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Ausserbörsliche Aktien: Nebenwerte waren 2022 ein Stabilitätsanker im Portfolio

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Fels in der Brandung und Stabilitätsanker fürs Portfolio: die ausserbörslich gehandelten Aktien trotzten 2022 den Börsenstürmen. Bild: stock.adobe.com
Fels in der Brandung und Stabilitätsanker fürs Portfolio: Die ausserbörslich gehandelten Aktien trotzten 2022 den Börsenstürmen. Bild: stock.adobe.com

Das Jahr 2022 ist bereits seit mehr als zwei Wochen Vergangenheit. Und der Start ins neue Börsenjahr verlief bisher erstaunlich erfolgreich: Der SMI liegt mit rund 6% im Plus. Auch der ausserbörsliche Markt ist mit einem leichten Plus gestartet. Lohnt sich angesichts dieses dynamischen Jahresauftakts ein Blick in den Rückspiegel?

SPI Extra vs. OTC-X
Im Gegensatz zum SPI Extra hielt sich der ausserbörsliche Markt 2022 stabil. Chart: money-net.ch

Auf jeden Fall. Denn im letzten Jahr hat sich der ausserbörsliche Aktienmarkt wieder einmal als Stabilitätsanker behaupten können. Interessant ist allerdings eine detaillierte Betrachtung der einzelnen Sektoren. Wir haben die Kursdaten von OTC-X ausgewertet und jeweils die fünf Gewinner und Verlierer-Aktien für die zehn Branchen ermittelt. Dabei zeigt sich, dass gerade die Vielzahl der auf OTC-X vertretenen Branchen zur Stabilität des Marktsegments beitragen.

Tourismusaktien mit Nachholbedarf

Nach zwei Corona-bedingt schwachen Jahren ging es 2022 in der Schweizer Tourismusbranche wieder aufwärts, auch wenn in den ersten drei Monaten des Jahres noch einige Einschränkungen zu verzeichnen waren. Dennoch konnten bereits in der Wintersaison Bergbahnen und Hotels eine höhere Auslastung als im Vorjahr verzeichnen. Diese verbesserte sich in den Sommermonaten weiter.

Es überrascht daher nicht, dass der OTC-X-Index Bergbahnen mit einem Plus von 62,7% der grosse Gewinner im letzten Jahr war. Zu der starken Performance haben insbesondere Aktien von kleineren, wenig gehandelten Ausflugsbahnen beigetragen. Auch zog der Kurs der Andermatt-Sedrun Sport AG weiter an, nachdem sich die amerikanische Vail Resorts an der Gesellschaft beteiligt hat. Den Bergbahn-Aktien mit einem Kursplus stehen nur wenige Titel mit einem Minus gegenüber.

Luxushotels sehr gefragt

Unter den Top 5 aus dem Tourismussektor finden sich gleich drei Luxushotels. Auch hier dürfte es sich um einen Nachholeffekt handeln, denn die Aktienkurse der Cresta Palace Celerina, Dolder Hotel AG und Grand Resorts Bad Ragaz waren seit Beginn der Corona-Pandemie unter Druck. Mittlerweile haben sich die Gästezahlen wieder erholt. Auch sorgt der Immobilienbesitz dieser Firmen für eine gewisse Wertstabilität. Allerdings muss betont werden, dass die Anzahl gehandelter Aktien bei Cresta Palace mit 32 im Jahr 2022 sehr gering war. Interessant ist dennoch, dass die Aktienkurse einiger Luxushotels auch in diesem Jahr weiter zulegen konnten.

Rekordzahlen sorgten bei der Weissen Arena AG in Laax im Jahr 2022 für ein fettes Kursplus von 28,6%. Wieder gefragt waren auch die Aktien der Berner Messegesellschaft Bernexpo AG (+ 13,5%), die nach zwei Jahren hoher Verluste für 2022 wieder schwarze Zahlen in Aussicht gestellt hat. Ebenso fanden sich die Aktien der Bädergesellschaften Zurzach (+ 8,1%) und Bad Schinznach (+ 5,9%) auf der Gewinnerseite. Die Verliererliste wird vom Kongresshaus Zürich angeführt, das 2022 eine Kapitalsanierung durchführen musste. Allerdings befinden sich unter den Verlierern nur 14 der insgesamt 35 auf OTC-X gelisteten Tourismus- und Freizeitwerte.

Banken mehrheitlich im Plus

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den 34 Bank- und Finanztiteln. Nur gerade einmal 5 Aktien wiesen 2022 eine negative Performance auf. Die übrigen Bankaktien lagen im Plus, ebenso wie der OTC-X-Index Banken (+ 4,6%). Trotz der schwachen Finanzmärkte finden sich unter den Top 5 vier in der Vermögensverwaltung und im Wertschriftenhandel tätige Institute. Wie die ersten Eckwerte zu den Geschäftszahlen 2022 von Bondpartners zeigen, wird der Einbruch an den Finanzmärkten allerdings seine Spuren in der Jahresrechnung hinterlassen. Ganz anders sieht es für die vielen Regionalbanken aus: Steigende Zinsen führen, zumindest kurzfristig, zu einer Ausweitung der Zinsmargen. Kein Wunder also, dass die meisten Regionalbank-Aktien entgegen dem Markttrend im Jahr 2022 zulegen konnten.

Licht und Schatten bei Energie- und Versorgeraktien

Sehr heterogen entwickelte sich der Energiesektor. Der Index verlor zwar 4,1%. Dass es dennoch in dieser Branche sowohl Gewinnern als auch Verlierer gibt, ist auf die unterschiedlichen Geschäftsmodelle zurückzuführen. Produzenten von Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wasser, Wind und Sonne gehörten zu den Gewinnern. Überdurchschnittlich profitiert haben davon die Valoren der Bündner Repower AG mit einem Plus vom 24,1%. Aber auch die Anteilsscheine kleinerer Grünstromproduzenten wie ADEV Windkraft oder ADEV Wasserkraft waren gefragt, wenn auch bei weitaus geringeren Handelsvolumen.

Unternehmen, die Energie allerdings einkaufen müssen und diese in ihrem Netz nur verteilen, leiden zumindest auf kurze Frist unter den stark gestiegenen Beschaffungspreisen. Dies zeigt ein Blick auf die Verliererseite. Die Kurse der Zuger WWZ verloren 17,4%, die des Westschweizer Gasversorgers Holdigaz sogar 18,1%. Gut möglich allerdings, dass gerade diese Aktien bei einer Entspannung der Lage an den Energiemärkten wieder kräftig zulegen. Bei Holdigaz kommt hinzu, dass das Unternehmen mittlerweile 22% seiner Umsätze mit Gebäudetechnikdienstleistungen und mehr als 7% mit Erneuerbaren Energien erzielt. Die Abhängigkeit vom Gaspreis hat also abgenommen.

Industriefirmen leiden am stärksten

Am stärksten gelitten haben unter der unsicheren konjunkturellen Lage und stark steigenden Kosten die Industrietitel. Der OTC-X Index Industrie mit seinen 24 Titeln verlor binnen Jahresfrist 7,1% und damit mehr als der Liquidity-Index. Besonders stark gefallen sind die Kurse der Industriebeteiligungsgesellschaft Montana Tech. Grund dafür dürften die Kursverluste der börsenkotierten Tochtergesellschaften Varta, Montana Aerospace und Aluflexpack sein, was sich auf die Bewertung der Montana-Tech-Aktie sofort negativ auswirkte und für das Minus von 35,0% sorgte. Zu schaffen macht die unsichere Wirtschaftslage auch anderen Industriefirmen. So mussten die Naturkosmetikfirma Weleda und die Ostschweizer Plaston Gruppe Gewinnwarnungen veröffentlichen, was sich negativ auf die Kurse auswirkte.

Zu den wenigen Gewinnern unter den Industriefirmen zählt die SSE Holding mit einem Plus von 7,0%. Das Walliser Unternehmen steigerte im ersten Halbjahr 2022 Umsatz und Ertrag kräftig und produziert künftig im Chemiegeschäft ein Mittel, das den Methanausstoss von Wiederkäuern um bis zu 35% reduziert. Bei den vier weiteren Industriefirmen, die in der Gewinnerliste mit einem zweistelligen Plus ausgewiesen sind, handelt es sich mehrheitlich um Betriebe, welche ihre industriellen Tätigkeiten aufgegeben haben uns sich um die Verwaltung und Entwicklung ihrer Liegenschaften kümmern.

Immobilienaktien mit schwacher Performance

Ehemalige Industriefirmen, die mittlerweile zu Immobiliengesellschaften transformiert wurden, befinden sich auch unter den 22 Immobilienaktien auf OTC-X. Mit der Reussegg Holding und dem Tonwerk Lausen stehen gleich zwei davon ganz oben auf der Siegerliste für 2022. Bei Reussegg dürfte die abgeschlossene Restrukturierung der Grund für den rasanten Kursanstieg sein. Auch hier jedoch der Hinweis, ebenso wie bei Tonwerk Lausen, dass die Aktien auf OTC-X sehr selten gehandelt werden und mehrheitlich in festen Händen sind. Unter den Top 5 befindet sich auch die SitEX Properties, die erst seit Ende 2021 auf OTC-X gehandelt  wird und ihren Schwerpunkt auf ein US-Entwicklungsprojekt legt.

Dass der OTC-X-Index Immobilien dennoch um 1,7% verloren hat und auch fast die Hälfte der Immobilientitel ein Minuszeichen vor ihrer Jahresperformance ausweisen, hängt auch mit der Zurückhaltung von Investoren vor Immobilienaktien zusammen. Denn es besteht die Angst, dass die steigenden Zinsen negativ auf das Ergebnis sowie auf die Bewertung des Immobilienportfolios wirken. Die Thurella Immobilien AG, die die Verliererliste mit einem Minus von 93,2% anführt, hat 2022 ihre einzige Liegenschaft verkauft und den Verkaufserlös an die Aktionäre ausgeschüttet. Nun steht die Liquidation bevor.

NZZ-Aktie gehört zu den Gewinnern 2022

Kein einheitliches Bild lässt sich angesichts der geringen Anzahl gelisteter Titel bei den Sektoren Medien sowie Nahrung + Getränke ablesen. Grosser Gewinner bei den Medien war die NZZ-Aktie mit einem Plus von 11,4%. Dank dem geplanten Teilverkauf von Anteilen an der CH Media AG dürfen sich die NZZ-Aktionäre an der Generalversammlung vom 15. April 2023 auf die Ausschüttung einer Sonderdividende freuen. Bei der ZT Medien hat sich der Aktienkurs der eher selten gehandelten Aktie auf Vor-Pandemie-Niveau eingependelt.

Im Nahrungsmittelsektor konnte einzig die Patiswiss-Aktie zulegen. Diese steigt nun schon seit über fünf Jahren ununterbrochen. Der Kurs für PS und Namenaktie der Brauerei Schützengarten hat das Corona-Tal noch nicht hinter sich gelassen, obwohl der Bierabsatz im Geschäftsjahr 2021/22 wieder zulegen konnte.

Selten gehandelte «Exoten» im Sektor Transport, Verkehr

Gemessen am Volumen handelt es sich bei den meisten Aktien im Sektor Transport, Verkehr, Logistik um «Exoten». Wenige Ausnahmen bilden hier die Luzerner SGV Holding, die Auto Holding AG Rothenburg oder die Lagerhäuser der Centralschweiz. Andere Gesellschaften, wie die BLS oder die die Matterhorn Gotthard Verkehr AG, befinden sich mehrheitlich in öffentlichen oder halböffentlichen Strukturen. Bei der BLS, dem zweitgrössten Schweizer Bahnunternehmen, besitzen Bund (21,7%) und Kanton Bern (55,75%) die Mehrheit. Aktienkurs und Bewertung spielen daher keine Rolle, da die Minderheitsaktionäre unabhängig vom Geschäftserfolg keine Ausschüttungen erwarten dürfen.

Bei den meisten Transportunternehmen, wie auch der Drahtseilbahn Marzili, handelt es sich daher weniger um ein Investment, sondern vielmehr um sogenannte Liebhabertitel. Allerdings zeigt der Blick auf das Kurstableau, dass auch diese Aktien in schwierigen Zeiten ihren Wert durchaus behalten oder sogar steigern konnten.

Die gesamte Kursliste mit allen Gewinnern und Verlierern aus 2022 können Sie hier herunterladen (alle Angaben ohne Gewähr).

Virtuelle Immobilienrenditen: Metaverse-Sky is the limit!

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Im Kultfilm «Tron» aus den 1980er-Jahren gerät ein Programmierer in die Welt seines eigenen Computerspiels und muss um sein Leben kämpfen. In der Raumschiff-Enterprise-Franchise begibt sich die Mannschaft unter Captain Picard aus Trainingszwecken auf eine Holodeck. Dort ist es möglich, die Weltmeere auf einem traditionellen Skipper zu durchpflügen. Natürlich ist die heute erlebbare virtuelle Realität noch Ionen von diesen Fantasien entfernt. Dennoch haben sich viele Bereiche unserer Umwelt stark virtualisiert.

