Kurs und Market Cap in Verbindung mit der ultra-lockeren Notenbankpolitik und den fiskalischen Massnahmen hat 2020 nicht nur neue Anleger in grosser Zahl an die Börse gelockt, sondern auch dazu geführt, dass deren gezielte Suche nach der „nächsten“ Tesla auch bedient werden sollte. Hierzu sollte sich das Konstrukt des SPAC als äusserst nützlich erweisen. Alles, was es brauchte, war ein namhafter Initiator, auch Sponsor genannt, der geeignet war, Vertrauen bei den Endverbrauchern, also den privaten Anlegern und Börsenneulingen, zu inspirieren.

Asymmetrische Risikoverteilung

Das SPAC sammelt dann mehrere hundert Mio. USD oder auch bis zu 20 Mrd. USD ein und arrangiert anschliessend innerhalb von 18 bis 24 Monaten die Übernahme eines bis dahin den Investoren unbekannten Zielunternehmens. Im Gegensatz zum Initial Public Offering (IPO) sind beim Börsengang durch ein Direct Listing oder via SPAC keinerlei Offenlegungspflichten zu erfüllen. Somit können auch unreife Unternehmen im Konzept- oder Prototypen-Stadium die beim regulierten IPO unüberwindbaren Hürden nehmen. Die Folge der SPAC-Manie ist, dass eine grosse Anzahl von vielleicht hoffnungsvollen Start-ups die üblicherweise von Venture Capital finanzierte Entwicklungs- und Wachstumsphase überspringen und via SPAC gleich an die Börse kommen. Die Privatanleger schlüpfen somit, ohne es wirklich zu verstehen, in die Rolle des Risiko-Financiers mit zu erwartenden hohen Ausfallquoten.

Asset Shuffle

Die eigentlichen Risikokapitalgeber, die Venture Capital Gesellschaften, sind Teil der SPAC-Maschinerie geworden, ebenso wie institutionelle Investoren, die Pre-IPO-Strategien verfolgen. Die Alchemie sieht hier so aus, dass börsengehandelte Unternehmen eine höhere Bewertung verdienen als solche in Privatbesitz. Die SPAC-Initiatoren sichern sich für ihre Bemühungen einen 20%-Anteil und über diverse Services manchmal auch sehr viel mehr. Dazu treten institutionelle Anleger, die in den frühesten Phasen einsteigen – bei noch niedrigen Bewertungen. Dazu kommt, dass nur die Investoren in der Frühphase des SPAC auch berechtigt sind, Optionsscheine zu erhalten. Diese behalten sie und verkaufen dafür oft die Aktien mit dem ersten, fast gesicherten Wertanstieg an die Privatanleger nach Vollzug der Übernahme. Der eigentliche Gewinn ist dann schon fast ohne Risiko gemacht, die Warrants bieten allerdings noch zusätzliche Upside.

Die ersten Probleme und Verluste

Wie zu erwarten ist, sind schon die ersten dieser Deals schiefgelaufen. Das prominenteste Beispiel bietet Nikola (NKLA). Nach einem atemberaubenden Anstieg der Hydrogen-Truck-Aktie um über 500% wurden vergangenen Sommer Beweise für Betrug bekannt; die Aktie gab daraufhin bis heute um rund 80% ab.

Die Lucid-Übernahme durch das Churchill Capital IV-SPAC

Ein ganz frisches Beispiel bietet der SPAC Churchill Capital IV (CCIV), der seit dem IPO im Oktober um die 10 USD pendelte. Als Anfang Januar das Gerücht die Runde machte, dass Lucid Motors das Zielunternehmen sein soll, kletterte die Aktie innerhalb von sechs Wochen bis auf 64.86 USD. Als dann die Lucid-Übernahme tatsächlich bekannt gegeben wurde, stürzte die Aktie bis auf 22 USD ab. Lucid wurde von dem ehemaligen Tesla-Chefingenieur des Model S, Peter Rawlinson, gegründet und plant, dieses Jahr zwei Modelle auf den Markt zu bringen. Der Kurssturz wurde durch die tiefere Bewertung der beteiligten Wall-Street-Adressen ausgelöst, was erst im Rahmen der Meldungen zur Lucid-Übernahme bekannt wurde. Die aktuelle Market Cap beträgt bei 27 USD immer noch 7 Mrd. USD.

Kursverlauf der Aktie von Churchill Capital seit dem IPO. Chart: money-net.ch
Hi-Jacking bei Velodyne

Ein weiterer Fall ist Velodyne Lidar (VLDR). Die ehemaligen Gründer und Manager wurden von den „SPAC-Guys“ aus der Geschäftsführung geworfen und reden nun von einem „Plan zum Hi-Jacking der Gesellschaft“. Der Kurs ist aber auch wegen „substanziellen Defiziten“ bei den SEC-Filings abgeschmiert.

SPAC-Tsunami

Insgesamt 262 SPACs gingen 2020 an die US-Börsen. Allein im Januar 2021 beantragten laut Dealogic weitere 90 SPACs die Börsenzulassung. Durch diese Praxis kommen Start-ups, wenn sie nur in den heissen Sektoren wie EV und AV tätig sind oder Pläne haben, dies zu werden, verfrüht via SPAC an die Börse. Unerfahrene Anleger verhalten sich heute in Zeiten der Social Media auch nicht anders als während der Südseeblase zu Zeiten Newtons oder der Internetblase von 1998-2001. Wie eine Herde Schafe rennen sie den Trends hinterher. FOMO heisst das heute – Fear of missing out. Je mehr Schafe, desto üppiger das Mahl für die Wölfe.

Spekulationsexzesse und Ignoranz der Risiken als Warnsignal

Aus der Distanz des Börsenhistorikers betrachtet, ergeben die Exzesse auf der einen Seite und die ignorierten Risiken auf der anderen Seite ein Bild, wie es geradezu typisch für die letzte Hausse-Phase ist. So erwartete noch im Dezember fast niemand, dass die Renditen der richtungsweisenden 10-jährigen US-Staatsanleihen in 2021 über 1,2% steigen könnten. Inzwischen wurden über 1,7% erreicht, und auch die 2%-Hürde dürfte in den nächsten Tagen fallen. Das Momentum des Renditeanstiegs sei beunruhigend, so etwa lautet der Tenor der Bond-Experten. Die starke Divergenz von Dow-Jones-Index und Nasdaq zeigt schon die Auswirkungen auf die Aktienbörsen.

10-Jahres-Chart US-Staatsanleihen. Quelle: marketwatch.com
Unerwartete Risiken erwarten

Ein Risiko kann nach der Virus-Pandemie jetzt auch noch ein Vulkanausbruch wie der in Island werden. Soweit ist nichts Besonderes an dem Ausbruch, dennoch könnte es als Folge der Tektonik auch wieder einmal zu vulkanischer Aktivität auf Island kommen, die nicht in zwei Tagen oder Wochen vorüber ist. Der Ausbruch des Laki 1783 dauerte acht Monate und hatte weitreichende klimatische und soziale Folgen. In vielen Städten starben bis zu 5% der Bevölkerung an den Giftgasen. Die Missernten nach dem Vulkanausbruch werden heute als ein Grund für die Hungerperiode gesehen, die u.a. zur französischen Revolution beitrug. Beunruhigend ist trotz aller Entwarnungen, dass die Region in den letzten 12 Monaten 40’000 Erdbeben erlebt hat, gegenüber sonst maximal 3’000. Es handelt sich nicht um einen Krater, sondern eine über einer Magmakammer über Kilometer geöffnete Erdspalte.

Immerhin konnte sich Alexander am Ende auf dem Todeslager in Babylon sagen: „Ich sterbe mit der Hilfe vieler Ärzte“, ein Glück, das viele Opfer von Covid und den Folgen nicht haben.

Jungfrau Sports Holding: Barbara Hofer übernimmt Geschäftsführung der Grindelwald Sports AG

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Führungsteam mit Kevin Garley, Leiter Outdoorshop; Chris Almer, Leiter Schneesport; Barbara Hofer, Geschäftsführerin; Tina Gertsch, Leiterin Bergsport. Bild: Jungfrau Sports Holding AG
Führungsteam mit Kevin Garley, Leiter Outdoorshop; Chris Almer, Leiter Schneesport; Barbara Hofer, Geschäftsführerin; Tina Gertsch, Leiterin Bergsport.
Bild: Jungfrau Sports Holding AG

Bei der Jungfrau Sports Holding, einem Anbieter von Outdoor Sport-Aktivitäten im Berner Oberland, kommt es zu einer Rochade in der Geschäftsleitung. Nach der Integration des Eventunternehmens Eiger Vision GmbH in die Jungfrau Sports Holding per 1. Januar 2021 übernimmt Barbara Hofer aus Grindelwald ab dem 1. April 2021 die Geschäftsführung der Grindelwald Sports AG. Sie war zuvor 20 Jahre Geschäftsführerin und Inhaberin der Eiger Vision.

Der bisherige Geschäftsführer der Schweizer Schnee- und Bergsportschule, Johann Kaufmann, tritt nach 14 Jahren als Geschäftsführer aus der operativen Führung der Unternehmung aus. Er wird sich künftig seiner Aufgabe als Group CEO der Jungfrau Sports Holding AG widmen.

Die Aktien der Jungfrau Sports Holding werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt wurden 1’280 CHF für eine Aktie bezahlt.

Nachhaltiges Investment: SIX lanciert ESG-Indizes für den SPI

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Seit dem 1. Februar 2021 gibt es nun zwei ESG-Indizes der SIX, die den SPI als Basis haben. Endlich, werden manche Teilnehmer sagen, doch andere sagen eher: auch noch. Das Thema Nachhaltigkeit hat auf jeden Fall rund um den Globus Einkehr in den Investment-Alltag genommen, und daher ist dieser erste Schritt der SIX grundsätzlich zu begrüssen. Vor allem werden die gestiegenen Informationsbedürfnisse der institutionellen und privaten Investoren erfüllt. Der Finanzplatz Schweiz gewinnt international an Profil.