Einen markanten Schritt in die virtuelle Realität vollzog der Milliarden-Konzern Facebook. Zuerst beschliesst Firmengründer Mark Zuckerberg vor einem Jahr eine Namensänderung in Meta: Klingt wie eine Abkürzung von Metaverse – der generellen Bezeichnung von digitalen Parallelwelten. Andererseits tätigte der immer noch jugendlich scheinende Unternehmer Milliardenbeträge in die Weiterentwicklung von virtuellen Plattformen. Unternehmen zahlreicher Branchen sehen sich seither gefordert, Geschäftsmodelle für das Metaverse zu entwickeln. Der Immobiliensektor scheint hier eine virtuelle Lösung für die Bodenknappheit oder steigende Landpreise gefunden zu haben. Über Plattformen wie Sandbox oder Decentraland kaufen Plattform-Anwender bereits heute Parzellen in einem Paralelluniversum.

Die Registrierung in der Sandbox ist sehr niederschwellig: Zuerst muss der neue Anwender seinen Avatar wählen und ausstatten. Dieser kann sich hüpfend, schreitend oder im Gangman-Style fortbewegen. Der Kontakt mit der monetären Realität ist aber nur ein paar Klicks entfernt. Auf einem grünen Grund mit gleichfarbigen Feldern steht ein oranges Feld für 7’000 USD, d.h. dem Äquivalent von 5.5 Ethereum zum Verkauf. Das entspricht ziemlich genau dem Quadratmeterpreis für eine reale Parzelle zwischen dem Zürcher Hauptbahnhof und dem Paradeplatz. Also die höchste Karte bei Monopoly. Angebote willkommen. Vertrauenserweckend wirkt nicht unbedingt, dass die Gegenpartei nur mit einem Kürzel auftritt und sich als stark verpixelter Roboter porträtieren lässt. Der Avatar steht auf seiner winzigen Parzelle – und was nun?

Keine Fesseln durch Mieterschutz

Der stolze Neubesitzer einer Parzelle erwirbt sich das Recht, diese so zu nutzen, wie es ihm gefällt. Oft ist eine kommerzielle Nutzung im Vordergrund, aber nicht nur. In der Sandbox zum Beispiel darf der Anwender auch Spiele entwickeln, wobei ihn die Plattform dabei mit einer intuitiven Toolbox unterstützt. Wer darauf keinen Wert legt, wird – wie ihm realen Leben – danach trachten, eine anständige Rendite zu erzielen zum Beispiel mit einer Zwischenvermietung an andere Anwender. Für die Festsetzung der Miete gibt es keinerlei Fesseln oder Regeln. In der Anleitung zu Sandbox steht der ermutigende Satz: Landbesitzer können selbst entscheiden, wie hoch die Miete sein soll. Allerdings, so die Anleitung, sollte der Besitzer sich an bestimmten Leitplanken orientieren, zum Beispiel die Nähe zu sogenannten Social Hubs. Der Mieter darf auf seiner Fläche selber Spiele entwickeln, wobei der Vermieter nicht am Gewinn beteiligt ist.

Wie bei allen frei handelbaren Gütern wird der Wert einer Metaverseparzelle durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Je attraktiver ein Stück des digitalen Bodens ist, desto mehr wird dafür bezahlt. Je mehr Spieler sich in der Nähe des eigenen Grundstückes im Schnitt aufhalten, desto mehr Ertrag kann theoretisch mit der Parzelle generiert werden, was wiederum einen höheren Preis rechtfertigt. Lagequalität ist aber auch ein Thema. Als besonders gut gelegen gelten Grundstücke, welche möglichst nahe beim Spieleinstiegsorts liegen oder sich in Gegenden befinden, an welchen sich bereits andere attraktive Spielinhalte und Angebote befinden. In einem Punkt unterscheiden sich reale und virtuelle Immobilien aber deutlich: Während in der realen Welt Land grundsätzlich ein knappes, beschränktes Gut ist, kann im Metaverse quasi per Mausklick einfach neues erschaffen werden. Sei es in der Spielwelt, in der man investiert ist oder über die Entstehung immer neuer, konkurrierender Metaverseprojekte (siehe Grafik 1).

Grafik 1: Das Metaverse ist in seiner Ausdehnung unbegrenzt. Quelle: Sandbox.

Markt in den Kinderschuhen

Der Markt für virtuelles Land ist derzeit noch überschaubar und handelt mit sehr kleinen Volumen. Getrieben durch den Hype entstehen unweigerlich Preisblasen, wie sie auch bei Kryptowährungen zu beobachten sind. Anfang Januar 2021 wurde beispielsweise in der Sandbox die durchschnittliche Landparzelle noch für unter 150 USD verkauft. Nach einem längeren, stetigen Preisanstieg wurde der virtuelle Boden Ende Oktober für rund 2’500 USD gehandelt, was bereits einem Preisanstieg von etwa 1’550% entspricht. Die Ankündigung einer ersten, öffentlich zugänglichen Alphaversion des Spieles katapultierte die gehandelten Preise auf über 16’000 USD. Einen ordentlichen Reibach durften auch die Landbesitzer beim Mitbewerber Decentraland erleben. Laut dem Creative Director des Unternehmens gingen die ersten Landverkäufe mit einem Preis von 20 USD über die Bühne. Heute ist die billigste Parzelle bereits 3’500 US-Dollar wert. Letztes Jahr kaufte das Krypto-Unternehmen Token.com eine Parzelle in der Nähe der virtuellen Bahnhofstrasse mit vielen Modegeschäften. Zu einen Rekordpreis von 2.49 Millionen USD (siehe Grafik 2).

Grafik 2: Immobilien im Metaverse. Anzahl Transaktionen und mittlerer Verkaufspreis von Parzellen im Spiel «The Sandbox», 7-Tage Schnitt. Quelle: Raiffeisen Economic Research

Die Blasenbildungen in der Preisentwicklung sollten die Nerven der Anleger noch einige Zeit auf Trab halten, denn das Potenzial von Sandbox, Decentraland und was noch kommen mag, ist bisher nur zu einem geringen Teil ausgeschöpft. Die Welt der Spiele, die das Gros der zahlungswilligen Anwender anziehen soll, befindet sich noch in einer frühen Entwicklungsphase. Zudem ist die Zukunft von den virtuellen Landschaften an die Weiterentwicklung des Metaverses gebunden. Ausschlaggebend ist hier vor allem die Frage, wann das Metaverse massentauglich wird. Das ist nicht zuletzt auch von kulturellen Faktoren abhängig. Gaming hat in Europa noch den Beigeschmack von ungelüfteten Teenager-Buden, während es sich in Asien zu einem wahren Volkssport entwickelt hat. Der Verdacht liegt bei vielen Projekten nahe, dass vor allem der Handel mit digitalem Boden im Vordergrund steht und weniger die Erschaffung eines tatsächlichen Metaverse. Als Käufer, welcher nicht nur auf kurzfristig steigende Preise spekuliert, wettet man schlussendlich darauf, dass in Zukunft tatsächlich ein Produkt entsteht, welches auch Spieler und andere Investoren anziehen wird. Dass grosse Unternehmen wie Meta (Facebook) ihr Interesse an der Entwicklung eigener Metaverseprojekte geäussert haben, könnte ein Hinweis sein, dass sich in Zukunft tatsächlich rege genutzte, digitale Parallelwelten etablieren werden. Heute abzuschätzen, welche dies sind, ist aber schlicht unmöglich. Wer mit viel Glück auf das richtige Pferd setzt, wird stark profitieren können. Die Wahrscheinlichkeit, sein Geld in ein zukunftsloses Projekt zu stecken, ist aber um ein Vielfaches grösser.

KMU-Aktien: Versprechen Schweizer Nebenwerte einen Schutz gegen Marktturbulenzen?

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Die Sektorenvielfalt unter den Nebenwerten ist sehr gross. Bild: adbobe.stocks.ch

Das laufende Jahr droht für die Anleger verheerend auszufallen. Global gesehen haben sowohl Aktien als auch Obligationen seit Jahresbeginn rund 20% und mehr verloren. Die Investoren sind auf der Suche nach sicheren Häfen. Da rücken Aktien von heimischen KMU in den Fokus. Diese Art von Titeln wird in der Schweiz am Haupttableau der Schweizer Börse SIX, aber auch ausserbörslich (OTC, over the counter) gehandelt.

Seit Jahresbeginn hat der OTC-X Liquidity-Index (rot) deutlich weniger verloren als der SPI Extra Index (blau). Chart: moneynet.ch

Ein Blick auf die verschiedenen Indizes gibt ein klares Bild. Der Liquidity-Index, der die liquidesten nicht kotierten Aktien umfasst, die auf der Plattform OTC-X der Berner Kantonalbank (BEKB) gehandelt werden, hat im laufenden Jahr 6,5% nachgegeben, der Top 50 mit den Aktien-Titeln mit der höchsten Marktkapitalisierung verlor nur 2,6% und der All Share sogar nur 2,1%. Der SPI Extra Index büsste bis zu 24% und mehr ein – dieser Index umfasst die kotierten Schweizer Aktien ohne die 20 SMI-Titel. Der Blue-Chip-Index SMI hat deutlich über 15% an Wert verloren. Man müsste daraus schliessen, dass KMU am stabilsten sind, vor Blue-Chip-Titeln wie Nestlé und ABB, und dass mittelgrosse kotierte Unternehmen am unsichersten sind.

Geringere Handelbarkeit

Doch dieser «kurzfristige» Blick hat einen Haken. Das Nebensegment wird von den Anlegern eher stiefmütterlich behandelt. Verglichen mit SIX kotierten Aktien ist die Liquidität oft geringer. Bei einigen Titeln muss ein Verkäufer oder teilweise auch ein Käufer Tage oder Wochen warten, bis sich eine Gegenpartei findet. Dies gelte vor allem für die sogenannten Liebhaberwerte, nicht aber für die liquidesten Aktien, betont Sascha Hitz, Aktienhändler der BEKB. Damit reagieren die KMU-Aktien viel langsamer auf Marktveränderungen. Dies gilt im ausserbörslichen Bereich in jeder Marktsituation – auch in Haussen. Im OTC-Markt lassen sich nur in Einzelfällen kurzfristige Gewinne realisieren. Für den Anlagerfolg braucht es Geduld. Spezialisierte Händler sprechen von einem Anlagehorizont von fünf bis zehn Jahren.

«Im Markt fehlen weitgehend institutionelle Investoren wie Fonds, die gezwungen sind, in Baisse-Zeiten Aktien abzustossen», erklärt Hitz, der für den Handel auf OTC-X zuständig ist. Auch derivative Instrumente und Short Selling, welche negative Trends an der Hauptbörse verstärken würden, gebe es nicht. «KMU weisen ein Aktionariat von Anlegern und nicht von Investoren, beziehungsweise Tradern auf», sagt Hans Peter Diethelm, externer Vermögensverwalter aus Uster. Es gebe Studien, wonach Familienunternehmen die erfolgreichsten Unternehmen sind, nicht die grossen börsenkotierten Firmen. Manager tendierten dazu, kurzfristig zu denken. Ein Familienmitglied wolle, dass das Unternehmen auch in 20, 30 Jahren noch erfolgreich ist.

Sektoren, die der SPI nicht kennt

KMU-Aktien reagieren gemäss Diethelm auch mit sinkenden Notierungen auf Inflation, Zinserhöhungen und Rezession, jedoch nicht im gleichen Umfang. Das liege auch am Aktionariat, das keine Fantasiepreise, respektive zu hohe Kurs-Gewinn-Verhältnisse bezahle. Das Aktionariat, oft Immobilien-Besitzer, sei an einer jährlich wiederkehrenden «erfreulichen» Dividendenhöhe – vielfach höher als bei den SPI-Titeln – interessiert, begrüsse eine physische Generalversammlung mit genussvollem Nachtessen und schätze bei einigen Firmen noch das Naturalgeschenk. Wer ausserbörsliche Aktien-Titel hält, der erlitt dank der Dividendenhöhe im laufenden Jahr 2022 noch keinen Verlust, sagt Diethelm.

Die Sektorenvielfalt unter den Nebenwerten ist sehr gross. Bild: adbobe.stocks.ch

«Der Vorteil des ausserbörslichen Marktes ist neben der tiefen Volatilität die grosse Breite an Sektoren», sagt Sascha Hitz. «Tourismus- und Freizeitwerte haben sich, ebenso wie Regionalbanken, sogar positiv entwickelt, während der Industriesektor wie an der Hauptbörse gelitten hat.» Tourismus- und Regionalbankaktien sind im SPI so gut wie nicht vertreten. Im Industriesektor leiden gemäss Hitz einzelne Firmen unter dem Ukrainekrieg und der Inflation im Euroraum. Der Rückschlag finde nur bei diesen Unternehmen statt, nicht aber im gesamten ausserbörslichen Markt.

Institutionelle Anleger zieren sich

«Der Sektor der kleinkapitalisierten Unternehmen reagiert wegen der fehlenden Liquidität mit Verzögerung auf die Marktbewegungen der Blue Chips», sagt Eugen Perger von den Research Partners, ein auf Schweizer börsenkotierte Aktien spezialisiertes Analysehaus. Zwar sei die Tagesvolatilität bei den kleinen börsenkotierten Aktien weniger heftig, auf lange Sicht fielen die Korrekturen aber nicht weniger stark aus. Auch in diesem Segment müssten Investoren, die mit Lombardkrediten auf Kredit kauften, die Positionen abstossen, um ihren Verpflichtungen nachzukommen. In kleinkapitalisierte Unternehmen könne man immer investieren, wieder rauszukommen, sie dagegen schwieriger, so Perger. Diese „Trägheit“ der Titel halte viele Investoren von einem Engagement ab.

Perger weist darauf hin, dass Research Partners keine OTC-Titel und aus dem SIX-Haupttableau nur Unternehmen abdecke, die eine gewisse Liquidität aufweisen würden. «Zu kleine Unternehmen aus dem SPI sind für unsere Kunden wie Banken und Vermögensverwalter zu klein und zu wenig attraktiv». Es gebe einen grossen Unterschied zwischen den Unternehmen aus dem SPI, den Research-Partners abdeckten, und den OTC-Werten. Während Fonds- und institutionelle Anleger meist nicht in OTC-Werte investieren dürften, seien diese in «seinem Segment» auch vertreten. Was fehlten, seien teilweise die grossen angelsächsischen Asset-Manager und Hedge Funds.

Geografisch weniger breit diversifiziert

Die KMU-Aktien sind kein homogenes Feld, es gibt wie unter den Konzernen unterschiedlichste Strukturen und Ausrichtungen. Die Stabilität des OTC-Indizes darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch der ausserbörsliche Bereich heterogen ist. «Der Markt, beziehungsweise die daran gehandelten Gesellschaften, sind in sehr unterschiedlichen Branchen tätig und auch untereinander zum Teil sehr unterschiedlich aufgestellt», erklärt Markus Rüegsegger von Quantex, der einen ausserbörslichen Fonds betreibt. Es müsste also jedes Unternehmen einzeln angeschaut und mit einem ähnlich gelagerten kotierten Unternehmen verglichen werden.

Der grösste Unterschied zu kotierten Unternehmen liegt gemäss Quantex-Manager Rüegsegger in der geografisch weniger diversifizierten Ausrichtung vieler KMU. Dies könne etwa Einfluss auf die Margen haben. So seien beispielsweise die Energiepreise vor allem in Europa eklatant gestiegen. Schweizer KMU, die auf dem freien Energiemarkt sind oder mit Gas produzieren, haben explodierende Energiekosten zu tragen. Die Rezession sei auch nicht in allen Ländern gleich ausgeprägt. Zudem ist nach Ansicht von Rüegsegger das politische Risiko für Fehlentscheidungen in Europa – und damit auch in der Schweiz – doch wesentlich höher, zumal hier die Anspruchsgesellschaft am ausgeprägtesten scheint.

Grossaktionäre bevorzugt

Im aktuellen Umfeld sind nach Ansicht von Perger nur die steigenden Zinsen für die von ihm analysierten Unternehmen aus dem SPI eine Bedrohung. Für die Schweiz halte sich diese Zinsbewegung aber noch im Rahmen. Eine Rezession müsse länger andauern, um die Wirtschaft spürbar zurückzuwerfen, nicht nur ein oder zwei Quartale. Die aktuelle Konjunkturabschwächung sei nicht mit der Finanz- oder anderen Krisen zu vergleichen. Die Nachfrage bleibe etwa in der Industrie hoch, viele Branchen wie etwa Unterhaltung und Reisen hätten nach der Pandemie weiterhin Aufholbedarf. Viele Schweizer Unternehmen seien international «kleine Stars», die für Investoren attraktiv seien. Diese Firmen weisen eine hohe Wertschöpfung auf und besitzen in einer Inflation auch Preissetzungsmacht – teilweise mit etwas Verzögerung.

Doch Aktien im Nebensegment weisen Risiken auf, die grosskapitalisierte Titel nicht zeigen. Rüegsegger sieht die Risiken klar in den gegenüber der Schweizer Börse fehlenden Regulierung und der Intransparenz. «Es geht hier weniger um die Pflicht zur Publikation von Quartals- oder Halbjahresberichten sowie deren Detailierungsgrad, sondern vielmehr um die Gleichstellung der Aktionäre», sagt der Quantex-Fondsmanager. Im OTC-Markt sei es nicht zu verhindern, dass wichtige und grosse Aktionärsgruppen anders – d.h. besser, früher oder auch detaillierter – informiert würden. Kleinere Aktionäre werden teilweise nicht zeitgleich oder gar nicht informiert. Auch bestehen bei den OTC-Gesellschaften viele Gross- bzw. Mehrheitsaktionäre, denen der Kleinaktionär auf Gedeih und Verderben ausgeliefert ist (u.a. bei einem Aktienpaketverkauf). Das letztgenannte Risiko kann gemäss Rüegsegger auch bei kotierten Unternehmen vorkommen. Das habe der Fall Sika vor einigen Jahren gezeigt hat, allerdings mit gutem Ausgang.

Nur mit Limite handeln

OTC-Aktien weisen gemäss Hans Peter Diethelm bei Handelbarkeit und der Preissetzung Nachteile auf. Die Spanne zwischen Geld- und Brief-Kurs ist deutlich höher als an der Börse. «Daher halten wir in unserem News-Letter stets fest: Ausserbörsliche Aktien dürfen nur mittels Limite gekauft oder verkauft werden, wegen allfälligen grösseren Schwankungen», sagt der Vermögensverwalter. Anleger müssten Geduld mitbringen.

Auf welchen Aktien setzen die Experten in der aktuellen angespannten Börsensituation? Rüegsegger agiert bei den Nebenwerten aufgrund der «aktuellen Lage» ähnlich wie bei den kotierten Aktien: Er empfiehlt eine Übergewichtung von Gesellschaften mit tiefer konjunktureller Abhängigkeit wie Versorger, Nahrungsmittelhersteller, Gesundheitsdienstleister und Produzenten von Basiskonsumgütern. Die Unternehmen müssten ein gutes Management und eine langfristige Strategie aufweisen. Bei der Auswahl achtet der Quantex-Fondsmanager auf solide Bilanzkennzahlen, d.h. eine tiefe oder keine Verschuldung, eine konservative Bewertung der Aktiven, keinen oder kaum Goodwill bzw. immaterielle Werte und wie erwähnt transparent berichtende Gesellschaften.

Wegen tiefer Verschuldung wenig zinssensitiv

«Die KMU-Unternehmen sind in der Regel weniger stark verschuldet, weisen eine hohe Eigenkapitalquote und geringe Nettoverschuldung auf», sagt Sascha Hitz. Dies mache sie bei Krisen resilienter. Dank der geringen Verschuldung seien die Gesellschaften von Zinserhöhungen weniger stark betroffen. Aufgrund ihrer Grösse seien sie zudem agiler und könnten in der Regel schneller auf Entwicklungen wie Inflation und Rezession reagieren.

Aktuell mag Perger die Aktien aus dem Medtech- und dem Pharmabereich. Diese Unternehmen hätten ihre Prognosen kaum anpassen müssen. Auch Tech-Aktien hätten übertriebene Rückschläge hinnehmen müssen und seien oft wieder attraktiv. Finanztitel erachtet der Analyst als zu wenig spannend. Er glaubt aber nicht, dass die steigenden Zinsen grosse Verluste im Hypothekar- oder Kreditgeschäft bringen werden. Dafür seien die Polster zu gross. «Beim Thema Energie ist die Fantasie jedoch schon eingepreist», so der Analyst von Research Partners. Auch im Bereich «neue Energien» zu denen Perger Windkraftausrüster Gurit oder den Solarausrüster Meyer Burger zählt, gibt es für ihn wenig attraktive Anlagen.

«Die Auswahl ist im OTC-Bereich etwas eingeschränkt, zumal ein Grossteil der gehandelten Aktien, geschätzt ein Drittel, aus den Branchen Banken sowie Tourismus und hier vor allem Bergbahnen stammt», so Rüegsegger. Übergewichten würde er die Versorger CKW und Repower, die von den hohen Energiekosten in den nächsten Jahren profitieren werden und antizyklisch Holdigaz und Wasserwerke Zug (WWZ), Diese Gesellschaften würden zwar mittelfristig unter hohen Gestehungskosen leiden, mittelfristig die Preise aber weitergeben können und die erwähnten Kriterien erfüllen.

«Im Moment keine Aktien kaufen»

Absolute «Buys» sind für den Quantex-Fondsmanager Griesser und Weiss+Appetito, wenn diese auch etwas zyklischer seien. Reishauer empfiehlt er – trotz hoher Konjunkturabhängigkeit – wegen des starken Kursrückgangs ebenfalls. Die Gesellschaft sei völlig überfinanziert, sodass sie in den letzten Jahren noch jede Krise problemlos «überstehen» konnte. Diese drei Unternehmen empfehlen sich zudem in der längerfristigen Optik und auch, falls man davon ausgehe, dass die Rezession weniger schlimm ausfalle als angenommen.

Hans Peter Diethelm empfiehlt im Moment keine Aktien zum Kauf, denn «die Zinsen dürften noch steigen, auch wenn die US-Inflation gerade auf 7,7 % zurückging». Die Gewinne würden sich wegen den stark gestiegenen Energiekosten weiter reduzieren wie etwa jüngst bei Geberit. Der Vermögensverwalter legt momentan nicht in ausserbörsliche Aktien an, hat aber diverse Titel-Aufträge im Orderbuch der Banken platziert. Das KGV dieser «Geld-Kurse» sei vernünftig. «Für kurzfristiges Traden eignen sich OTC-Titel aber überhaupt nicht.»

schweizeraktien.net: Favoriten 2021 – Juni-Zwischenbilanz

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Die meisten repräsentativen Aktien-Indizes bleiben auf Rekordkurs, vereinzelt, wie in Japan, geht es aber auch nur seitwärts. Die Unternehmensgewinne liegen zumeist über den Erwartungen, der Renditeanstieg an den Anleihemärkten hat sich zuletzt wieder abgeflacht. Alles bestens also? Kommt auf die Auswahl an, denn ein Favoritenwechsel liegt in der Luft.

Das erste Halbjahr ist zu Ende. Das ist traditionell auch die Zeit für eine Zwischenbilanz. Das laufende Jahr ist jedoch in vielerlei Hinsicht atypisch. In den Wintermonaten war noch ein weitreichender Lockdown installiert, erst allmählich kehrte im Frühjahr eine Normalisierung der Bedingungen ein. Die veröffentlichten Zahlen sprechen für sich. So zeigt die Fremdenverkehrsbilanz für 2020 einen Rückgang der Umsätze um 47,8% auf 9.4 Mrd. CHF, so das Bundesamt für Statistik.

Schweizer Börse in Rekordlaune

Doch die Börse scheint das alles bisher wenig zu kümmern. Der SPI kletterte seit Jahresbeginn um weitere 15%, der SMI um 12%. Allerdings verläuft die Kursentwicklung einzelner Aktien und Industrien durchaus differenziert. Das Luxusgüter-Segment übernahm die Führung: Richemont legte um über 40% in den ersten sechs Monaten zu, Swatch um über 30% und Givaudan um immerhin 16%. Partners Group zählte mit einem Plus von 35% zu den besten Performern. Aber auch Schwergewichte wie Nestlé mit 11% gewannen deutlich. Fast alle Aktien legten zu, doch CS liegt um mehr als 12% hinten. Die Archegos- und Greensill-Debakel waren wohl doch zu viel des Schlechten. So entfällt mehr als die Hälfte der von der Finanzindustrie erlittenen Verluste durch das Archegos-Desaster allein auf CS.

Alternative Szenarien denkbar

Dabei ist aber im hohen Kursniveau und in den oft ambitionierten Bewertungen bereits die beste aller Welten eskomptiert. Die BIZ in Basel hat zwei weitere Szenarien entwickelt: Die Inflation könnte doch höher als gemeinhin angenommen ausfallen und länger andauern oder, alternativ, das Virus könnte die Weltwirtschaft länger und stärker im Griff behalten, als es sich in den gegenwärtig optimistischen Annahmen widerspiegelt, was die wirtschaftliche Erholung verzögern würde. Sollte die weitere Entwicklung der Unternehmensgewinne zu wünschen übrig lassen, wäre die Börse für signifikante Korrekturen anfällig.