Seit dem 1. Februar bestehen zwei ESG-Indizes der SIX, die den SPI als Basis haben. Quelle: six-group.com

Immer grössere Anteile der weltweit von Kapitalsammelstellen wie Investment Fonds, Versicherungen und Pensionskassen verwalteten Vermögen werden nach nachhaltigen und verantwortlichen Prinzipien investiert. Und auch ein wachsender Anteil von Privatanlegern will sauber investieren und mit gutem Gewissen schlafen.

Aus der Nische zum Mainstream

Was zunächst als Nische für Philantropen oder bestenfalls kirchliche Vermögensverwaltungen begann, ist 2021 längst zum Mainstream geworden. Je nach Strenge der Kriterien sind bereits weite Teile des globalen Anlagevolumens nachhaltig investiert – so könnte man jedenfalls glauben, folgt man den Schlagzeilen der voll entfesselten Marketing-Maschinerie der Finanzindustrie.

Net-Zero-Ziele der Regierungen

Dies spielt auch den Regierungen in die Hände, die zwar lauthals unerreichbar scheinende Net-Zero-Ziele postulieren, doch die entsprechenden Massnahmen zu wenig und zu spät treffen, um die Dekarbonisierung der Volkswirtschaften tatsächlich spürbar voranzutreiben und die selbstgesteckten Ziele auch zu erreichen, bevor der Planet überhitzt. Zudem scheint den sozialen Aspekten wie der wachsenden Ungleichheit in den aktuellen Debatten zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt zu werden. Wird das nun zur Sache der Multi-Milliardäre wie Jeff Bezos, der seinen 10 Mrd. USD Earth Fund hauptsächlich der sozialen Gerechtigkeit widmen will?

Negativ-Rekorde

In Wirklichkeit ist die Lage des Planeten und seiner Bewohner weit davon entfernt, Grund zur Sorglosigkeit zu bieten: Die Emissionen steuern 2021 auf einen neuen Rekordwert zu, ebenfalls die Temperaturen. Die Gletscher schmelzen oder brechen ab, der Meeresspiegel steigt, und Mikro-Plastik ist mittlerweile nicht nur in der Nahrungskette, dem Wasser und der Luft, sondern sogar bis in die menschliche Plazenta vorgedrungen. Die Anzahl der zweifelsfrei demokratischen Länder nimmt rapide ab, die Freiheit von Presse, Justiz und Minderheiten wird weltweit, aber auch im Herzen Europas wie in Ungarn und Polen eingeschränkt.

ESG-Rating-Agenturen in Schlüsselrolle

Eine wichtige Rolle in der Aufhebung der kognitiven Dissonanzen, die zwischen Behauptungen von Unternehmen, Finanzindustrie und Regierungen auf der einen Seite und der traurigen Realität auf der anderen Seite entsteht, fällt mittlerweile neben den NGOs immer mehr den ESG-Rating-Agenturen zu. Sie bilden einen bestenfalls neutralen Filter für Greenwashing, unfundierte Behauptungen und Fake News aller Art. In der Theorie gleicht ihre Rolle dem Credit Rating, das den Investoren auf analytischer Basis Aufschluss über das wirkliche Financial Standing und jegliche Kredit- und Geschäftsrisiken geben soll.

Unterschiede zum Credit Rating

Doch in der Praxis ist das ESG-Rating kaum vergleichbar. Während das Credit Rating von Standardunternehmen durch z.B. 10 verschiedene Analysten in der Regel allenfalls marginale Differenzen aufweist, zeigt das ESG-Rating regelmässig grosse Unterschiede. Der Grund ist die Methodik. Diverse Studien wie von der MIT Sloan School of Management oder der Harvard Business School belegen die hohen Anwendungs-, Messungs- und Gewichtungs-Divergenzen im ESG-Rating. Im Credit Rating ist dagegen klar, dass es um Bonität, Gewinnspannen und vor allem die Fähigkeit, die Kredite bedienen und zurückführen zu können, geht. Die Finanzmathematik ist vorgegeben und lässt nur begrenzten Spielraum.

Evolution der Rating-Methodik

Im ESG-Rating geht es dagegen nur teilweise um berechenbare Grössen, aber zum überwiegenden Teil um höchst unterschiedlich ausgestaltbare Kriterien, die weder in jedem Fall verständlich und nachvollziehbar sind noch unbedingt einer wissenschaftlichen und ethischen Prüfung standhalten. Die Folge ist ein Nebeneinanderher zahlreicher ESG-Rating-Anbieter, die soweit auch scheinbar alle ihre Kunden finden. Nicht wenige Anlage-Institutionen haben aber ihr eigenes System zur Evaluierung der Nachhaltigkeit entwickelt.

5%-Hürde

In der Praxis setzen sich jedoch die einfachen Lösungen durch. Diesem Weg folgt auch die SIX mit ihrem ESG-Index. Es ist ein breit gefasster Index und sollte somit auch eine hohe Akzeptanz erfahren. Erreicht wird dies durch Konzentration auf den kleinsten gemeinsamen Nenner im ESG-Rating-Dschungel. Wer nicht mehr als 5% seines Umsatzes mit den als kritisch eingestuften Sektoren Glücksspiel, Erwachsenenunterhaltung, Wettspiele, Nuklearenergie, Rüstungsgüter, Kohle, Ölsand, Alkohol, Tabak und Gentechnik erzielt und ein Impact Rating von wenigstens C+ auf der bis D- reichenden Skala erreicht, kann Bestandteil des SPI ESG Index sein.

ESG-Impact

Für das ESG-Rating greift die SIX auf Inrate zurück, eine bereits 1990 gegründete Schweizer Nachhaltigkeits-Ratingagentur, die vor allem Pensionskassen, Versicherungen, Banken, NGOs und Stiftungen zu ihren Kunden zählt. Ein grosses Team deckt nicht nur Aktien, sondern auch Anleihen, Immobilien, Private Equity und Länder ab. Seit 2012 wird mit der ESG-Impact-Methodik gearbeitet. Diese misst und evaluiert die tatsächlichen, positiven wie negativen, Auswirkungen des Wirtschaftens der Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft. Ein guter Ansatz, der auch die SIX überzeugt hat.

Ausschlussliste als Filter

Ist das SPI-Unternehmen nicht wesentlich in den kritischen obengenannten Sektoren aktiv und erreicht mindestens das C+-Rating von Inrate, so ist nur noch eine Hürde zu nehmen. Steht das Unternehmen nicht auf der Ausschlussliste des Schweizer Vereins für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen, so ist es im ESG-Index der SIX enthalten. Das trifft auf die meisten SPI-Unternehmen zu, aber eben nicht auf alle. BKW und Romande Energie sind als Produzenten von Nuklearenergie ebenso ausgeschlossen wie die Gentechnik-Unternehmen Molecular Partners, Evolva und BB Biotech. Weiterhin nicht vertreten sind Dufry, Zur Rose, Swissquote, Arbonia, Huber + Suhner, Valora, Bell Group, AluFlexPack, TX Group, Von Roll, Kudelski, Klingelnberg und eine ganze Reihe weiterer Aktien. Insgesamt ist rund ein Drittel der SPI-Aktien nicht im ESG-Index repräsentiert.

Quelle: six-group.com
Zwei Indexvarianten

Der ESG-Index der SIX wird in zwei Varianten berechnet. Die eine ist an der Marktkapitalisierung der Indexkomponenten ausgerichtet. Kaum überraschend entfällt folglich auf Nestlé 20% der Indexgewichtung. Es folgen Roche und Novartis mit 15% respektive 14%, Zurich mit 4% sowie ABB, UBS, Richemont und Lonza mit je 3%. Die Top 10 machen 69% der Gewichtung aus.

Quelle: six-group.com
Unterschiede

Die zweite Variante ist dagegen anders gewichtet. Hier fällt neben der Marktkapitalisierung auch das ESG-Rating ins Gewicht. Je höher das Unternehmensrating, desto höher die relative Gewichtung. Die Details finden sich hier. Die Entwicklung der beiden Indizes könnte durchaus zeitweilig auseinanderlaufen.

Fazit

Die Lancierung der SIX ESG-Indizes ist ein Fortschritt, denn es erleichtert den Anlegern die Auswahl. Die Kriterien sind so gesetzt, dass unter ESG-Filtern problematische Wirtschaftssektoren ausgeschlossen werden, aber eben nur, wenn diese weniger als 5% des Geschäftsvolumens ausmachen. Dennoch bieten die ESG-Indizes gute Orientierungspunkte. Letztlich trifft der Investor seine Anlageentscheidungen selbst, und so bleibt es ihm auch überlassen, ob er sich mit der 5%-Regel zufriedengibt oder doch kategorisch vorgeht.

Auch die ausgeschlossenen Industrien lassen sich selbst unter ESG-Aspekten kontrovers diskutieren. Manche halten die emissionsarme Nuklearenergie für nachhaltig. Selbst Rüstungsgüter lassen sich zur Verteidigung von Demokratie und Freiheit als nachhaltig für deren Fortexistenz betrachten, wenn auch Landminen und Streumunition ausgeschlossen sein können. Warum Biotechnologie ausgeschlossen ist, aber Chemo-Pharmazeutik nicht, lässt sich ebenfalls hinterfragen. Ist es nicht nachhaltig, dass die mRNA-basierten Vakzine viel effizienter und besser anpassbar an neue Virus-Varianten sind und damit die Pandemie schneller beenden helfen? Und liegt der Gentechnik-Umsatzanteil bei Roche und Novartis und auch Lonza nicht deutlich über 5%?

Am Ende muss jeder Investor selbst bestimmen, was ihm wichtig bei der Anlage ist und was nicht. Die ESG-Indizes der SIX bieten nun eine erste Orientierungshilfe, was die Transparenz erhöht. Das ist löblich, sollte aber nicht mehr als der Anfang einer an vollständiger Transparenz orientierten ESG-Indexologie sein.

inrate-CEO Christoph Müller beantwortet Fragen von Autor Karim Serrar zu den ESG-Kritieren für die neuen SIX-Indizes. 