Geringe Schwankungen der Favoriten

Doch ob nun zyklische Aktien ihren Gipfelsturm fortsetzen oder sich die beginnende Wiederentdeckung defensiver Aktien verstärkt, am Ende kommt es bei der Performance doch auf die Auswahl und die Perspektiven der Einzeltitel an. Im Juni kam es bei den Valoren der Favoritenliste von schweizeraktien.net nur zu geringen Kursveränderungen in beide Richtungen. Während Ypsomed wieder zurückgefallen ist, konnte Barry Callebaut Boden gutmachen. Die beiden Starperformer Swissquote und Coltene haben sich trotz Gewinnmitnahmen auf dem erhöhten Niveau halten können. Der Ausblick bei beiden Unternehmen bleibt positiv. Das gilt bei allen Favoriten, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. So sollte die Tatsache, dass inzwischen fast alle US-Amerikaner geimpft sind, dazu führen, dass die durch die Pandemie aufgehaltene Markteinführung der YpsoPump durch den Partner Eli Lilly in den USA nun beschleunigt von statten gehen wird.

Kursverlauf der Ypsomed-Aktie während der letzten zwei Jahre. Chart: money-net.ch
Durchschnitts-Performance

Bei den kotierten Aktien der Favoritenliste liegt die durchschnittliche Performance nach sechs Monaten bei 24,7%, bei den ausserbörslich gehandelten Aktien beträgt sie 11,7%, bezogen auf alle Titel sind es 18,9%. Dividenden bleiben unberücksichtigt.

Einstiegschance bei Vifor Pharma

Gibt es Gelegenheiten für das Portfolio, so sollte man sie nutzen. Das ist gegenwärtig angesichts des allgemein hohen Kursniveaus nicht einfach. Doch beim Pharma-Konzern Vifor bietet sich eine solche Einstiegschance. Die Aktie ist nach mehreren Durchstartversuchen doch immer wieder zurückgefallen. So auch zuletzt. Der Kurs rutschte kurzzeitig unter 120 CHF. Am 24. Juni meldete Vifor, dass der bisherige CEO Stefan Schulze zurücktritt und am 16. August sein Nachfolger Abbas Hussain übernimmt. Vielleicht gab es Differenzen zur weiteren Strategie. Doch der neue CEO ist ein ausgewiesener Pharma Executive mit langjährigen Stationen bei Eli Lilly und GSK. Dort war er in den letzten fünf Jahren Global President Pharmaceuticals and Vaccines.

Der Kurs der Vifor-Aktie rutschte zuletzt kurzzeitig unter 120 CHF. Chart: money-net.ch
Neue Besen kehren gut

Bei der Globalisierung von Vifor, schlagkräftigen Partnerschaften und der Skalierung des Produktportfolios könnte er nun den Sprung aufs nächste Level bewirken. Hilfreich könnte dabei auch der Private-Equity-Hintergrund des Kandidaten sein. Mehr zum Unternehmen findet sich in der schweizeraktien.net Evaluierung „Vifor Pharma: Wachgeküsst?“ von Ende November 2020. Die Aktie wird mit einem 2-Jahres-Anlagehorizont per Anfang Juli der Favoritenliste 2021 hinzugefügt.

Dividendenstrategie 2021: Die Herausforderungen für Anleger steigen

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Banking and finance, Saving money for future growth concept: Pours water from a watering can, Green sprout on bucket full of coins and graph growth business investment .

Jahrelang sind die jährlichen Ausschüttungssummen der börsenkotierten Unternehmen stetig gestiegen, zuletzt auf 1.428 Bio. USD. Doch 2020 sorgt nun die Pandemie in den meisten Industrien für eine abgeschwächte Nachfrage oder sogar echten Stress. Vielfach steht die Dividendenfähigkeit ernsthaft in Frage. Sind nun mit Blick auf ein wohl schwieriges Jahr 2021 Anpassungen im Dividendenportfolio angebracht?

Steigende Unternehmensgewinne und Dividenden sind Ausdruck einer gesunden und wachsenden Wirtschaft. Für 2016 lagen die globalen Ausschüttungen bei 1.164 Bio. USD und zeigten in den beiden Folgejahren Zuwächse von 8% und 9,8%. Für 2019 betrug der Zuwachs immerhin nochmals beachtliche 3,6% – so jedenfalls die global aktive Fondsgesellschaft Janus Henderson.

Ausschüttungssumme im zweiten Quartal um 20% gefallen

Bereits seit 2009 führt die Gesellschaft den aus den globalen Top 1’200, nach Marktkapitalisierung gerankten, Dividendenzahlern zusammengestellten Janus Henderson Global Dividend Index. Der zeigt nun im zweiten Quartal 2020 zum ersten Mal einen Rückgang um rund 20% an. Als Summe ausgedrückt fielen die Ausschüttungen um 108.1 Mrd. USD auf 383.2 Mrd. USD. Das ist das schwächste Quartal seit 2012! Volle 27% der ausschüttenden Unternehmen kürzten oder strichen die Dividende.

Globale Dividenden (in Mrd. USD)
Globale Dividenden (in Mrd. USD). Quelle: Janus Henderson
Schweiz und Nordamerika in Sonderstellung

Allerdings sind die Dividendenkürzungen und -streichungen nach Ländern, Regionen und Industrien höchst unterschiedlich verteilt. Europa kommt besonders schlecht weg. In Frankreich, dem europäischen Land mit den höchsten Dividendenausschüttungen, fiel die Summe auf den tiefsten Stand seit mindestens 10 Jahren. In den USA und insbesondere Kanada blieben die aggregierten Dividendenzahlungen dagegen nahezu unverändert. Die gute Nachricht ist, dass die Ausschüttungssumme in der Schweiz im zweiten Quartal auf bereinigter Basis nicht zurückgegangen ist. Die Bereinigung bezieht sich auf Wechselkursveränderungen und die für UBS und CS angeordnete Zurückstellung der hälftigen Ausschüttung.

Schweizer Unternehmen schütten 23.2 Mrd. USD im zweiten Quartal aus

In Summe zahlten die Schweizer börsenkotierten Gesellschaften im zweiten Quartal beachtliche 23.2 Mrd. USD an Dividenden. Mit 8.23 Mrd. USD führt Nestlé nicht nur die Liste der Schweizer Top-Dividendenzahler an, sondern ist weltweit der führende Dividendenzahler. Auf Rang 2 in der Schweiz folgt Zurich Insurance mit 3.1 Mrd. USD; weltweit liegt Zurich Insurance damit immerhin auf Rang 14. Swiss Re zahlte 1.99 Mrd. USD und belegt damit Rang 3 in der Schweiz und Rang 28 in der globalen Liste. Sowohl Nestlé als auch Swiss Re befinden sich bereits seit November 2018 in der Auswahl-Liste der jährlichen schweizeraktien.net Dividendenstrategie.

Sistierte und gekürzte Dividenden in der Schweiz

Nur Sonova hat die Dividende für 2019 ganz gestrichen, Swiss Life und Swatch haben die Ausschüttung gekürzt. Im Verlauf des dritten Quartals hat sich das Bild aber weiter eingetrübt. Mikron kürzte von 3.3 Mio. CHF Ausschüttungssumme auf 1 Mio. CHF. Valora und Aevis Victoria strichen die Ausschüttungen zwischenzeitlich ganz. Sonova setzte auch das Aktienrückkaufprogramm aus. Die Banken stehen weiterhin unter dem wachen Auge der Finma, die vor allem eine Krise des Finanzsystems abwenden und keinesfalls eine Verschlechterung der Eigenmittelausstattung der systemrelevanten Finanzintermediäre riskieren will. Bei vielen weiteren Unternehmen steht eine Ausschüttung für das Geschäftsjahr 2020 durchaus ernsthaft infrage, denn wichtiger als die Dividende dürfte es auch für die Aktionäre sein, die Liquidität zu schonen – und vor allem das Überleben sicherzustellen.

Top Spot für Healthcare

Die unerwartete Krise zeigt, dass nicht jede sogenannte Dividenden-Strategie wirklich langfristig funktioniert. Wie in allen Investmentangelegenheiten zahlt es sich aus, kritisch an die Aktien-Auswahl heranzugehen und diese immer wieder auf Herz und Nieren zu prüfen. Wie sich zeigt, ist die in den Vorjahren getroffene Auswahl soweit ganz gut über die Krise gekommen. Dabei ist der mit 5:4 auf den Healthcare-Sektor gelegte Schwerpunkt generell positiv mit Blick auf die Dividendenhöhe und -sicherheit zu bewerten. Dies vor allem, weil die Gewinnentwicklung der gewählten Aktien nicht wirklich leidet und damit die relative Attraktivität der Aktien zunimmt versus Aktien aus zyklischen Industrien oder Branchen, die von der Pandemie stärker betroffen sind.

Consumer Staples – noch ein Fels in der Brandung

Die relative Attraktivität gilt auch für den Weltmarktführer in der Nahrungsmittelindustrie, Nestlé. Untenstehende Grafik zeigt am Beispiel des amerikanischen S&P 500 Index, welche Veränderungen in der Gewinnentwicklung der einzelnen Sektoren die Analysten für das dritte Quartal erwarten. Wie schnell ersichtlich wird, sind Healthcare und nicht zyklische Konsumgüter die Sektoren, die neben Technologie die geringsten Einbussen zu erwarten haben. Die nachhaltige Dividendenfähigkeit dieser Sektoren steht somit kaum infrage.

     

Neun Aktien – neunmal Dividendenerhöhung in 2020

Ausnahmslos alle neun Titel, die im November 2018 respektive November 2019 in das Dividenden-Portfolio aufgenommen worden waren, erhöhten im laufenden Jahr die Ausschüttung pro Aktie, z. T. deutlich. Dies steht im Kontrast zu den meist nur gehaltenen oder sogar gekürzten oder gestrichenen Dividenden in der Schweiz und weltweit. Jedes dividendenorientierte Portfolio sollte nicht nur die absolute Höhe der Ausschüttungen der infrage kommenden Aktien in Betracht ziehen, sondern vor allem die Perspektiven für fortgesetzte Gewinnsteigerungen und damit Dividendenkontinuität sowie -steigerungspotenzial. Dabei sind die Empfehlungen von Banken und Börsenratgebern nicht immer hilfreich. Ein Rückblick auf die vor einem Jahr populären Tipps hinsichtlich Dividendenaktien offenbart das ganze Ausmass der Schieflagen. Demgegenüber beträgt die durchschnittliche Dividendenrendite der auf schweizeraktien.net ausgewählten neun Aktien aktuell trotz der teilweise erhöhten Kursbasis überdurchschnittliche 4,2%.

 

Vorstellungskurs

Kurs 22.10.20 Performance Aktuelle Dividenden- rendite (2020)
Nestlé 85.14 106.32 24.90% 2.50%
Novartis 80.4 76.63 -4.70% 3.90%
Roche 257.20 298.40 16.00% 3%
Galenica 46.42 60.30 29.90% 3.00%
Landis & Gyr 62.05 52.35 -15.60% 6.00%
Swiss Re  91.26 67.48 -26% 8.70%
BB Biotech 64.20 60.85 -5.20% 5.60%
SIG Combibloc 14.16 19.27 36.10% 2.00%
HBM Healthcare 200.00 273.00 36.50% 2.80%
Durchschnitt     10.40% 4.20%
Vorstellungskurs für alle Aktien ist der 26.11.18 ausser HBM Healthcare und SIG Combibloc, bei denen es der 11.11.19 ist. Quelle: SIX Swiss Exchange
         
Trennung von Landis + Gyr

Auch wenn nicht alle Aktien im Plus liegen, die durchschnittliche Performance der Aktien liegt mit 10,4% deutlich im positiven Bereich. Dazu kommen die Dividenden, sodass der Total Return p.a. bei rund 9% liegt. Die Auswahl ist langfristig angelegt, dennoch ist festzustellen, dass die Auswirkungen der Pandemie zumindest im Fall Landis + Gyr so gravierend sind, dass es spätestens jetzt besser ist, sich von der Aktie zu trennen. Auftragseingang, Umsatz, Projektentwicklung – alle wichtigen Parameter zeigen prozentual zweistellige Rückgänge. Bereits im November 2019 waren Gewinnmitnahmen nahegelegt worden, nachdem die Aktie innert eines Jahres um 78% zugelegt hatte.

Chart LandisGyr
Seit dem Absturz im März hat sich die Landis-Aktie nicht mehr erholt. Chart: moneynet.ch
Mega-Caps auf Kurs

Die drei Mega-Caps Nestlé, Novartis und Roche bleiben auf Erfolgskurs, auch wenn die breit diversifizierten Aktivitäten zum Teil zeitweilig mehr oder weniger unter den von der Pandemie geprägten Bedingungen leiden. Dem stehen jedoch Konzernbereinigungen wie bei Nestlé gegenüber, die das Ziel haben, sich auf wachstums- und margenstärkere Segmente zu konzentrieren. Novartis hat die Tochter Alcon erfolgreich an die Aktionäre als Sachdividende verteilt, was, beiläufig bemerkt, die Rendite der Aktie erheblich besser aussehen lässt als die blosse Kursveränderung der letzten zwei Jahre. Roche ist auf Onkologie und Immunologie spezialisiert, wo die Erkenntnisse der Forschung und die technologischen Möglichkeiten zu bahnbrechenden, aber auch teuren neuen Diagnostika und Therapeutika führen. Es gibt keinen erkennbaren Grund, von diesen drei Aktien als Nukleus eines Schweizer Dividenden-Portfolios abzurücken.

Galenica mit stetiger Geschäftsentwicklung

Das gilt auch für Galenica, den 1927 gegründeten Apothekenbetreiber und -grossisten, bei dem sich auch für 2020 ein Umsatzanstieg von gut 4% abzeichnet. Während EBIT und Gewinn stagnieren, dürfte die Dividende dennoch um 4% erhöht werden. Das sagt jedenfalls der Konsens von 11 Analysten, die die Galenica-Aktie abdecken. Für die beiden Folgejahre wird erwartet, dass EBIT und Gewinn kräftiger als der Umsatz zunehmen und jeweils Anhebungen der Ausschüttungen im mittleren einstelligen Prozentbereich vorgenommen werden. Die Analystenschätzungen weisen eine geringe Streuung auf, was charakteristisch für das hochgradig prognostizierbare Geschäft von Galenica ist. Das Unternehmen hat wenig Konkurrenz und baut systematisch das Beauty- und Eigenmarkengeschäft aus, das höhere Margen bietet.

Biotech – Wachstum und Dividenden

Zwei Investments sind im Biotech- respektive Healthcare-Sektor angesiedelt. Es handelt sich um die Beteiligungsgesellschaften BB Biotech, seit November 2018 im Portfolio, sowie HBM Healthcare, der vor einem Jahr der Vorzug gegeben worden war. Zwischenzeitlich kletterte der Kurs um 36%, die Dividendenrendite ist daher trotz Erhöhung auf 2,8% gesunken. Die Gesellschaften verfolgen unterschiedliche Investmentansätze und Strategien. Während BB Biotech schwerpunktmässig auf etablierte und profitable Biotech-Grössen und auch innovative Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe setzt, kommt der über die letzten Jahre hohe Gewinnanstieg bei HBM Healthcare davon, dass Beteiligungen, die teilweise vor über 10 Jahren initiiert wurden, nun zur Börsenreife gelangt sind oder lukrative Angebote von grösseren Playern auf sich ziehen. Allein die Beteiligung Cathay brachte bei ihrem Börsengang in Hongkong Bewertungsgewinne von über 400 Mio. CHF. CEO Wicki erläuterte im August im schweizeraktien-Interview, warum noch viel Raum zur Expansion besteht. Das BB Biotech-Investment bleibt trotz der wenig inspirierenden Kursentwicklung fortbestehen, denn es bietet gut gewählte Exposure zur chancenreichen US-Biotechnologie, eine Wachstumsindustrie mit und ohne Pandemie.

Bei Performance und Dividende können die Aktien von HBM überzeugen. Chart: moneynet.ch
SIG Combibloc

Ebenfalls um 36% brachte die Neuaufnahme des vorigen Jahres, SIG Combibloc. Das Wachstumstempo wird zwar durch die Pandemie in einzelnen Regionen vorübergehend gedämpft, doch an den Tendenzen zur Müllvermeidung und Nutzung von Recyclingmaterialien ändert sich nichts. Die Kreislaufwirtschaft steht weltweit auf der Agenda weit oben.

Gute Performance trotz Krise: die Aktie von SIG Combibloc. Chart: moneynet.ch
Swiss Re

Swiss Re zahlt eine hohe Dividende, dafür muss der Aktionär die Risiken des Rückversicherungsgeschäftes mittragen. Im ersten Halbjahr 2020 lag das Prämienwachstum bei 10%, der Gewinn lag bei 865 Mio. USD vor Covid-bezogenen Schadenfällen und Rückstellungen. Diese beliefen sich auf 2.5 Mrd. USD, wodurch ein Verlust von 1.1 Mrd. USD entstand. Die Solvenz des globalen Top-Rückversicherers liegt über dem Industriestandard und den regulatorisch geforderten Quoten. Der nicht überraschende und vorübergehende Kursrückgang ist hinzunehmen.

Fazit

Krisen, externe Schocks und rezessive Tendenzen sind für einkommensorientierte Anleger immer grosse Herausforderungen, denn es gilt, sowohl das Kapital zu erhalten als auch nachhaltige Dividendeneinkünfte zu erzielen. Unnötige Risiken sind zu vermeiden. Solange es keine stichhaltigen Gründe für massiv verschlechterte Perspektiven bei den Einzeltiteln gibt oder sich die Dividendenperspektiven für bislang nicht berücksichtigte Sektoren oder Unternehmen signifikant verbessern, gibt es keinen Anlass für Änderungen in der Zusammensetzung. Die Lage kann natürlich in sechs Monaten oder einem Jahr anders sein.

Novartis, Nestlé & Co.: Comeback der defensiven Aktien

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Novartis CEO Vasant Narasimhan will sich auf das Pharma-Geschäft konzentrieren und Alcon, das Ophtalmologiegeschäft, nächstes Jahr an die Börse bringen. Bild: novartis.com

Novartis CEO Vasant Narasimhan will sich auf das Pharma-Geschäft konzentrieren und Alcon, das Ophtalmologiegeschäft, nächstes Jahr an die Börse bringen. Bild: novartis.com

Ab Mitte 2016 waren defensive Aktien aus den Sektoren Pharma, Nahrungsmittel, Tabak in einem relativen Abwärtstrend, da sich plötzlich die davor jahrelang herrschende Eurosklerose als Folge der Liquiditätsschöpfung und der historisch tiefen Zinsen in einen Wachstumsboom verwandelt hatte. Zyklische Aktien waren plötzlich gefragt und zeigten bis Anfang 2018 auch eine überzeugende Outperformance. Doch der im März vom US-Präsidenten angekündigte internationale Zoll- und Handelskrieg ist inzwischen in vollem Schwung – und die Rotation in defensive Aktien ebenfalls.

Die meisten Investoren bleiben jedoch weitgehend unverändert auf globales Wachstum eingestellt, und ihre Portfolien sind immer noch entsprechend positioniert. Das hat jedoch weitsichtige Anleger nicht davon abgehalten, die günstigen Bewertungen der nicht zyklischen Aktien im Frühjahr zum Aufbau von Positionen zu nutzen. Die Wiederentdeckung erfolgte allerdings nicht überall zeitgleich. Während die in London kotierte GSK Glaxo SmithKline bereits seit März eine sichtbare Umkehrformation mit gut 20% Kursgewinn vollzogen hat, wurden die Schweizer Schwergewichte Novartis, Roche und Nestlé erst gegen Ende Juni aus ihrer Seitwärtsbewegung gerissen und drehten dann kraftvoll nach oben. Zur Überraschung vieler Anleger, denn die drei Blue Chips galten zuletzt als lahme Enten.

Devisenmärkte in Bewegung

Bei der Betrachtung von GSK vs. Novartis drängt sich auf, die Entwicklung an den Devisenmärkten mit ins Kalkül zu ziehen. Während das britische Pfund nach einer Erholungsphase in 2017 dieses Jahr erneut zur Schwäche tendiert, hat der Franken nach einer Seitwärtsbewegung in den ersten Monaten des Jahres einen neuen Höhenflug gestartet, allerdings nicht in USD. Da aber der USD seinerseits Stärke zeigt, sind USD und CHF die härtesten Währungen und ziehen folglich Kapital aus den anderen Währungsräumen an.

Vergleich der Kursentwicklung GSK Glaxo SmithKline (blaue Linie) mit Novartis (schwarze Linie) im Jahr 2018. Quelle: marketwatch.com

Vorteile von Dividendenaktien

Die Motive der Käufer von defensiven Aktien sind vielfältig. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Dividende. Zum einen sind ihre Höhe und auch die langfristige Steigerungsfähigkeit entscheidende Kriterien für Investoren, die Einkommen generieren wollen. Zum anderen bietet eine hohe Dividendenrendite zum Einstiegszeitpunkt auch eine gewisse Sicherheit für ein über kurz oder lang zu befürchtendes weniger günstiges Börsenumfeld.

Protektionismus verdirbt Börsenparty

Genau das ist in den letzten Monaten jedoch brachial in das „Goldlöckchen-Szenario“ der Anlegerschaft eingedrungen, und zwar in Form von Zöllen und Handelsschranken. Zyklische Aktien aus den Bereichen Automobil, Investitionsgüter etc. beendeten an der Börse ihren Aufwärtstrend abrupt und verloren in 2018 bisher zweistellig, z.B. Daimler von 76 EUR auf 54 EUR und Caterpillar als Leitaktie im Dow-Jones vom All-Time High bei 173 USD auf 132 USD.

Kursentwicklung von Caterpillar (blaue Linie ) im Vergleich zum Dow Jones (schwarze Linie). Quelle: marketwatch.com

Setzt sich der Wachstumstrend fort?

Gegenwärtig scheint es bei den Investoren zwei Lager zu geben. Das grössere der beiden bleibt von der Fortsetzung des Wachstumskurses der letzten Jahre überzeugt und interpretiert Trumps sprunghaftes „Geschäftsgebaren“ als Taktiererei, um mehr für sich und seine Wiederwahlchancen und die USA herauszuholen. „Ein Sturm im Wasserglas“, so liesse sich die Betrachtungsweise der Mehrheit zusammenfassen. In den Portfolios der Investoren, die eine solche Perspektive einnehmen, sind und bleiben defensive Sektoren untergewichtet – noch.

Oder sind rezessive Tendenzen zu erwarten?

Das andere Lager ist weniger optimistisch, was die weiteren Perspektiven für das globale Wachstum anbelangt. Solche Portfolios spiegeln in unterschiedlichem Ausmass die Vorsicht wider, und defensive Sektoren und Value-Aktien sind höher gewichtet. Und manche Investoren bewegen sich dazwischen und schichten nach und nach entsprechend der Branchenrotation um.

Das Revival der defensiven Aktien. Die Linie setzt die defensiven Aktien im Verhältnis zu den zyklischen. Das Balkendiagramm zeigt das Bruttoinlandprodukt in der Eurozone in den letzten fünf Jahren. Quelle: ukreuters.com

September und Oktober im Blickfeld

Noch ist offen, ob sich das globale Wirtschaftswachstum weiter abkühlen wird oder doch noch einmal beschleunigt. Abgesehen von den verschiedenen Frühindikatoren gilt es vor allem, die politische Bühne im Blick zu behalten. Bisher gingen die Impulse für protektionistische Massnahmen überwiegend von Trump aus. Die USA als grösste Volkswirtschaft der Welt können als vielleicht einziges Land wegen der wirtschaftlichen Dominanz ihre Agenda auch durchsetzen. Ob es sich bei den weitergehenden Androhungen von neuen Zöllen nur um Einschüchterungsversuche handelt oder diese tatsächlich auch vollumfänglich umgesetzt werden, wird sich im September und Oktober zeigen. Die China angedrohten Zölle auf ein weiteres Exportvolumen von 200 Mrd. USD werden bis Anfang September entweder verworfen, abgeändert oder aber eingeführt. Ähnlich verhält es sich mit den der EU angedrohten Zöllen auf Automobile. Hier ist der Oktober voraussichtlich der Monat der Entscheidung.

Branchenrotation im Gang

Wie die Dinge liegen, ist wohl von einer weiteren Eskalation auszugehen und damit einer weiteren Abkühlung des Wachstumstempos und des Investitionsklimas. Fall-out wie der Türkei-Crash und die weitergehenden Effekte an den Devisenmärkten dämpfen die Wachstumserwartungen zusätzlich. Für die Börse ist daher zu erwarten, dass die Branchenrotation in defensive Aktien und Sektoren andauert. Da zumindest bei den Titeln mit hoher Marktkapitalisierung ausländische institutionelle Anleger die Kurse machen, ist deren Einschätzung massgebend.

Schwergewichte mit erstaunlicher Trendwende

Die jüngste Kursentwicklung zeigt, dass die Schwergewichte Novartis, Roche und Nestlé gar nicht so schwer sind, wenn nur ausreichend Nachfrage bei den Aktien herrscht. Roche ist um gut 20% seit Juni gestiegen, Novartis und Nestlé jeweils um rund 15%. Bei Novartis hat dieses Jahr ein neuer CEO den Taktstock übernommen. Er will sich von margen- und wachstumsschwachen Bereichen trennen und Novartis auf das Kerngeschäft Arzneimittel refokussieren. Ein wichtiger Meilenstein wird der Spin-off von Alcon, dem Ophtalmologiebereich, im kommenden Jahr werden, wenn, wie erwartet, die GV im Februar 2019 zustimmt.