Immobilien Schweiz: Corona mit geringem Einfluss auf Performance von Renditeliegenschaften

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Die Auswirkungen der Covid-19-Krise auf den Immobilienmarkt sind erstaunlich gering, wie das Beratungsunternehmen IAZI in einer Pressekonferenz mitteilte. Dabei konzentrierte sich Donato Scognamiglio, CEO der IAZI AG, auf die Renditeliegenschaften und deren Performance im vergangenen Jahr. Der aktualisierte IAZI Swiss Property Benchmark zeige erstmals den Einfluss der Corona-Restriktionen auf die Geschäftsabschlüsse der Schweizer Immobilieneigentümer.

Corona-Auswirkungen bekam der digitale IAZI-Pressekonferenzbesucher aber zunächst am eigenen Leibe zu spüren. Zur Eröffnung sprach Scognamiglio minutenlang, aber man hörte ihn nicht. Das setzt sofort Adrenalin frei: Liegt es an einem selbst bzw. an der eigenen Device? Welches Knöpfchen hat man nicht gedrückt oder eben doch, fälschlicherweise? Ist man nach Monaten im Homeoffice immer noch zu doof, um einem Zoom-Talk oder Team-Meeting zu folgen?

Erleichterung deshalb bei der virtuell versammelten Presseschar, als klar war, dass der Fehler beim Absender lag. Dass es also auch andere als einen selbst gibt, die von Zeit zu Zeit Probleme mit den technischen Anforderungen im virtuellen Zeitalter haben.

Jährliche Performance sinkt leicht

Aber zurück zu den Immobilien. Eine Direktanlage sei auch nach einem Jahr Corona ein super Investment, so Scognamiglio, wenn auch nicht mehr ganz so gut wie vor der Pandemie. So sei die jährliche Performance im Geschäftsbereich von 5,2% 2019 auf 4,5% in 2020 gesunken, im Wohnbereich von 7,1% auf 6,7%. «In diesem Jahr haben die Immobilieneigentümer aus unserem Benchmark nicht mehr an den Erfolg von 2019 angeschlossen», sagt Scognamiglio. Angesichts des sehr herausfordernden Corona-Jahres 2020 mit Lock-Downs und zahlreichen wirtschaftlichen Einschränkungen sei dies nicht anders zu erwarten gewesen.

Performance von Wohnliegenschaften nach Kantonen. Quelle: IAZI

Performance von Geschäftsliegenschaften nach Kantonen. Quelle: IAZI

Der Performancerückgang sei auf einen zweifachen Effekt zurückzuführen. Erstens sind die Liegenschaften nicht mehr so stark aufgewertet worden wie Ende 2019. Die Wertentwicklung beträgt gesamthaft per Ende 2020 2,7% (Vorjahr: 3,0%). Noch hohe Aufwertungen erzielten Wohnliegenschaften mit 3,6% (Vorjahr: 3,9%). Am meisten reduziert hat sich die Wertentwicklung bei Geschäftsliegenschaften, dort beträgt der Wert 1,4% (Vorjahr: 1,9%). «Die Bewertungspraxis zeichnet sich insbesondere bei Geschäftsliegenschaften durch grössere Vorsicht aus. Der im letzten Berichtsjahr noch vorherrschende Optimismus ist nun einer pragmatischeren Haltung gewichen», sagt Scognamiglio.

Zweitens sei die Netto-Cashflow-Rendite per Ende 2020 auch rückläufig, während sie im letzten Jahr noch stagniert ist.

Starke Nachfrage nach Lager- und Logistikflächen

Im Geschäftsbereich liefen insbesondere Lager- und Logistikflächen wie verrückt, die Probleme kämen eher auf die Büroflächen zu. Denn dort würde immer weniger Fläche nachgefragt. Allerdings verweist das IAZI auf die Dauer der Mietverträge von durchschnittlich 5 Jahren, weshalb man insgesamt bei den Geschäftsflächen noch keine oder nur geringe Einbussen sehe.

Noch resilienter zeigt sich der Wohnbereich. Denn mit der Verschiebung von Büroarbeitsplätzen ins Homeoffice werden mehr Quadratmeter in den eigenen vier Wänden nachgefragt. Profitieren würden in diesem Segment besonders ländliche Flächen, z.B. in den Kantonen Solothurn oder Graubünden. Denn je mehr sich die tägliche Pendlerei reduziert, desto weiter weg kann man von den urbanen Zentren arbeiten. Die Pendlermobilität liege aktuell um 29% unter Vor-Corona-Werten.

Wachsende Leerstände in Metropolitan-Regionen

Das IAZI weist für 2020 wachsende Leerstände aus, insbesondere in den Metropolitan-Regionen. In Genf mit 12,1% (Vorjahr: 7,2%) und im Kanton Zürich mit 7,1% (Vorjahr: 5,9%) seien sie relativ stark angestiegen im Vergleich zum Vorjahr. «Es ist nicht erstaunlich, dass gerade in den Metropolitanregionen der Anteil der nicht realisierten Mieten hoch ist», sagt Donato Scognamiglio, «denn dort konzentriert sich besonders das von Corona betroffene Wirtschaftsleben.» Das IAZI definiert höhere Leerstände über nicht realisierte Mieten, weshalb die Zahlen hier etwas höher ausfallen als beim Bundesamt für Statistik.

Nicht realisierte Mieten in Geschäftsliegenschaften nach Kantonen. Quelle: IAZI

Auf der Kostenseite konstatiert IAZI, dass viele Eigentümer nun die Investitionen nachholen, die sie im letzten Jahr aufgeschoben hatten. Insgesamt wurden 25% mehr Renditeliegenschaften im 2020 saniert als im 2019. Auch im Verhältnis zur Fläche wurde mehr investiert. Die Investitionen betragen per Ende 2020 gesamthaft CHF 29.00/m², während sie per Ende 2019 CHF 24.20/m² betrugen. Besonders bei Geschäftsliegenschaften seien die Investitionen stark angestiegen. Offenbar konnten Immobilieneigentümer die Zeit der Lockdowns nutzen, um Sanierungen voranzutreiben, schliesst IAZI.

Fazit

Bisher sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Immobilienmarkt nur sehr gering. Die Preise steigen weiter, wenn auch nicht mehr so schnell wie 2019. Aber es ist wohl noch zu früh, um Entwarnung zu geben. Scognamiglio sieht zwar keinen Crash am Horizont, aber man weiss schlicht nicht, wie sich die Nachfrage nach Geschäftsflächen und insbesondere Büroflächen in der Zukunft entwickeln wird.

Quelle: IAZI

Diejenigen, die Wohnliegenschaften anbieten, scheinen zurzeit klar im Vorteil zu sein, was sich auch an der Börsenperformance kotierter und nicht kotierter Immobilienfirmen ablesen lässt. Hier leiden insbesondere jene Anbieter, die „Urban“ oder „Commercial“ in ihren Firmennamen integriert haben.

Die Region Solothurn, die das IAZI in der Vergangenheit immer wieder als Negativbeispiel wegen hoher Leerstände angeprangert hat, erwähnt Scognamiglio zum ersten Mal positiv. Corona sei hier das beste Förderprogramm für die Region gewesen, meint er mit einem Augenzwinkern.

Marc E. Possa, Sara Select: «Die Gewinner von gestern sind auch die Gewinner von morgen»

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Der SaraSelect der VV Vermögensverwaltung AG ist ein reiner Aktienfonds und gehört zur Flagship-Palette der Bank J. Safra Sarasin AG. Der Anlagefonds wurde im Jahr 1996 aufgelegt und investiert in Schweizer Nebenwerte, mit Fokus auf Qualität und Stabilität, und hat deshalb einen hohen Bezug zum Small-Cap-Segment. Mit rund 1 Mrd. CHF  gehört der Fonds zu den Schwergewichten in diesem Bereich. Im Gegensatz zu vielen anderen Small-&-Mid-Cap-Fonds wird ein von der Benchmark unabhängiger Ansatz verfolgt.

Marc E. Possa verantwortet seit Mitte 2011 das Portfoliomanagement des Fonds SaraSelect und ist Geschäftsführer der VV Vermögensverwaltung AG in Zug. Im Videoausschnitt oben wirft Possa einen Blick auf den weiteren Verlauf des Anlagejahrs.

Wie schätzen Sie zurzeit die Situation auf den Finanzmärkten ein?

Die Situation ist natürlich zuallererst von der Zinslandschaft beeinflusst. Wir haben die ersten Anstiege um 100 Basispunkte in den USA gesehen, bei denen die Anleger schon etwas nervös wurden. Die Tragbarkeit von höheren Zinsen ist aber nicht gegeben und wird auch weiterhin nicht gegeben sein mit den Budgetdefiziten, die sich anhäufen – dies auch schon vor der Covid Krise.

Sie gehen also weiterhin von Tiefstzinsen aus?

Ja, vor allem in der Schweiz, die sozusagen ein Derivat der Zinslandschaften im Euroraum und in den USA ist. Wenn wir den Negativzins hierzulande anheben wollten, würde das bedeuten, dass im Euro und im Dollar viel höhere Zinsen vorherrschen. Also bleiben wir vorerst im Negativbereich, was die relative Attraktivität von Aktienanlagen weiterhin steigert.

Wie sah Ihre Fonds-Performance im von Corona geprägten 2020 aus?

Ich möchte hier unterscheiden zwischen absoluter und relativer Performance. Im absoluten Kontext hatten wir ein sehr volatiles Jahr, wir waren im März-Tief bei -30% und haben das Jahr bei 26% im Plus beendet. Wahnsinnige Schwingungen also, ohne dass wir gross etwas geändert hätten. Im Gegenteil: Wir haben fast nichts gemacht. Wir haben nur wenig dazugekauft in den ganz schwachen, düsteren Tagen im März letzten Jahres.

Ich habe immer noch überdurchschnittlich viel Cash, vom Reglement her kann ich 10% halten, aktuell bin ich bei 7%. Ich glaube, die V-Kurven-Erholung ist zu schnell gegangen. Die Volatilität wird anhalten, das System benötigt sie auch. Deshalb brauche ich etwas Pulver an der Seitenlinie.