Management hat Kerngeschäft im Fokus

Refokussierung auf das Kerngeschäft und Steigerung der Margen ist auch das Rezept bei Nestlé, wo ebenfalls ein neuer CEO für frischen Wind sorgt. Beide Aktien waren auf schweizeraktien.net bereits vor dem letzten Jahreswechsel und danach als aussichtsreich dargestellt worden. Die Aktionäre brauchen jedoch Geduld, denn wie sich der Kurs eines Ozeandampfers nicht so plötzlich ändern lässt, so braucht es bei grossen Konzernen auch ein wenig Zeit. Für beide Aktien spricht neben dem Managementaspekt und der Branchenrotation in defensive Titel die hohe und steigerungsfähige Dividendenrendite sowie eine immer noch relativ attraktive Bewertung.

Schilthornbahn: 55. Generalversammlung im Zeichen des Jubiläums – Sonderdividende beschlossen, Rekordbesuch mit 346 Aktionären

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Mit 346 Aktionären verzeichnete die GV der Schilthornbahn einen Rekordbesuch. Bild: schweizeraktien.net

Mit 346 Aktionären verzeichnete die GV der Schilthornbahn einen Rekordbesuch. Bild: schweizeraktien.net

Die Schilthornbahn hat Grund zum Feiern: Vor genau 50 Jahren wurde die durch James Bond weltbekannt gewordene Bahn im Berner Oberland in Betrieb genommen. Auch die Aktionäre der Schilthornbahn AG feierten anlässlich der Jubiläums-Generalversammlung mit. Insgesamt nahmen 346 Aktionäre an der 55. Generalversammlung teil. Gegründet wurde die Gesellschaft bereits fünf Jahre vor der Eröffnung der Bahn. Verwaltungsratspräsident Peter Feuz zeigte sich bei der Begrüssung der Aktionäre und Gäste erfreut über die grosse Teilnehmerzahl und das damit gezeigte Interesse der Anteilseigner an ihrem Unternehmen. Denn gegenüber dem Vorjahr, in dem nur 240 Aktionäre die Versammlung besuchten, stellte die Aktionärszahl einen markanten Anstieg dar.

Stolzer Rückblick auf 50 Jahre Schilthornbahn

Nicht ohne Stolz berichtete Peter Feuz anlässlich des Jubiläums über die wichtigsten Meilensteine in der Firmengeschichte. Am 12. Juni 1967 begann mit der Inbetriebnahme des letzten Teilstücks Birg-Schilthorn die Erfolgsgeschichte der Bahn. Gleichzeitig startete mit der Eröffnung des ersten Drehrestaurants Piz Gloria auch eine neue Epoche der Berggastronomie in den Alpen. Die anfänglich von zahlreichen Kritikern vorgebrachten Einwände und deren Skepsis gegenüber dem Projekt erwiesen sich rasch als Makulatur. Trotz der schwierigen Finanzierungssituation, die mehrere Kapitalerhöhungen erforderte, erreichte die Bahn bereits im vierten Jahr die Gewinnzone. Einen wichtigen Beitrag zum Erfolg des Projektes leisteten die Dreharbeiten zum James-Bond-Film «Im Geheimdienst ihrer Majestät», der 1969 in die Kinos kam, und von dem die Bahn noch heute profitiert. Zu den belastenden Faktoren gehörten damals die aufwendigen Bauarbeiten und die starke Bauteuerung. Doch schon 1974 war es der Gesellschaft möglich, den Aktionären eine Dividende auszuzahlen.

Übernahme weiterer Bahnen

Die Schilthornbahn besteht nicht nur aus der legendären Bahn auf das Schilthorn, sondern aus zahlreichen weiteren Bahnen. Diese konnten alle von den früheren Eigentümern übernommen werden. Neben den zahlreichen Gondelbahnen, die ab dem Jahr 1993 durch Neubauten ersetzt wurden und damit die Attraktivität des Skigebiets steigerten, erwarb die Schilthornbahn auch die Standseilbahn Mürren-Allmendhubel von der Jungfraubahn. Diese für Mürren sehr wichtige Bahn durfte nicht abgebrochen werden. Feuz beteuerte auch die Wichtigkeit der Qualität der Anlagen und deren Benutzerfreundlichkeit. In den letzten Jahren habe die Gesellschaft daher nicht nur in die Erneuerung der Bahnen, sondern auch massiv in die Verbesserung der Pistenqualität investiert. Essenziell für den Erfolg sei die künstliche Beschneiung der Pisten geworden, ergänzte der VR-Präsident. Die Unternehmensgeschichte von der Gründung bis zum 50-jährigen Jubiläum hat die Bahn in einem Buch zusammengefasst, das die GV-Besucher am Ende der Versammlung als Geschenk mitnehmen durften.

2016 mit zahlreichen Höhepunkten

CEO Christoph Egger (r.) und VRP Peter Feuz. Bild: schweizeraktien.net

Über den Geschäftsgang im 2016 und das laufende Jahr informierte CEO Christoph Egger die Aktionäre im Anschluss an das Referat von Peter Feuz. Ein Höhepunkt sei die Inbetriebnahme des komplett sanierten Gipfelgebäudes am 9. Dezember 2016 gewesen, berichtete Egger. Bereits in der Wintersaison 2015/16 hätten die Besucher vom neuen, deutlich komfortableren Skiausgang auf Piz Gloria profitieren können. Das absolute Highlight sei jedoch die Eröffnung des Thrill Walk bei der Mittelstation Birg am 7. Juli 2016 gewesen. Der neue Felsensteg werde von den Gästen sehr positiv aufgenommen, so Egger. Dies zeigte sich auch in den Besuchsfrequenzen des Restaurants Birg, das nun wesentlich besser genutzt werde. Egger verwies dabei auf die markant höheren Umsätze.

37’000 zusätzliche Besucher dank UBS-Aktion

Einen starken Besucheransturm brachte die Aktion der Schweizer Grossbank UBS, die es ihren Kunden durch ein Sponsoring ermöglichte, für 10 CHF auf den Berg zu fahren. Von dieser Aktion machten im Sommer 2016 über 37‘000 Personen Gebrauch. «Das Schilthorn war der meistbesuchte Berg der gesamten UBS-Aktion, noch vor dem Pilatus und dem Gornergrat», erklärt Christoph Egger sichtlich erfreut. Der grosse Ansturm hatte aber auch Schattenseiten: So mussten die Besucher an Spitzentagen an allen Stationen lange Wartezeiten in Kauf nehmen.

Ebenfalls zu den Höhepunkten des letzten Jahres gehörte die Neugestaltung des Flower Trails auf dem Allmendhubel. Als richtig erwiesen hat sich nach Informationen von Egger auch die Verlängerung der Betriebszeiten der Bahn während der Sommermonate in die Abendstunden hinein. Vor allem die Besucher aus Asien und den arabischen Ländern reisen oft erst abends an und können dank der verlängerten Betriebszeiten noch auf das Schilthorn fahren. Gleichzeitig wird ihnen ein einmaliges Naturerlebnis mit dem Sonnenuntergang auf dem Berg geboten.

Gute Geschäftszahlen im Berichtsjahr

Die Umsätze in 2016 erreichten mit 26.7 Mio. CHF das Vorjahresniveau und übertrafen damit zum zweiten Mal in der Unternehmensgeschichte die Marke von 25 Mio. CHF. Sehr erfreulich entwickelte sich das Sommergeschäft mit einem vierten Rekord in Folge. So legten die Frequenzen der Luftseilbahn um 12.7% zu. Allerdings konnte sich die Schilthornbahn dem Negativtrend im Wintersportgeschäft nicht entziehen. So gingen die Winterfrequenzen um 6% zurück. Nur dank der maschinellen Beschneiung der Pisten war ein Wintersportbetrieb über die Festtage möglich. Der Verkehrsertrag litt zudem unter den nochmals tieferen Abgeltungsleistungen für die öffentliche Erschliessung von Gimmelwald und Mürren. Trotz diesen belastenden Faktoren konnte der Verkehrsertrag um 0.3% gesteigert werden. Auf der Aufwandseite schlug sich die Frequenzsteigerung bei den Restaurants in einem deutlichen Plus des Warenaufwands um 17.3% nieder. Auch der Personalaufwand legte um 4.4% zu. So fiel der Reingewinn mit 1.9 Mio. CHF um 3.7% tiefer aus als im Vorjahr. Wegen des Jubiläums erhalten die Aktionäre eine Sonderdividende von 14 CHF zusätzlich zur regulären Ausschüttung von 36 CHF.

Erfolgreicher Start ins 2017

Zu Jahresbeginn 2017 entwickelte sich das Geschäft wegen des warmen und trockenen Wetters schwierig, besserte sich aber in den Folgemonaten deutlich. Massive Zuwächse erzielten die Bereiche Gastronomie mit plus 34.7% und die Shops mit plus 29.7%. Aber auch die Bahnfrequenzen stiegen um deutlich mehr als 10% im Vergleich zum Vorjahr an.

Abstimmungen erfolgten einstimmig

Unterhaltung für die Aktionäre mit Sängerin Michele Ryser. Bild: schweizeraktien.net

Im Anschluss übernahm wieder VR-Präsident Feuz das Zepter. Er führte durch die anstehenden Abstimmungen, die allesamt einstimmig zugunsten der Anträge des Verwaltungsrats erfolgten. So wurden der Geschäftsbericht, die Ausschüttung der Dividende, die Entlastung des Verwaltungsrats und dessen Wiederwahl sowie die Wahl der Revisionsstelle von den Aktionären gutgeheissen.

Im Anschluss an die GV feierten die Aktionäre das Jubiläum in einem Festzelt bei einem Apéro riche und einer musikalischen Darbietung der bekannten Sängerin Michele Ryser.

Fotogalerie der Generalversammlung

Pilatus-Bahnen: Im August besuchten so viele Gäste den Pilatus wie noch nie

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Morgenstimmung am Pilatus mit dem Hotel Pilatus Kulm (l.) und dem Hotel Bellevue (r.). Der bekannte Rundbau soll in den kommenden Jahren erneuert werden. Bild: pilatus.ch

Morgenstimmung am Pilatus mit dem Hotel Pilatus Kulm (l.) und dem Hotel Bellevue (r.). Der bekannte Rundbau soll in den kommenden Jahren erneuert werden. Bild: pilatus.ch

Die Sommersaison in den Bergen geht zu Ende. Während sich die allgemeine Wirtschaftslage auch in der Schweiz leicht eingetrübt hat, brummt der Tourismus nach wie vor. Im August stieg die Anzahl der Logiernächte gegenüber dem Vorjahr nochmals um 3,3% an. Von den Besucherströmen profitierten auch die Pilatus-Bahnen. 338’605 Gäste besuchten den Luzerner Hausberg von Januar bis Juni. Der August war dann mit 137’096 Gästen der besucherstärkste Monat seit Bestehen. Dies teilte die Pilatus-Bahnen AG in einem Aktionärsbrief mit.

6,9% mehr Ersteintritte im Jahr 2025

Das Geschäftsjahr 2025 sei auf gutem Weg, ein weiteres erfolgreiches Kapitel der Unternehmensgeschichte zu werden, schreibt die Bahngesellschaft weiter. Per Ende August 2025 liege die Zahl der Ersteintritte mit 596’946 um 6,9% über dem Vorjahreswert und damit auf dem Niveau von vor der Covid-19-Pandemie. 2019 lag die Zahl bei 578’332 Ersteintritten. Als Gründe führen die Pilatus-Bahnen u. a. die günstigen Wetterverhältnisse im Sommer sowie die anhaltend starke Nachfrage aus dem nordamerikanischen Markt an.

Die Gästezahlen und der Umsatz legten bei den Pilatus-Bahnen bis Ende August weiter zu. Abb. Aktionärsbrief 2025, pilatus.ch

Umsatz steigt auf 31.4 Mio. CHF

Die erfreuliche Entwicklung bei den Gästezahlen habe sich auch auf die finanzielle Lage ausgewirkt, heisst es weiter. Per Ende August 2025 lag der Gesamtumsatz mit 31.4 Mio. CHF um 7,9% über dem Vorjahreswert. Dabei erreichte der Verkehrsertrag mit 19.2 Mio. CHF ein Plus von 6,9%. Auch die Gastronomie (+7,4%), das Merchandising (+10,9%) sowie die Freizeitanlagen (+14,7%) legten beim Umsatz kräftig zu. Lediglich in der Hotellerie ging der Umsatz leicht um 1,9% auf 1.4 Mio. CHF zurück.

Der Rückgang in der Hotellerie sei vor allem auf weniger Gruppengäste im August und eine etwas geringere Auslastung des Business Centers zurückzuführen, begründet das Unternehmen die Situation. «Diese Resultate unterstreichen die Stärke unseres diversifizierten Geschäftsmodells und bestätigen den Erfolg unseres Destinationsansatzes», schreiben die Pilatus-Bahnen in ihrem Aktionärsbrief.

Neue Gondelbahn und neues Hotel

Ausserdem weist das Unternehmen auf die zwei nächsten strategischen Projekte hin. So soll die Gondelbahn Kriens–Fräkmüntegg in den kommenden Jahren ersetzt werden, da die bestehende Konzession 2038 ausläuft. Ebenso steht die Erneuerung des Hotels Bellevue auf dem Pilatus an. «Das Hotel wurde in den 60er Jahren erbaut und entspricht nicht mehr allen aktuellen Standards», so die Bahn weiter.

Die Aktie der Pilatus-Bahnen AG legte in diesem Jahr nur leicht zu. Chart: otc-x.ch

Die Aktien der Pilatus-Bahnen AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt wurden 2’800 CHF für eine Aktie bezahlt. Die Dividende für 2024 lag bei 70 CHF pro Aktie, was bei einer gleichbleibenden Ausschüttung einer Rendite von 2,5% entspricht.

Hinweis in eigener Sache: Am 21. Oktober 2025 findet der Branchentalk Tourismus im Kursaal Bern statt. Am Investoren-Meeting präsentieren u.a. Titlis Bahnen, Kursaal Bern, Bernexpo, AEVIS Victoria und Flughafen Zürich. Nachmittags finden Referate und Diskussionen zum Thema «Tourismus anders denken» statt.

Welinvest: Zwingt neues Basler Mietrecht Beteiligungsgesellschaft zum Aufgeben?

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In der Liegenschaft Petersgraben 35 in Basel hat Welinvest seinen Sitz. Bild: https://www.unibas.ch

In der Liegenschaft Petersgraben 35 in Basel hat Welinvest seinen Sitz. Bild: www.unibas.ch

In Basel scheint das Ende einer traditionsreichen Gesellschaft besiegelt. Wie der Einladung zur 142. Generalversammlung der Welinvest AG zu entnehmen ist, soll am 13. Oktober 2025 die Auflösung der Gesellschaft beschlossen werden. Ebenso wird die Ausschüttung einer Dividende von 1’250 CHF pro Aktie beantragt.

Mehrheitlich im Besitz der Familie von Finck

Ihre Ursprünge hat Welinvest im Brauereigeschäft, das bereits 1973 aufgegeben wurde. Seither legt das Unternehmen, das mehrheitlich im Besitz der deutschen Bankiersfamilie von Finck ist, den Fokus auf die Vermögensverwaltung mit Immobilien, Aktien und Edelmetallen. Nachdem bereits in den vergangenen Jahren stets Immobilien verkauft und hohe Dividenden ausgeschüttet wurden, steht nun der finale Schritt bevor. Unter Punkt 7 der Traktanden für die kommende Generalversammlung wird die Auflösung beantragt. Die Verwaltungsräte Gerhard Ammann, Ernst Knut Stahl und Kuno Wolfgang Ammann sollen als Liquidatoren bestimmt werden.

Als Gründe für die geplante Liquidation nennt das Unternehmen die «schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen», auch für die Schweiz und die Basler Chemie. Ausserdem führt Welinvest das neue Basler Mietrecht an. «Die umfangreichen Genehmigungsverfahren und insbesondere die Festlegung der Mieten führen dazu, dass wir unsere Wohnungen nicht mehr sanieren können, um eine angemessene Rendite auf unsere Liegenschaften zu erzielen», heisst es im Geschäftsbericht.

Liegenschaften fast komplett verkauft

Wie dem Geschäftsbericht 2024/25 zu entnehmen ist, erzielte die Gesellschaft im per Ende Juni 2025 beendeten Geschäftsjahr einen Betriebsertrag von 13,0 Mio. CHF; davon stammen 3,2 Mio. CHF aus Mieteinnahmen, 6,6 Mio. CHF aus dem Wertschriftenhandel sowie 2,2 Mio. CHF aus den Wertschriften. Hinzu kommen knapp 16 Mio. CHF aus dem Verkauf von Liegenschaften, was schlussendlich zu einem Jahresergebnis von 18,9 Mio. CHF führt.

Nach Abschluss des Geschäftsjahres wurden weitere Immobilien – die Liegenschaften Rappoltshof und Bäumleingasse/Luftgässlein – verkauft. Details zu den Erlösen sind nicht bekannt. Gemäss Übersicht im Geschäftsbericht sollten nach den Verkäufen noch die Liegenschaft Petersgraben, in der Welinvest seinen Sitz hat, und die Malzgasse verbleiben. Deren Versicherungswert liegt bei 35,1 Mio. CHF, davon 29,1 Mio. CHF für den Petersgraben und 6 Mio. CHF für die Malzgasse.

Fazit

Das Ende der Welinvest AG hatte sich schon seit Längerem abgezeichnet. Wie wir bereits in den vergangenen Jahren berichteten, wurde auch das Kapital von anderen Beteiligungsvehikeln der Familie von Finck, wie bspw. der Claretta Holding, schrittweise an die Aktionäre zurückgeführt. Ob nun wirklich das neue Basler Mietrecht ein ausschlaggebender Grund für die bevorstehende Liquidation ist, scheint zwar fraglich. Ein Anreiz für Investitionen in Immobilien wird es sicherlich nicht gewesen sein.

Bereits in den vergangenen Jahren hat Welinvest Substanz an die Aktionäre zurückgeführt, was sich auch im Aktienkurs zeigt. Chart: otc-x.ch

Die Aktien der Welinvest AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt wurden 2’200 CHF für eine Aktie bezahlt. Nach Auszahlung der Dividende verbleibt noch ein Wert von 950 CHF je Aktie, was 38 Mio. CHF entspricht. Ob der Erlös aus dem Verkauf der restlichen zwei Liegenschaften diesen Wert übersteigt, kann nicht seriös beantwortet werden. Hinzu kommen allfällige Erlöse aus dem Verkauf der Wertschriften und Edelmetalle. Aufschluss über das weitere Vorgehen wird sicherlich erst die Generalversammlung geben.

Patrick Hofer, Awea: «Wir sehen in Titeln mit Swissness noch einiges an Performance-Potenzial»

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Der Awea Substanzwerte Schweiz investiert in Schweizer Gesellschaften aus dem Small & Mid Cap Segment. Der Anlagefokus liegt auf den weniger beachteten Nebenwerten, mit Übergewichtung von defensiven Substanzwerten. Und er richtet sich auf attraktiv bewertete Unternehmen mit starken Managementteams, Wettbewerbsvorteilen und beständigem Ertragswachstum. Das Anlageportfolio des Awea Substanzwerte Schweiz Fonds besteht aus 35-40 Unternehmen, wobei ein starker Fokus auf «Swissness» liegt. Der Fonds hat gegenwärtig ein Volumen von ca. 45 Mio. CHF.

Im Gespräch mit schweizeraktien.net äussert sich Co-Investment Manager Patrick Hofer zur Lage an den Finanzmärkten, zur grössten Positon Also und sagt, warum er Immobilientitel gegenüber Banktiteln favorisiert.

Patrick Hofer ist seit 2007 bei der Awea Fonds AG in Zug bzw. den Vorgängerunternehmen AMG Fonds und Serafin Asset Management als Portfoliomanager tätig. Zuvor arbeitete er bei Jefferies & Company als Head of Convertible Bonds Sales Switzerland und der Bank Leu. Bild: schweizeraktien.net

Herr Hofer, inwieweit hat der kürzlich erfolgte Zinsschritt der Fed Auswirkungen auf Schweizer Small & Mid Caps, die Sie im Awea Substanzwerte Schweiz Fonds verwalten?

Die Zinssenkung der US-Notenbank wurde im Vorfeld erwartet, und Powell hat nun aufgrund schwacher Arbeitsmarktdaten die Erwartungen erfüllt. Zinsen werden also auf Grund von schwachen Konjunkturdaten gesenkt, stellen für die Aktienmärkte auf der anderen Seite aber auch Liquidität zur Verfügung. Generell wirken sie unterstützend für die globalen Aktienmärkte.

Die US-Leitzinsen sind aber mit 4% gegenüber Europa und insbesondere der Schweiz noch immer auf einem relativ hohen Niveau.

Auf die von uns favorisierten Schweizer Small & Mid Caps hat diese neuste FED-Entscheidung nur bedingte Auswirkungen: Eine weitere Erstarkung des Schweizer Frankens könnte exportorientierte Werte belasten. Dass Schweizer Firmen aber damit umzugehen wissen, das haben sie in den letzten Jahren schon des Öfteren unter Beweis gestellt.

Abgesehen von der Entscheidung der Fed – wie sehen Sie den weiteren Verlauf der Märkte in 2025, insbesondere des Schweizer Markts?

Wir erwarten eine positive Entwicklung der Schweizer Aktienmärkte bis Ende Jahr und auch im 1. Quartal 2026. Basierend auf der erwähnten Liquiditätszufuhr durch die Notenbanken und auf konjunkturellen Stimulierungsprogrammen in Europa, insbesondere im für uns sehr wichtigen Markt Deutschland. Schweizer Firmen sind so positioniert, um davon zu profitieren. Wir erwarten in Bezug auf handelspolitische Einflüsse nach dem turbulenten 2025 eher entspannende Entwicklungen als weitere Einschränkungen.

Sie investieren, wie der Name Ihres Fonds sagt, in Substanzwerte. Und konnten mit diesen in 2025 eine ordentliche Rendite einfahren. Nach jahrelangem Seitwärtstrend – stehen wir vor einem nachhaltigen Wiedererstarken der Small & Mid Caps in der Schweiz?

In den letzten 5 Jahren hatte das Thema Substanz, bzw. Value, einen schweren Stand. Wachstumswerte aus dem Bereich Technologie standen in der Gunst der Anleger. Seit Mitte 2024 aber stellen wir eine Wiederbelebung fest und erachten das Aufholpotenzial stets als sehr gross. Denn der Small-Caps-Effekt, dass kleinere Firmen agiler auf Veränderungen reagieren können, hat noch immer Gültigkeit.

Unser Awea Substanzwerte Schweiz Fonds hat insgesamt eine defensive Ausrichtung dank vielen Substanzwerten. Wir fokussieren auf Mid und Small Caps, wobei letztere einen wesentlichen Anteil ausmachen. Aktuell sind wir zu ca. 50% in Small Caps investiert. In diesem Segment finden wir auch viele «Swissness»-Titel; also Gesellschaften mit einem Umsatzanteil in der Schweiz von mindestens 50%. Wir sehen gerade in dieser Kombination noch einiges Performance-Potenzial – und das bei vertretbarem Risiko im aktuellen Marktumfeld.

Mit Cham Swiss Properties, Plazza und PSP Swiss Property sind drei Ihrer grössten Investments im Fonds Immobiliengesellschaften. Da spielen Ihnen natürlich die tiefen Zinsen in die Karten. Ist das der einzige Grund für die Übergewichtung in diesen Sektor? Oder hat es auch damit zu tun, dass Investments in national agierende Immobiliengesellschaften frei sind von Zöllen, dem Lieblingstool des US-Präsidenten?

Beide Aspekte treffen zu. Wir bevorzugen zudem Immobiliengesellschaften mit hohem Wohnanteil und starker Pipeline in Entwicklung von Immobilienprojekten. Im aktuell zu erwartenden Zinsumfeld in der Schweiz ziehen wir Immobilienaktien den Bankaktien klar vor, weshalb wir schon vor einigen Monaten diesbezüglich Umschichtungen vorgenommen haben.

Was beeindruckt am IT-Provider Also, der grössten Position in Ihrem Fonds? Im Kurs sehen wir seit 2024 eine Seitwärtsbewegung. Warum rechnen Sie damit, dass die Aktie diesen Trend nach oben durchbrechen wird?

Also macht unseres Erachtens strategisch sehr vieles richtig, zuletzt mit der Übernahme von Westcoast. Damit erschliesst sich Also neue Märkte und somit Wachstumspotenzial. Das Management überzeugt in der operativen Leistung, auch im Kontext mit Reorganisationen und bei Integrationen. Wir sehen erhebliches Kurzpotenzial. Die Firma ist auf den europäischen Markt fokussiert und nicht von der US-Zollpolitik abhängig.

Zu Ihren grössten Positionen gehört auch der Tiefkühl- und Convenience-Backwaren-Konzern Aryzta. Es ist noch nicht lange her, dass Aryzta ein Sanierungsfall war. Jetzt werden Stimmen laut, dass Aryzta auf einem guten Weg sei und zu einer Wachstumsaktie werde. Der Kurs zeigt allerdings in die gegenteilige Richtung, obwohl die UBS ein Kursziel von 94 CHF ausgegeben hat und die Aktie auf «buy» einstuft. Wann wird sich die negative Tendenz drehen?

Nun, die negative Tendenz betrifft nur die Kursentwicklung und darf als gesunde Konsolidierung betrachtet werden. Operativ ist die Gesellschaft auf Kurs. Nach der langen Phase der Restrukturierung ist sie nun gut aufgestellt, der neue CEO Michael Schai führt die von Urs Jordi eingeleiteten Prozesse nahtlos weiter. Finanziell steht nach wie vor die Stärkung des Eigenkapitals im Fokus, doch auch Volumenentwicklung und Kostenoptimierungen werden weiter vorangetrieben. Aryztas Profil passt perfekt in unser Anlagekonzept, welches Wachstumschancen gepaart mit einer defensiven Note betont.