Im relativen Kontext waren wir deutlich über der Benchmark, die 8% gemacht hat – wir haben also 18 Prozentpunkte in einem Kalenderjahr outperformt. Das zeigt, dass sich die Qualität unserer Anlagen auszahlt, dass Marktführerschaft einschenkt. Viele Gesellschaften unseres Portfolios konnten im vergangen Jahr organisch Marktanteile hinzugewinnen. Die billige Konkurrenz Asiens und insbesondere Chinas hat es mit den Volumenrückgängen weggeblasen; die Gewinner sind die Qualitätsführer, insbesondere im Industriebereich.

Wenn wir einen Blick vorauswerfen auf die Zeit nach der Pandemie – müssten Sie dann nicht Ihr Portfolio anpassen?

Ich bin kein Pandemiegewinner per se, da ich weder überdurchschnittlich in Technologie noch in Healthcare investiert bin. Mein strukturelles Übergewicht, das ich immer schon hatte, liegt in einem substanziellen Mass in Industriewerten. Natürlich ist der eine oder andere Wert tech- oder healthcare-lastig, aber den ganz puren Healtcare- oder Tech-Profiteur spiele ich nicht.

Ich bin aber überzeugt, dass es eine Übersetzung der Bits and Bytes in ein industrielles Korsett braucht. Und im Bereich der Mechatronics ist die Schweiz sehr stark.

Bachem ist eine Ihrer grössten Positionen. Warum?

Bachem hatte schon immer ein grosses Übergewicht im Fonds, vor allem im relativen Kontext. Ich war im letzten Jahr immer wieder dazu gezwungen zu verkaufen, weil ich im Fonds nicht mehr als 10% in eine einzelne Position investieren darf, und bei Bachem lag ich wiederholt darüber.

Obwohl die Aktie teuer geworden ist und irgendwann bei 70 CHF notierte, glaube ich, dass gut positionierte Gesellschaften teuer sein müssen, wenn sie Marktführer sind und strukturelles Wachstum in der Zukunft ausweisen. Und beides ist bei Bachem der Fall. Die kürzlich veröffentlichten Geschäftszahlen 2020 haben die sehr hohe Erwartungen nochmals übertroffen und zeigen, dass die Nachfrage nach Wirkstoffen auf Basis von Peptiden oder Oligonucleotiden weiterhin gross ist.

Sie haben neu den Photovoltaik-Produzenten Meyer Burger in Ihren Fonds aufgenommen und damit zur Rettung des kurz vor dem Konkurs stehenden Unternehmens beigetragen. Wie kam es dazu?

Das war eine sehr spannende Ausgangslage. Die Kapitalerhöhung an der letzten GV war vital für das Unternehmen, die Gesellschaft wäre sonst in den Konkurs gegangen. Das eine Szenario war, die Bilanz zu deponieren, das andere, das glücklicherweise auch realisiert wurde, die benötigten 165 Mio. CHF aufzutreiben, um den strategischen Umschwung begleiten und finanzieren zu können. Es sah dann so aus, als ob es knapp werden könnte, und da sind wir eingesprungen.

Dieses Investment entspricht eher nicht Ihren sonstigen Engagements. Warum sind Sie so überzeugt von der Trendwende bei Meyer Burger?

Das war eine unübliche Transaktion von uns. Normalerweise haben wie gerne stabile, solide Weltmarktführer in unserem Portfolio. Bei Meyer Burger ist die Solidität insofern gegeben, als dass das Unternehmen als Pionier die ganze Solarindustrie entwickelt und mit hervorragenden Maschinen China ausgerüstet hat, das dann quasi den Markt kaputt gemacht hat. Jetzt wurde die Strategie dahingehend geändert, dass man sagt, wir sind Innovationsführer und behalten die Innovationen für uns. Somit wird Meyer Burger die besten Module und Zellen mit den höchsten Effizienzgraden anbieten und damit eine gewisse Prämie einstreichen können. Das ist ein ganz anderes Geschäftsmodell. Jetzt kontrolliert man die Innovation, die Maschinen, und damit das Angebot und wird der Verlockung mit China, der man vor 15 Jahren erlegen ist, nicht wieder nachgeben.

Dazu kommt der politische Rückenwind, Stichwort Energiewende. Solar- und Windenergie sind in aller Munde, Klimaziele müssen erreicht werden, und in den USA ist mit der Wahl von Biden zum US-Präsidenten ein zusätzliches letztes Element dazugekommen. Der Rückenwind ist extrem stark, Meyer Burger kann eigentlich nur an sich selbst scheitern – aber das werden sie nicht.

Im Small-Cap-Bereich halten Sie die Position Klingelnberg. Warum investieren Sie in diesen Automobilzulieferer?

Auch hier sprechen wir über einen Weltmarktführer in einem Bereich, der in den letzten Jahren stark negativ geprägt war. Schon bevor Covid ausgebrochen ist, befand sich die Automobilindustrie in einer schweren Krise. Viele Konsumenten waren sich in den Auswahlmöglichkeiten nicht sicher. Was ist jetzt das richtige System, was ist zukunftsträchtig, was wird politisch wie gefördert? Deshalb ist die Nachfrage nach Fahrzeugen z.B. in Deutschland, die durchschnittlich bei 5,5 Mio. Fahrzeugen pro Jahr lag, massiv eingebrochen. Jetzt kommt der Nachholbedarf, den man schon nach der Finanzkrise sah. Es wird evident, wohin die Reise geht, welche Subventionen gewährt werden – z.B. 7‘500 EUR für ein Elektroauto.

Trotzdem wird es weiter konventionellen Antrieb geben. Bei den Hybrid-Fahrzeugen, die im Moment noch en vogue sind, hat man sogar beide Welten in einem. Das schafft viele Opportunitäten für die Zulieferer, auch aus der Schweiz heraus.

Klingelnberg hat ein System entwickelt, das einen intelligenten Autokorrektur-Mechanismus beinhaltet. Damit wird die Maschine in Bruchteilen einer Sekunde lernfähig und kann Abweichungen über einen closed-loop korrigieren. Damit können präzisere Schliffe und in der Folge effizientere Getriebe produziert werden, die weniger Strom oder Benzin verbrauchen. Man ist mit Lösungen für die Windturbinen zudem auch in einem stark wachsenden Bereich.

Von welcher Performance der Märkte und Ihres Fonds gehen Sie in 2021 aus?

Es wird sicher das eine oder andere IPO oder SPAC kommen, mit dem wir uns auseinandersetzen dürfen. Das wird eine der Herausforderungen in diesem Jahr. Fondsseitig werden wir nicht viel ändern müssen. Wir sind gar nicht in Turnaround-Kandidaten wie Dufry, Valora oder Flughafen Zürich investiert, die massivst abgeschlachtet wurden, bei denen man aber auch sagen kann, dass sie wieder aufstehen, zumindest partiell, wenn sich die Covid-Krise legt. Deshalb könnten wir im relativen Kontext etwas zurückkommen. Wenn wir im letzten Jahr also die Benchmark um 18 Prozentpunkte geschlagen haben, könnten wir dieses Jahr eine Underperformance gegenüber der Benchmark von ein paar Prozent sehen. Langfristig aber sollten die Gewinner von gestern auch die Gewinner von morgen sein. Eine durchschnittliche Performance von ca. 8% ist erwartbar.

Herr Possa, herzlichen Dank für dieses Gespräch.

AZ Medien: Die Familie Wanner will ihre Kleinaktionäre loswerden

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Mit dem Slogan "Haltung zeigen - watson lesen", wirbt das zur AZ Medien AG gehörende Newsportal, das 2020 erstmals schwarze Zahlen geschrieben hat. Bild: schweizeraktien.net

Der Strukturwandel und die Corona-Krise machen den Schweizer Medienunternehmen zu schaffen. Einer der vier grossen Player in der Konsolidierung ist die AZ Medien-Gruppe in Baden. Vor sieben Jahren startete das Unternehmen mit dem Newsportal watson ein riskantes Venture, um den Anschluss an die digitalen Medienangebote nicht zu verlieren. Gleichzeitig wurde in neue Druckmaschinen investiert. Auch im Bereich Bewegtbild wollten die Badener mitmischen und kauften kurzerhand eine Reihe von regionalen und überregionalen TV-Sendern auf.

CH Media und watson als grösste Assets
Mit dem Slogan „Haltung zeigen – watson lesen“, wirbt das zur AZ Medien AG gehörende Newsportal, das 2020 erstmals schwarze Zahlen geschrieben hat. Bild: schweizeraktien.net

Doch der ganz grosse Coup gelang Ende 2017: Verleger Peter Wanner fand mit Etienne Jornod, dem VR-Präsidenten der AG für die Neue Zürcher Zeitung, einen Partner. Jornod suchte eine Lösung für seine Regionalblätter St. Galler Tagblatt und LZ Medien. Und Wanner brauchte einen Plan, um mit seiner Aargauer Zeitung sowie dem Sonntagsblatt «Schweiz am Wochenende» in der Schweizer Zeitungslandschaft neben Tamedia noch eine wichtige Rolle spielen zu können. Flugs gründeten die beiden das Konstrukt CH Media, in das sämtliche Zeitungstitel, die Fachverlage und die regionalen TV- und Radiosender eingebracht wurden. Seither halten die AG für die NZZ über ihre Tochter Regionalmedienholding (RMH) und AZ Medien je 50% an der CH Media AG. Die CH Media AG, die Watson-Muttergesellschaft Fixxpunkt AG sowie einige Immobilien verblieben nach der Transaktion als die grössten Assets in der AZ Medien AG.

Familie Wanner bietet 1’200 CHF je Aktie

Nun will Verleger Peter Wanner die über 500 Kleinaktionäre der AZ Medien loswerden. Seine BT Holding, die nach eigenen Angaben 91.5% der AZ Medien-Aktien besitzt, bietet einen Preis von 1’200 CHF je Aktie. In einem Interview mit dem Branchendienst persoenlich preist Wanner das Angebot an und sagt, dass seine Familie «aus Verbundenheit mit den Aktionären» bereit sei, etwas mehr zu zahlen als die 1’071 CHF, die die Wirtschaftsprüfer von Ernst&Young als «fairen Wert» errechnet haben. Wanner schiebt auch gleich eine sanfte Drohung hinterher: Wenn sich jemand weigere, seine AZ Medien-Aktien der BT Holding AG zu 1’200 CHF zu verkaufen, werde der Verwaltungsrat an der Generalversammlung eine Barabfindungsfusion beantragen. Nicht verkaufswillige Aktionäre erhielten dann nur die 1’071 CHF, die Ernst&Young errechnet habe – 129 CHF weniger.

Freie Bahn für die nächste Verleger-Generation

Juristisch ist dies alles korrekt. Da es sich bei der AZ Medien AG nicht um eine börsenkotierte Gesellschaft handelt, reichen die 90% der Aktien aus, um eine sogenannte «Absorptionsfusion» durchzuführen. Die Familie Wanner kann also ihre Minderheitsaktionäre auf diesem Weg aus dem Aktionariat hinausdrängen. Als Grund für die Massnahme nennt Wanner die Nachfolgeregelung in seinem Unternehmen. Seine Kinder Michael, Anna und Florian sind bereits für die AZ Medien-Gruppe tätig und auch im Verwaltungsrat vertreten. «Wir erhöhen die unternehmerische Handlungsfreiheit und Agilität, die in diesen anspruchsvollen Zeiten besonders wichtig sind», begründet er den Schritt. Zudem schaffe der Rückkauf klarere Verhältnisse im Hinblick auf den anstehenden Übergang des Unternehmens zur fünften Generation, so Peter Wanner im persoenlich-Interview.

Seit vier Jahren keine Dividenden
Mit den Aktien der AZ Medien war in den letzten Jahren nichts zu verdienen. Chart: otc-x.ch

Doch ist das Ganze den Minderheitsaktionären gegenüber auch fair? Immerhin mussten diese in den letzten Jahren das Risiko des Um- und Ausbaus der AZ Medien mittragen und seit 2017 auf Dividendenzahlungen verzichten. Auch für 2020 wird es keine Ausschüttung geben. Der Aktienkurs der auf OTC-X gehandelten Aktien befindet sich auf einem Fünfjahrestief. Jetzt, wo sich die Investitionen der Gruppe offenbar auszuzahlen beginnen, sollen die Minderheitsaktionäre nicht mehr dabei sein. Nach ersten Angaben der AZ Medien – der Geschäftsbericht für 2020 liegt noch nicht vor – betrug der Umsatz 233 Mio. CHF, und unter dem Strich konnte trotz Corona-Pandemie noch ein Gewinn von 10.1 Mio. CHF erzielt werden. Sparmassnahmen, Kurzarbeitsentschädigung und die Mediennothilfe des Bundes haben das Resultat gerettet. Ebenso heisst es, dass watson die Werbeerträge habe «massiv steigern» können und erstmals schwarze Zahlen erzielt habe.

Keine Details zum Bewertungsgutachten

schweizeraktien.net hat daher nach den Details zur Unternehmensbewertung bei Michael Wanner nachgefragt. Da zeigt sich das Medienunternehmen jedoch sehr zugeknöpft. «Das Bewertungsgutachten von Ernst & Young wurde vor dem Hintergrund und zu Zwecken einer möglichen Abfindungsfusion erstellt, weshalb der Verwaltungsrat der AZ Medien AG beschlossen hat, dass dieses Gutachten nicht an Dritte abgegeben werden kann», lässt Finanzchef Markus Müller auf Anfrage verlauten. Noch so viel teilt der CFO mit: «Die Bewertung der AZ Medien AG resp. einer AZM-Aktie per 1. Januar 2021 basiert auf einer Sum-of-the-Parts-Betrachtung, d.h. die Summe der fairen Marktwerte der einzelnen Beteiligungen, unter Berücksichtigung der Kosten der Holding und verbleibenden Nettoaktiven sowie von ausserbilanziellen Risiken aus Aktionärsbindungsverträgen. Die Bewertung der einzelnen Beteiligungen CH Media und FixxPunkt / watson basiert jeweils auf einer DCF-Bewertung, welcher die aktuell gültigen Budgets und Mittelfristplanungen zugrunde liegen.» Das bietet sehr viel Interpretationsspielraum.

Steuerwert ohne Zusammenhang mit Unternehmenswert?

Auf den Hinweis, dass der Steuerwert einer AZ Medien-Aktie per Ende 2020 auf 1’150 CHF festgelegt wurde und damit über dem von den EY-Experten berechneten Wert liegt, meint Müller in einer e-Mail: «Ein von der Steuerbehörde festgelegter Wert beruht auf der Vergangenheit und hat keinerlei Zusammenhang mit einer effektiven Unternehmensbewertung». Auch dieses Argument lässt aufhorchen. Soll der Steuerwert keinen Zusammenhang mit einer effektiven Unternehmensbewertung haben? Dieser errechnet sich allerdings bei nicht kotierten Aktien gemäss einem Dokument der Schweizerischen Steuerkonferenz aus Ertrags- und Substanzwert. In einigen Fällen orientieren sich die Steuerverwaltungen  allerdings auch an den Kurse, die ausserbörslich für die Aktie bezahlt werden. Denn bei börsenkotierten Gesellschaften ist der letzte Kurs am letzten Handelstag massgeblich für den Steuerwert. Ganz zusammenhanglos mit der effektiven Unternehmensbewertung scheint der Steuerwert dann doch nicht zu sein.

Interessant ist zudem das Argument, der Wert beruhe auf der Vergangenheit. Die Konklusion im Falle der AZ Medien müsste lauten, dass die Gesellschaft in der Vergangenheit mehr wert war, als sie es in Zukunft sein wird. Angesichts der Tatsache, dass watson nun die Gewinnschwelle erreicht hat, klingt dieses Argument nicht gerade überzeugend. Zudem sagt Peter Wanner, dass sich der Werbemarkt erholen werde, wenn die Covid-Krise ausgestanden sei. Doch von dem möglichen Aufschwung des Werbemarktes können die Minderheitsaktionäre der AZ Medien dann nicht mehr profitieren. Sie wurden dann zu tiefen Preise ausgekauft.

Fazit

Es ist zu begrüssen, dass die Familie Wanner in der Vergangenheit den unternehmerischen Mut besass, in neue Produkte wie watson zu investieren. Ebenso ist es zu begrüssen, dass die nächste Generation der Verlegerfamilie Verantwortung übernimmt und die AZ Medien-Gruppe in die Zukunft führen möchte, statt den Verlag an ein grösseres Medienunternehmen oder einen Finanzinvestor zu verkaufen. Begrüssenswert ist es auch, dass die junge Verlegergeneration weiter auf Publizistik und vor allem regionale Inhalte setzen möchte.

Allerdings ist es schade, dass die loyalen rund 500 Minderheitsaktionäre nun abgefunden und aus dem Unternehmen herausgedrängt werden, nachdem sie der AZ Medien viele Jahre auch in schwierigen Zeiten die Treue gehalten und auch auf Dividenden verzichtet haben. Ob ein Preis von 1’200 CHF für eine Aktie nun „fair“ ist, lässt sich ebenfalls schwer beurteilen, da das Gutachten von EY offenbar unter Verschluss bleibt. Auch eine Second Opinion soll nicht eingeholt werden. 

Bei einem Kaufpreis von 1’200 CHF je Aktie beträgt die Marktkapitalisierung für die gesamte AZ Medien AG gerade einmal 90.72 Mio. CHF. Die Familie Wanner zahlt also für die ausstehenden Anteile nur das 9fache des für 2020 ausgewiesenen Jahresgewinnes von 10.1 Mio. CHF  oder knapp 40% des Umsatzes. Digitale Medienfirmen, zu denen auch watson gehört, werden von Investoren oftmals mit einem Vielfachen der Umsätze bewertet, ohne dass die Unternehmen bereits Gewinne ausweisen.

Gut möglich, dass der Aktienkauf auch nur ein nächster Konsolidierungs-Schritt in der Schweizer Medienlandschaft ist: Denn nach zehn Jahren hat AZ Medien die Option, weitere Anteile an dem Joint Venture CH Media von der NZZ Mediengruppe zu erwerben. Unter gewissen Bedingungen kann auch die NZZ ihren CH-Media-Anteil an die AZ Medien verkaufen. Es ist daher gut möglich, dass dieser Schritt schon früher erfolgt.

Zuletzt wurden auf der Handelsplattform OTC-X der BEKB 1’210 CHF für eine AZ Medien-Aktie gezahlt.

schweizeraktien.net – Die Woche | 15. März 2021

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In unserem Newsletter vom 8. März haben wir u.a. über öffentliche Gelder für die Bergbahnen-Branche geschrieben. Und dazu angeregt, den Nutzen dieser Gelder genauer zu hinterfragen. Nun hat in der letzten Woche das Berner Kantonsparlament den Antrag für einen Kredit des Kantons über 9.5 Mio. CHF zur Sanierung der Schynige-Platte-Bahn (SPB) im Berner Oberland zurückgewiesen. Begründet wurde die Rückweisung damit, dass diese Bahn ausschliesslich für touristische Zwecke genutzt werde und der Kanton über seine 34%ige Beteiligung an den Berner Oberland Bahnen (BOB), zu der auch die SPB gehört, nur einer von vier Aktionären der Ausflugsbahn sei. Weitere Aktionäre der BOB sind mit 36% der Bund, mit 12% die Rolly Fly SA Holding und mit 8% die Jungfraubahnen. Auch die anderen Aktionäre sollten einen Beitrag zu der Sanierung leisten, hiess es. Man darf gespannt sein, wie diese nun reagieren. Jungfraubahn-CEO Urs Kessler hat jedenfalls schon mal abgewunken.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Name Rolly Fly SA Holding. Die Gesellschaft des 2019 verstorbenen deutschen Eisenbahnunternehmers Rolf Georg taucht noch bei weiteren Schweizer Bahngesellschaften auf, so etwa bei der BLS und der kleineren Westschweizer Montreux -erner-Oberland-Bahnen (MOB), welche u.a. die sogenannte «GoldenPass Linie» betreibt. Dort war Rolly Fly per Ende 2019 mit 7,8% grösster privater Aktionär nach dem Bund (43,1%) und den Kantonen Bern (18,8%) und Vaud (17,4%).

Wie auch bei der BOB hat Rolf Georg bei der BLS u.a. Dividendenzahlungen gefordert, die unter Hinweis auf die eisenbahngesetzliche Reservenbildung und eine Substanzstärkung mittels Dividendenverzicht regelmässig abgelehnt wurden. Wie es mit der Rolly Fly weitergeht, ist derzeit zumindest öffentlich nicht bekannt. Ein aktueller Eintrag in das Handelsregister verrät jedenfalls, dass Rolly Fly im Dezember 2020 seinen Firmensitz von Chur nach Interlaken verlegt hat. Mit der Sitzverlegung wurden auch die Gremien neu besetzt.

Insgesamt rufen die komplizierten, historisch gewachsenen Besitzverhältnisse – unabhängig von Rolly Fly – bei Bahnen wie BLS, MOB und BOB, die am Ende alle abhängig von Abgeltungen der öffentlichen Hand sind, nach einer Bereinigung. Der Zeitpunkt wäre nach den zu erwartenden Verlusten durch die Corona-Pandemie, die am Ende auch der Steuerzahler trägt, recht günstig. Auch angesichts des Skandals rund um die BLS wäre eine klarere Führungsstruktur begrüssenswert.

Zurzeit läuft die Generalversammlungs-Saison wieder an. Auch in diesem Jahr werden die meisten GVs wohl nach der Covid-Verordnung ohne Präsenz der Aktionäre stattfinden. Nur wenige, gerade kleinere Gesellschaften, warten noch auf die nächsten Lockerungsschritte und hoffen auf eine Präsenz-GV. Dies jedenfalls war das Feedback von den Referenten an unserem Webinar von letzter Woche.

Zurück zur Präsenz-GV heisst es wohl auch im kommenden Jahr. Sofern die Covid-Verordnung nicht nochmals verlängert wird, sind ab 2022 Generalversammlungen wieder als normale Präsenz-Generalversammlungen angesagt. Denn die Aktienrechtsrevision, die eine Durchführung von «virtuellen GVs» möglich macht, tritt wohl erst Anfang 2023 in Kraft. Dies haben Recherchen von schweizeraktien.net ergeben.

An den Börsen bleibt es weiterhin spannend, nachdem die grossen Indizes wie DAX und Dow Jones in der letzten Woche wieder einmal Höchststände erklommen haben. Wie es mit den Schweizer Small- und Mid-Cap-Aktien weitergeht, dazu gibt in der kommenden Woche Fondsmanager Marc Possa in unserem Portfoliotalk Auskunft. Wir sind gespannt.

Wir wünschen Ihnen eine erfolgreiche Woche.

Aktuelle Artikel vom schweizeraktien.net-Team




Aktienrechtsrevision: Inkrafttreten nicht vor 2023 zu erwarten

Aktienrechtsrevision: Inkrafttreten nicht vor 2023 zu erwarten

Eigentlich sollten Generalversammlungen ab 2022 nach Inkrafttreten der Aktienrechtsrevision rein «virtuell» möglich sein. Damit wäre ein nahtloser Übergang von der Covid-GV zur «virtuellen GV» ohne Präsenz der Aktionäre gewährleistet. Doch daraus wird nichts, wie Recherchen von schweizeraktien.net ergaben. In unserem Webinar diskutierten wir mit Experten über diese neue Ausgangslage.

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Clientis: Regionalbankengruppe erneuert bis 2022 ihre Serviceplattform

Clientis: Regionalbankengruppe erneuert bis 2022 ihre Serviceplattform

Die 14 Regionalbanken der Clientis-Gruppe sind bisher gut durch die Corona-Krise gekommen. Kundengelder (+14,1%) und Ausleihungen (+4,4%) legten kräftig zu. Der konsolidierte Gewinn lag mit 60.5 Mio. CHF nur knapp unter dem Vorjahreswert. Im Fokus der Bankengruppe steht bis 2022 nun die Erneuerung der Serviceplattform. Mit einer offenen Plattformarchitektur sollen auch weitere Banken für die Dienstleistungen gewonnen werden.

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BLS: Schwere Zeiten für das zweitgrösste Schweizer Bahnunternehmen

BLS: Schwere Zeiten für das zweitgrösste Schweizer Bahnunternehmen

Das Berner Bahnunternehmen BLS hat in den letzten Jahren viele Verfehlungen zu verantworten. Dazu muss die BLS noch die Corona-Krise meistern. In unserem Beitrag im Dezember 2020 haben wir schon die Aktionärsstruktur der Gesellschaft kritisch hinterfragt.

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Espace Real Estate: Webcast zum Geschäftsjahr 2020

Espace Real Estate: Webcast zum Geschäftsjahr 2020

Die Immobiliengesellschaft Espace Real Estate AG steigerte die Erträge aus Vermietung im 2020 um 7,3% auf 34.6 Mio. CHF. Auch der Gewinn fiel mit 22.0 Mio. CHF ein Drittel höher aus als im Vorjahr. Die Dividende steigt auf 5.25 CHF. Im Webcast nehmen VR-Präsident Dr. Andreas Hauswirth und CEO Lars Egger zum Jahresabschluss 2020 Stellung und geben einen Ausblick.

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Was uns im Netz sonst noch aufgefallen ist…




Die Erneuerung der Schynige Platte-Bahn ist nicht vom Tisch, sondern wird dringender

Die Erneuerung der Schynige-Platte-Bahn ist nicht vom Tisch, sondern wird dringender

Das Berner Kantonsparlament weist einen Kredit für die Sanierung der Ausflugsbahn zurück. Die Politiker sehen nicht ein, warum der Kanton alleine für die Sanierung zahlen soll und andere Aktionäre wie der Bund und die Jungfraubahn sich nicht beteiligen müssen. In der lokalen «Jungfrauzeitung» nimmt der Berner Verkehrsdirektor Christoph Neuhaus dazu Stellung.

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Eine Aktie für 30 Rappen – Weshalb die BLS immer noch private Aktionäre hat

Eine Aktie für 30 Rappen – Weshalb die BLS immer noch private Aktionäre hat

Sie ist eine Kuriosität auf der Handelsplattform OTC-X: die Aktie der BLS AG. Wie die Tageszeitung «Der Bund» berichtet, waren Versuche einer Bereinigung des Aktionariats in der Vergangenheit erfolglos. Und sie werden es wohl auch in Zukunft bleiben, weil weder Bund noch Kanton Bern Geld für ein Kaufangebot an die Minderheitsaktionäre in die Hand nehmen werden. (Login notwendig)

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Geschäftsbericht 2020 - Hof Weissbad AG erzielt gutes Jahresergebnis

Geschäftsbericht 2020 – Hof Weissbad AG erzielt gutes Jahresergebnis

Das OTC-X gelistete Hotel «Hof Weissbad» im Kanton AI ist eines der erfolgreichsten Hotels der Ostschweiz, obwohl (oder weil?) nur 3% der Gäste aus dem Ausland stammen. Dieser überdurchschnittlich hohe Anteil an Inlandgästen hat geholfen, den coronabedingten Schaden einzudämmen. Nach 19 Jahren im Amt tritt zudem Sepp Breitenmoser anlässlich der GV vom 9. April 2021 als VRP zurück und übergibt das Amt an Thomas Rechsteiner…

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Säntis Schwebebahn AG: Auf Bruno Vattioni folgt Martin Sturzenegger

Säntis Schwebebahn AG: Auf Bruno Vattioni folgt Martin Sturzenegger

Martin Sturzenegger wird ab dem 1. Januar 2022 neuer Geschäftsführer der auf OTC-X gelisteten Säntis-Schwebebahn AG und damit Nachfolger von Bruno Vattioni, der ab dem kommenden Jahr nach 20 Jahren Säntis-Schwebebahn AG pensioniert wird. Eine interessante Personalie, die aufhorchen lässt – hat Martin Sturzenegger bei Zürich Tourismus in seiner achtjährigen Amtszeit doch einiges angestossen. Nun steht aber der Wechsel von der Stadt aufs Land bevor… Anlässlich dieser Personalie hat das Online-Portal «Die Ostschweiz» Kurzinterviews mit Martin Sturzenegger und dem amtierenden VRP Michael Auer publiziert.

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Kommt jetzt der grosse Boom?

Kommt jetzt der grosse Boom?

watson.ch fragt sich, ob mit dem US-amerikanischen Corona-Hilfspaket der Startschuss für eine kräftige Erholung der Weltwirtschaft gefallen ist – ohne am Ende eine Antwort darauf liefern zu können. Alles ist möglich. Klar scheint – auch uns – nur: Die systemischen Risiken werden nicht geringer…oder nach einem alten Sprichwort: «Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.» Anleger sind gut beraten, nicht alles auf den «grossen Boom» zu setzen…

Zum Beitrag «Kommt jetzt der grosse Boom?»


Spac-Boom: Die SIX fällt zurück

Spac-Boom: Die SIX fällt zurück

nzz.ch berichtet, dass die Schweizer Börse um neue attraktive Unternehmen kämpft – bisher allerdings eher auf verlorenem Posten. Im vergangenen Jahr gab es kein «richtiges» IPO, lediglich zwei Abspaltungen mit INA Invest und V-ZUG. Die Schweiz steht im grossen «Spac-Spiel» bis jetzt nur an der Seitenlinie. Gregor Greber von der Beteiligungsgesellschaft Veraison und Mitstreiter aus dem Umfeld der börsenkotierten VAT Group AG stehen nun allerdings in den Startlöchern für den ersten Schweizer Spac… (Login notwendig)

Zum Beitrag «Spac-Boom: Die SIX fällt zurück»


Digital-Künstler flippt nach Auktion aus – Kunstmarkt spielt verrückt: 69 Millionen für ein Pixel-Bild

Digital-Künstler flippt nach Auktion aus – Kunstmarkt spielt verrückt: 69 Millionen für ein Pixel-Bild

Ohne Worte… Vielleicht sind wir aber auch nur zu «alt», um diesen «Wahnsinn» zu verstehen…Wer, um Himmels Willen, zahlt so viel Geld für eine – zumindest in der Bildbetrachtung – beliebig kopierbare «digi­ta­le Besitz­an­zei­ge in einer Daten­bank» (F.A.Z.)?

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Espace Real Estate: Gewinnsteigerung und Dividendenerhöhung

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Wie sich schon nach dem ersten Halbjahr abgezeichnet hatte, setzte Espace Real Estate den Erfolgskurs auch im Pandemiejahr 2020 fort. Der um 30,8% auf 22 Mio. CHF erhöhte Reingewinn erlaubt auch einen um 0.50 CHF auf 5.25 CHF angehobenen Dividendenvorschlag.

Das Geschäftsjahr 2020 war für Espace Real Estate wiederum das Beste der Geschichte. Auch wenn auf steuerliche Sondereffekte 4.5 Mio. CHF und auf Neubewertungen des Immobilienbestandes 1.3 Mio. CHF entfielen: Der bereinigte Jahresgewinn erreichte mit 16.4 Mio. CHF ebenfalls Rekordniveau. Der prozentuale Anstieg beläuft sich auf 21%.

Quelle: Geschäftsbericht 2020 Espace Real Estate

Sinkende Leerstandsquote

Die Anzahl der bewirtschafteten Liegenschaften reduzierte sich zum Bilanzstichtag um eine auf 59. Die Anzahl der Mieter stieg jedoch um 10‘% auf 1’443. Das ist auf Neuvermietungen sowie die Reduzierung der Leerstandsquote zurückzuführen. Diese fiel von 6,67% um mehr als einen Prozentpunkt auf 5,62%.

Buchwert steigt auf 167 CHF

Der Gewinn je Aktie stieg um 30,8% auf 11.40 CHF. Der GV am 15. Mai soll daher eine Erhöhung der Dividende um 10,5% auf 5.25 CHF beantragt werden. Das Eigenkapital je Aktie nahm von 160.37 CHF auf 167.02 CHF zu. Die Aktienkursentwicklung orientiert sich in der längerfristigen Betrachtung an der Entwicklung des Buchwertes. Da die Dividende aus den Kapitaleinlagereserven steuerfrei für natürliche Personen mit Wohnsitz in der Schweiz ausgeschüttet wird, vermindert sich die Kapitaleinlagereserve je Aktie um 9,6% auf 44.79 CHF. Somit kann die Dividende voraussichtlich noch sieben oder acht Jahre steuerfrei ausgezahlt werden.

Quelle: Geschäftsbericht 2020 Espace Real Estate

Kontinuität der Geschäftspolitik

Zum Bilanzstichtag zählt die Gesellschaft 668 Aktionäre. Auf Aktionäre mit mehr als 3% Anteilsbesitz entfallen 62,35%. Im Verwaltungsrat vertreten sind 55%. Das spricht für Kontinuität in der Geschäftspolitik. Der Vorsitzende der Geschäftsleitung, Lars Egger, gehört bereits seit 2016 der Geschäftsleitung an und ist seit 2018 Vorsitzender der Geschäftsleitung. Er setzt die Unternehmensstrategie erfolgreich um und setzt verstärkt auch eigene Impulse. Die Anpassung an die Bedürfnisse der Mieter war schon immer das Motto von Espace Real Estate, doch die ändern sich nicht zuletzt durch Strukturwandel und Pandemie inzwischen rapide.

Kursverlauf der Aktie von Espace Real Estate in den letzten drei Jahren. Chart: money-net.ch

Neue Trends im Immobiliengeschäft

Die Kunst für Immobilienentwickler und -bestandshalter besteht vor allem darin, schon vor dem Bau oder der Renovierung von Liegenschaften deren voraussichtliche Lebens- und Nutzungsdauer von rund 50 Jahren zu bedenken. Das gilt auch für die Standorte. So ist in der Pandemie die Nachfrage nach grösseren Wohnungen in den B-Lagen wie im Kanton Solothurn gestiegen. Das Unternehmen sieht die Erklärung in der zunehmenden Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice. Dieser Trend wird ebenso bedient wie der zu Mikro-Apartments in Bahnhofsnähe für Pendler.

Mit dem neu entstehenden Ärztehaus in Burgdorf, das sogenannte Walk-in-Praxen bietet, werden in Kooperation mit dem Spital Emmental Impulse für den strukturellen Wandel im Gesundheitswesen gesetzt. Gesundheitsimmobilien bilden aufgrund der positiven langfristigen Wachstumsperspektiven einen neuen Schwerpunkt im Immobilienportfolio.

Umwandlung von Gewerbe- in Wohnraum

Einen weiteren längerfristigen Trend hat Espace Real Estate früh erkannt und sich entsprechend angepasst: die zunehmende Marktsättigung bei Gewerbeflächen und die ungebrochen wachsende Nachfrage nach hochwertigem Wohnraum. So wurde der Wohnanteil über die letzten Jahre konsequent von 20% auf inzwischen 45% erhöht. Die Erfahrungen seit Beginn der Pandemie haben die gegenläufigen Trends sogar noch akzentuiert. Den Wohnanteil will das Unternehmen nun mittelfristig weiter bis auf 60% steigern. Da die Nachfrage nach Gewerbeflächen abgeschwächt ist, kommt es nun sogar zu Umwandlungen von Gewerbe- in Wohnflächen.

Quelle: Geschäftsbericht 2020 Espace Real Estate

Ökobilanz als Mieterkriterium

Ebenfalls wichtig ist das Umfeld für die Mieter. Gemeinschaftsräume sowie eine Durchmischung der Altersgruppen sind Charakteristika vieler Liegenschaften der Gesellschaft – sie treffen damit den Nerv der Zeit. Die Mieter achten auch verstärkt auf die Ökobilanz der Gebäude. In den letzten Jahren hat Espace Real Estate bereits viele Liegenschaften mit Solarmodulen bestückt. Das senkt nicht nur die CO2-Emissionen, sondern vergünstigt auch die Energie für Eigentümer und Mieter. Wichtig hierfür waren gesetzgeberische Schritte, etwa die Schaffung von Voraussetzungen für zentrale Eigenverbrauchsgemeinschaften (ZEV). In 2020 haben sich die Erträge aus der Stromproduktion auf 182’000 CHF für das Unternehmen genau verdoppelt.

Diversifikation

Zur Risikominimierung wird Diversifikation gross geschrieben. Das bezieht sich nicht nur auf die Standorte der Liegenschaften, sondern auch auf die Mieter, die Laufzeiten der Mietverträge und der Hypothekarkredite. Der grösste Mieter steuert 5,2% der Erträge bei, die grössten fünf 15% und die grössten zehn 20,7%. Bis 2030 oder später laufen 16,1% der Mietverträge, gemessen an den jährlichen Nettomieterträgen.

Finanzierungskosten gesenkt

Ähnlich verhält es sich bei den Hypothekarkrediten, deren Zinsbindung breit diversifiziert ist. Immerhin 13,1% läuft bis 2030 oder länger. Die durchschnittliche kapitalgewichtete Zinsbindung aller Hypothekarkredite beträgt vier Jahre und 11 Monate. Die durchschnittliche Verzinsung lag 2020 bei 1,49%. Die Zinsaufwendungen haben sich durch das aktive Management der Verbindlichkeiten wie bereits in den Vorjahren weiter vermindert und beliefen sich auf 5.5 Mio. CHF nach 6.7 Mio. CHF im Vorjahr.

Nachhaltigkeit und Gewinnstreben sind kein Widerspruch

Die den von der Pandemie betroffenen gewerblichen Mietern gewährte Mietzinsreduktion belief sich in Summe auf 916’000 CHF und lag damit um rund 350’000 CHF über dem Vorjahreswert. Mit diesem Schritt hat das Unternehmen Solidarität mit den betroffenen Mietern gezeigt und sich als verantwortungsvoll agierend erwiesen. Im Geschäftsbericht hebt die Geschäftsleitung hervor, dass Rendite und Nachhaltigkeit keine Gegensätze sind, sondern sich vielmehr wechselseitig bedingen. Die hervorragende Gewinnentwicklung von Espace Real Estate im Pandemiejahr untermauert die Aussage eindrucksvoll.

Espace Real Estate VRP Dr. Andreas Hauswirth und CEO Lars Egger erläutern im Video das von Espace praktizierte Mietermanagement, die veränderten Nachfragebedürfnisse, das Anlagegebiet Mittelland und die strategischen Initiativen des Unternehmens.

Fazit

Der Ausblick ist aufgrund der vorgenommenen Weichenstellungen und des weiteren Ausbaus des Portfolios von Renditeliegenschaften positiv einzuschätzen. Die Mieteinnahmen waren 2020 nach Fertigstellung und Erstvermietung von drei Wohnüberbauungen um 7,3% gestiegen. Für die Zeit bis 2025 sind 80 Mio. CHF in der Projekt-Pipeline. Rund die Hälfte davon soll in den kommenden zwei bis drei Jahren in die Sanierung von 250 Wohneinheiten fliessen. Die Mieteinnahmen werden durch die Baumassnahmen zwar zeitweilig ausfallen, danach jedoch deutlich ansteigen. Bei Kursen von 174 CHF je Aktie, die zuletzt auf OTC-X gezahlt wurden, beträgt die Dividendenrendite aktuell 3,1%. Damit wird die Geduld der Aktionäre gut belohnt.

Transparenzhinweis: schweizeraktien.net erbringt Dienstleistungen für den Emittenten.

Aktienrechtsrevision: Inkrafttreten nicht vor 2023 zu erwarten

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Derzeit läuft die zweite Generalversammlungs-Saison unter den Einschränkungen der Corona-Krise. Da Versammlungen seit Beginn der 2. Welle im Oktober 2020 wieder verboten sind, können auch Generalversammlungen weiterhin nicht mit Präsenz der Aktionäre durchgeführt werden. Kurzerhand wurde in der Covid-19-Verordnung die Möglichkeit, GVs ohne Präsenz der Aktionäre und in elektronischer Form durchzuführen, bis Ende 2021 verlängert.

Kein nahtloser Übergang von der Covid-GV zur virtuellen GV

Parallel dazu wurde über das neue Aktienrecht beraten, das die Durchführung «virtueller Generalversammlungen» vorsieht. Bei Behörden, Juristen und Unternehmen bestand die Hoffnung, dass nach dem Auslaufen der Covid-19-Verordnung per Ende 2021 nahtlos zur Durchführung von «virtuellen Generalversammlungen» übergegangen werden kann. Doch daraus wird wohl nichts. Nachfragen beim Bundesamt für Justiz (EJPD) haben bestätigt, dass ein genauer Zeitpunkt für das Inkrafttreten der Aktienrechtsrevision noch nicht feststeht. Es wird allerdings damit gerechnet, dass die Gesamtvorlage nicht vor 2023 in Kraft tritt.

Nadelöhr Informatikanpassungen

Derzeit befinden sich die Ausführungsbestimmungen, namentlich die geänderte Handelsregisterverordnung, erst in der Vernehmlassung. Hinzu kommt, dass im Zusammenhang mit der Aktienrechtsrevision noch diverse Anpassungen im Informatikbereich notwendig sind, wie vom EJPD zu erfahren war. Insbesondere wegen dieser Informatikanpassungen erscheint es dem Bundesamt derzeit als wenig wahrscheinlich, dass die Aktienrechtsrevision noch 2022 in Kraft treten wird.

Das letzte Wort dazu hat allerdings der Bundesrat. Dieser könnte theoretisch nach wie vor ein Inkrafttreten auf einen früheren Zeitpunkt beschliessen.

In 2022 zurück zur Präsenzversammlung?

Was bedeutet dies konkret für die «virtuelle Generalversammlung»? Solange die Aktienrechtsrevision nicht in Kraft ist, müssen Unternehmen ihre GVs noch nach den bisherigen Vorschriften des Obligationsrechts (OR) durchführen. Sofern also die Covid-19-Verordnung Ende 2021 nicht mehr verlängert wird, führt dies wieder zurück zur Präsenzversammlung.

Ein weiteres Damoklesschwert schwebt derzeit mit dem Referendum über dem Covid-19-Gesetz. Sollte das Referendum gegen das Covid-19-Gesetz am 13. Juni angenommen werden, könnte es sogar kippen. In diesem Fall wäre eine Verlängerung der Covid-GVs, wie wir sie für 2020 und 2021 kennen, ohnehin nicht mehr möglich.

Fazit

Angesichts der aktuell unsicheren Ausgangslage sollten sich Unternehmen auf die Rückkehr zu einer «normalen» GV in 2022 vorbereiten. Der Aktionär kann dann wieder zwischen der persönlichen Teilnahme an der GV oder der Vollmachtserteilung wählen. Eine «elektronische Durchführung», wie sie die Covid-GV vorsieht, wäre nicht mehr möglich. Diese wurde allerdings bisher wenig genutzt. Die meisten Unternehmen haben auf schriftliche Stimmabgabe oder die Vertretung durch den unabhängigen Stimmrechtsvertreter gesetzt.

Es ist nicht zu empfehlen, schon an der GV 2021 die Statuten im Hinblick auf die Zulässigkeit der «virtuelle Generalversammlung» anzupassen. Solange die Aktienrechtsrevision noch nicht in Kraft ist, werden die Handelsregisterämter solche Statutenänderungen wohl zurückweisen. Eine Möglichkeit könnte hier lediglich eine sehr allgemein gehaltene Formulierung sein, welche generell die Durchführung der Versammlung mit elektronischen Mitteln erlaubt, sofern dies rechtlich zulässig ist. (z.B. «Sofern rechtlich zulässig, können Generalversammlungen mit elektronischen Mitteln ohne Tagungsort durchgeführt werden.»).

In jedem Fall sollten Unternehmen die Entwicklung genau verfolgen und sich im Zweifelsfalle juristische Unterstützung holen.

Aufzeichnung des Webinar-Update zur digitalen GV & Aktienrechtsrevision vom 11. März 2021 mit Ines Pöschel (Kellerhals Carrard), Sven Huber (Sharecomm Services) und Claudio Tognella (daura ag).

Clientis: Regionalbankengruppe erneuert bis 2022 ihre Serviceplattform

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Die Clientis Bank Oberaargau ist seit dem Austritt der Bank Avera die grösste der 14 Clientis-Banken. Bild: clientis.ch

Die Clientis Bank Oberaargau ist seit dem Austritt der Bank Avera die grösste der 14 Clientis-Banken. Bild: clientis.ch

Die 14 zur Clientis-Gruppe gehörenden Regionalbanken sind bisher gut durch die Corona-Krise gekommen. Wie die Clientis AG an einer Medienorientierung erläuterte, wurde auch im Krisenjahr 2020 ein nachhaltiges Wachstum erzielt. Die Kundengelder legten um 14,1% zu. Bei den Ausleihungen war ein Plus von 4,4% auf insgesamt 10.2 Mrd. CHF zu verzeichnen, der grösste Teil davon im Hypothekarbereich (+ 4,1%). Die Bilanzsumme erreichte 13.8 Mrd. CHF.

Der konsolidierte Geschäftserfolg der 14 Banken lag mit 60.5 Mio. CHF nur knapp unter dem Vorjahreswert. Auch der Konzerngewinn fiel mit 54.2 Mio. CHF etwas tiefer (- 1,2%) aus. Obwohl die Clientis-Banken 912 Corona-Kredite mit einem Volumen von 86 Mio. CHF vergeben haben, rechnet CEO Andreas Buri nicht mit einem sprunghaften Anstieg der Wertberichtigungen aufgrund der Corona-Krise. Im Fokus der Bankengruppe steht bis 2022 nun die Erneuerung der Serviceplattform. Mit einer offenen Plattformarchitektur sollen auch weitere Banken für die Dienstleistungen gewonnen werden.

Zinsengeschäft mit 77% wichtigster Ertragspfeiler

Die 14 Clientis-Banken verfügten per Ende 2020 über 52 Standorte vor allem in ländlichen Gebieten. Dort spürten die Banken auch die Nachfrage nach Hypothekarkrediten stärker als im städtischen Raum. Mit einem Anteil von 77% am Gesamterfolg ist und bleibt das Zinsengeschäft der wichtigste Ertragspfeiler. Dank der Volumenausweitung um 4,1% auf 9.6 Mrd. CHF konnte der Brutto-Zinserfolg auf 131.2 Mio. CHF (+ 3,4%) gesteigert werden. Auch der Netto-Zinserfolg erhöhte sich und erreichte 132.0 Mio. CHF.

Indifferentes Geschäft wächst nur leicht

Im indifferenten Geschäft lagen die Erträge aus Kommissionen und Dienstleistungen mit 20.4 Mio. CHF zwar über den um den Austritt der Bank Avera bereinigten Vorjahreswerten. Allerdings erreichte der Erfolg aus dem Handelsgeschäft, ebenso wie der übrige ordentliche Erfolg, die Vorjahreszahlen nicht ganz. Letzteren belasten negative Wertberichtigungen aufgrund des starken Einbruchs der Börsenkurse im 1. Quartal 2020. Das indifferente Geschäft wird künftig durch eine Partnerschaft mit Aquila AG gestärkt, welche die Segmentsführung Anlegen übernimmt.

Der konsolidierte Geschäftserfolg der Clientis-Banken bewegt sich auf einem stabilen Niveau. Bild: clientis.ch

Bei einem um 0,5% höheren Geschäftsaufwand von 96.4 Mio. CHF erreichte das operative Ergebnis 60.5 Mio. CHF. Der Konzerngewinn lag mit einer Abnahme von 1,2% leicht unter Vorjahr bei 54.2 Mio. CHF. Auch das Verhältnis von Aufwand und Ertrag, die Cost/Income Ratio (CIR), fiel mit 56,1% etwas besser aus und liegt weiterhin unter der Zielmarke von 60,0%.

Gute Eigenkapitalausstattung

Die Eigenkapitalbasis konnte 2020 um weitere 3,8% auf 1.153 Mrd. CHF gesteigert werden. Mit einer Gesamteigenmittelquote von 20,5% (Vorjahr: 20,9%) übertrifft die Clientis-Gruppe die gesetzlichen Anforderungen von 11,2% weiterhin.

Neue flexiblere Plattformarchitektur

Ab diesem Jahr beginnt die Clientis-Gruppe mit der Erneuerung ihrer Plattformarchitektur. Bisher erbringt Clientis Serviceleistungen für 23 Banken. «Wir sind dabei zentraler Ansprechpartner für rund 30 Lieferanten», erklärte COO Matthias Liechti an der Medienorientierung. Ziel von Clientis sei es, dass sich die Banken auf den Vertrieb und ihre Positionierung am Markt konzentrieren könnten. Dies soll auch in Zukunft so bleiben.

Allerdings setzt Clientis künftig auf eine offene, modulare und cloudbasierte Servicearchitektur. Dies erhöhe die Flexibilität und führe zu Potenzial für Kostenoptimierungen, so Liechti. Zudem werde das Geschäftsmodell mit einem einheitlichen Vertragswerk für alle Banken, die Leistungen beziehen wollen, erweitert. Davon erhofft sich die Clientis AG eine weitere Öffnung des Kundenkreises.

Gestaltet werde die neue Plattformarchitektur weiterhin in Partnerschaft mit Inventx. Der Vorteil der neuen Plattform soll nicht nur ein flexibler, modularer Leistungsbezug sein, sondern auch die schnelle Einbindung von Fintechs in einem zukunftsorientierten Ökosystem.

Die Aktien und Genossenschaftsanteile von mehreren Clientis Banken werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt und sind im OTC-X Banken-Index vertreten.

Hinweis in eigener Sache: Der Branchentalk Banken 2021 findet voraussichtlich am 8. Juni als Präsenzveranstaltung sowie am 15. und 20. April auf Zoom statt.

GV-Termine und Veranstaltungen