Die Aktie von Vetropack hat in den letzten drei Monaten 30% ihres Wertes eingebüsst. Halten Sie weiter an diesem Investment fest, und wenn ja, wann wird es wieder aufwärts gehen?

Vetropack ist ein klassischer Substanzwert, ist auf Basis Preis/Buchwert unter 1x bewertet. Die Aktie liegt nicht im Fokus der Anleger und ist gegenüber vergleichbaren europäischen Werte rund 10% unterbewertet.

Die kurzfristige Entwicklung wurde durch Kosten im Zusammenhang mit der Schliessung des Werks in St. Prex und Anlaufkosten im neuen Werk in Italien beeinflusst. Doch diese Massnahmen werden die Effizienz in der Produktion steigern und sich positiv für die Aktionäre auswirken. Verbunden mit der Werksschliessung am Genfersee ist zudem eine attraktive Umnutzung des Areals verbunden.

Wir sehen grosses Kurspotenzial bei Vetropack. Die Aktie liegt überhaupt nicht im Fokus der Anleger, was wir in den letzten Wochen genutzt haben, um unsere Position aufzustocken. Kurzfristig fehlt der Katalysator, aber auf mittlere Anlagesicht bietet sich jetzt eine günstige Gelegenheit zum Einsteigen.

Im Gegensatz zu Vetropack dürfte Ihnen Ihr Engagement in der Cembra Money Bank mehr Freude bereiten. Könnten Sie sich vorstellen, neben dieser Aktie z.B. auch Swissquote in den Fonds aufzunehmen?

Wir waren in diesem Frühjahr für kurze Zeit in Swissquote positioniert. Die Firma gilt in der Schweiz als die Digitale Bank und gewinnt dank guter Plattform stets neue Kunden. Aus Bewertungsgründen und einer grossen Abhängigkeit von tiefen Zinsen haben wir aber den Kursgewinn realisiert. Das Wachstumspotenzial von Swissquote ist leider beschränkt, im nahen Ausland bieten die unterschiedlichsten Firmen ähnliche Dienstleistungen an. Doch wir halten stets ein Auge auf die weitere Entwicklung.

Welche weiteren Werte Ihres Fonds möchten Sie empfehlen?

Wir verfolgen eine langfristig ausgerichtete Anlagepolitik und achten bei der Auswahl unserer Investitionen stark auf Portfolioeffekte. Klassische Substanzwerte und nicht immer einfach handelbare Small Caps werden durch attraktive Mid Caps ergänzt.

Wir haben in den letzten Monaten Positionen in EMS und SGS aufgebaut. EMS ist im europäischen Umfeld dank stetiger Innovation bestens für eine konjunkturelle Erholung positioniert, und bei SGS überzeugt Géraldine Picaud mit ihrem klaren Fokus auf eine bessere Leistungskultur im Unternehmen. «Testing, Inspection und Certification» werden trotz kurzfristigen Einschränkungen im globalen Handel stets an Wichtigkeit zulegen.

Jungfraubahnen, aber auch die BVZ Holding als reine «Swissness»-Werte erwähne ich an dieser Stelle natürlich auch sehr gerne.

Herr Hofer, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

SIG Group: Stopp-loss aktiviert

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Getränkeabfüllung mit Maschinen von SIG. Bild: sig.biz

Getränkeabfüllung mit Maschinen von SIG. Bild: sig.biz

Der Aktienkurs der SIG Group ist schon seit längerem auf Sinkflug. Die Wachstumsraten hatten sich abgeschwächt, und Besserung war aufgrund der nachlassenden Konsumlaune kurzfristig nicht zu erwarten. CEO Sigrist schied vor kurzem «einvernehmlich» aus. Jetzt kündigte der Verwaltungsrat eine Restrukturierung an. Und die Dividende für das laufende Geschäftsjahr soll gestrichen werden, so der Vorschlag für die nächste GV.

Am 18. September fiel der Kurs um 24,4% auf 9.50 CHF. Der Aktienumsatz belief sich auf hohe 14.2 Mio. Stück. Am Tag danach ging es weiter abwärts auf unter 9 CHF.  Das ist der tiefste Kurs seit dem IPO 2019. Nur Anfang 2019 bewegte sich der Kurs der SIG Group zweimal für kurze Zeit unterhalb der 10-CHF-Marke. Trotz des vorherigen plötzlichen Ausscheidens von Samuel Sigrist zeigte sich der Aktienmarkt dennoch stark geschockt von dem, was das Unternehmen am frühen Morgen publik gemacht hatte.

Der Aktienkurs von SIG ist mittlerweile unter das Niveau von 2019 gefallen. Chart: six-group.com

Transformationsprogramm

Laut Medienmitteilung ist das Unternehmen «strategisch sehr gut positioniert», um die Expansion «als weltweit führender Anbieter von nachhaltigen aseptischen Kartonverpackungen fortzusetzen». Über dieses im Grund unveränderte Statement hinaus wird ein «Transformationsprogramm» umgesetzt, das folgende Punkte nennt: Straffung und Fokussierung des Portfolios auf aseptische Geschäftsbereiche, Divestment kleinerer nicht aseptischer Geschäftsbereiche und Effizienzsteigerungen.

Restrukturierungskosten, Wachstum und Profitabilität

Dafür sollen Aufwendungen von 310 Mio. CHF bis 360 Mio. CHF vor Steuern anfallen. Das bereinigte EBITDA sowie der bereinigte Nettogewinn werden dadurch um 75 Mio. CHF bis 100 Mio. CHF belastet. Die Kosten des Transformationsprogramms sowie die «weiterhin herausfordernden Marktbedingungen» werden sich, so wird erwartet, negativ auf das Wachstum im zweiten Semester auswirken. Die Guidance für 2025 wird abermals gesenkt. Nun wird, bereinigt um Deviseneffekte und Kunststoffpreisschwankungen, ein leicht negatives bis stabiles Umsatzwachstum prognostiziert, zuvor 3% bis 5%. Die Bandbreite der erwarteten bereinigten EBITDA-Marge wird um einen halben Prozentpunkt auf 24% bis 24,5% abgesenkt. Inklusive der Sondereffekte durch das Transformationsprogramm soll die bereinigte EBITDA-Marge im Gesamtjahr 21% betragen.

Business as usual

So weit, so gut. Restrukturierungen und Effizienzsteigerungsmassnahmen sind Teil des Wirtschaftslebens, insbesondere, wenn die Konjunktur nachlässt. Dabei fallen Kosten an, welche die Profitabilität belasten. Das finden Investoren nicht unbedingt gut, kommen aber damit zurecht, wenn Licht am Ende des Tunnels erkennbar ist. Die SIG Group geht jedoch anders vor, wie der Schlussteil der Medienmitteilung zeigt. Dort heisst es, dass der Verwaltungsrat vorschlagen wird, die Dividende auszusetzen. Als knappe Begründung werden Kapitaldisziplin und der Abbau der Verschuldung genannt.

Dividendenkontinuität wird gebrochen

Seit dem Börsengang 2019 war die Dividende und deren jährliche Erhöhung ein ganz wesentlicher Bestandteil der Equity Story der SIG Group. Erklärtes Ziel war deren stetige Steigerung, was ja auch erfolgt ist. Ein solches Dividendenversprechen ohne echte Notwendigkeit plötzlich und unvermittelt zu brechen, zerstört das über Jahre hin aufgebaute asymmetrische Gut Vertrauen ebenso unvermittelt. Das dürfte einer der wichtigsten Gründe für den beschleunigten Kurszerfall sein. Schon der Akt, sich vom verdienten CEO so plötzlich zu trennen, liess vermuten, dass Unstimmigkeiten im Verwaltungsrat zu dem «Bauernopfer» führten. Ein neuer CEO ist nicht in Sicht. Die nun angeführte neue Priorität des Schuldenabbaus ist als Grund wenig überzeugend. Schliesslich hatte Sigrist die Akquisitionen nicht eigenmächtig vorgenommen, sondern die langfristige Wachstumsstrategie des Verwaltungsrates umgesetzt. Das Schuldenlevel ist eine direkte Folge davon, nicht etwa von schlechtem Wirtschaften. Erst am 30. Oktober wollen Verwaltungsrat und Management ein Update liefern.

Fehlgriffe im Verwaltungsrat

Derzeit sorgen mehrere CEO-Geschichten in der Schweizer Unternehmenswelt für Schlagzeilen. Nestlé ist wohl der prominenteste Fall. Erst musste Mark Schneider gehen, ein Jahr später sein vielgelobter Nachfolger. Die herumgereichten Erklärungen sind selten stichhaltig. So gilt Schneider in der Schweiz allgemein als «Fehlgriff», entsprechend der Version des Verwaltungsratspräsidenten, der nun selbst seinen Hut in höchster Eile nehmen muss. Unterdessen ist der seit 2023 im Roche-Verwaltungsrat vertretene Schneider Anfang 2025 auch in den Aufsichtsrat von Siemens eingezogen – und soll dort bis 2027 den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen. Ein weiterer Fehlgriff? Wohl kaum. Sowohl bei Nestlé und der SIG Group als auch bei Barry Callebaut scheint es eher so zu sein, dass die Probleme jenseits des C-Levels zu finden sind.

Streichung SIG Group und Barry Callebaut

Die Konsequenz ist, dass die SIG Group von der Favoritenliste gestrichen wird und ebenfalls aus der Dividendenstrategie, da die Ausschüttung ja gestrichen wird. Die Aktie von Barry Callebaut wird auch aus der Favoritenliste gestrichen. Sie hat in den letzten Wochen die Tiefstände hinter sich gelassen und war seit Mai eine der stärkste Aktien. Allerdings von sehr tiefem Niveau. Die Aussagen des Managements sind nicht wirklich überzeugend, was die weitere Strategie angeht. Die Marktbedingungen sind stark von Ernteunsicherheiten und inzwischen deutlich erhöhten Endkonsumentenpreisen geprägt.

Alexander Gapp, CEO Plaston Holding: «Die Firmenkultur geniesst bei Plaston höchsten Stellenwert»

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Für das abgeschlossene Geschäftsjahr 2024/2025 meldete die Plaston Holding nach zwei Verlustjahren die Rückkehr in die Gewinnzone. Der Gewinn von 2.3 Mio. CHF erlaubte auch die Wiederaufnahme der Dividendenzahlung mit immerhin 50 CHF je Aktie. Im Interview mit schweizeraktien.net erklären CEO Alexander Gapp und CFO Hansruedi Lanker, warum der Entscheid, das Boneco-Geschäft in den USA und China einzustellen, so früh gefallen ist. Ihre Einschätzung zur Entwicklung der regionalen Märkte und zu den Folgen der veränderten Zollpolitik sind teilweise überraschend, jedoch plausibel. Nicht zuletzt machen sie im Gespräch klar, dass für echte Unternehmer jede Krise auch eine Chance darstellt, die es zu nutzen gilt. Das Plaston-Management hat durch die Restrukturierung und den Rückzug von Boneco aus den USA und China, Kostensenkungen sowie die Bilanzrestrukturierung eine eindrucksvolle Leistung vollbracht, gibt aber im Interview auch Antworten auf kritische Fragen.

Alexander Gapp leitet seit 2014 als CEO die Plaston AG und hat 2023 auch die Leitung der Boneco AG übernommen. Bild: zvg

Herr Gapp, Herr Lanker. Fast täglich gibt es neue Ereignisse, welche das geopolitische Umfeld und damit auch die Wirtschaft beeinflussen. Wie stellt sich aktuell die Situation bei Plaston dar?

Alexander Gapp: Ich bin grundsätzlich ein Optimist. Allerdings zeigt sich für den Geschäftsbereich Plaston derzeit ein eher trübes Bild. Wir sind mit unseren Spritzgussprodukten in zwei Sektoren betroffen: der Baubranche und der Haushaltgeräteindustrie. Die Baubranche hat sich von den hohen Zinsen in den vergangenen Jahren noch nicht wieder erholt. Bei den Haushaltgeräten haben wir von Corona profitieren können. In dieser Zeit wurden viele neue Geräte gekauft, was nun zu einer Zurückhaltung bei den Kundinnen und Kunden geführt hat. Wer sich gerade eine neue Kaffeemaschine gekauft hat, wird diese in den nächsten fünf Jahren nicht ersetzen.

Ihre Aussage überrascht gerade in Bezug auf die Baubranche. Es herrscht Wohnungsmangel, und im EU-Raum sind Milliardeninvestitionen in Infrastrukturprojekte geplant.

Das ist richtig und auch die Zinsen sind mittlerweile weiter gesunken. Bis wir dies allerdings bei den Bestellungseingängen sehen, dauert es etwas. Unsere grossen Kunden sehen jedenfalls noch nicht, dass die Verkäufe wieder anziehen. Und da wir just-in-time liefern, sind auch wir von der Zurückhaltung in den zwei Sektoren betroffen.

Bei den Luftbehandlungsgeräten von Boneco haben Sie erfolgreich eine Restrukturierung hinter sich. Wie kam die Plaston Gruppe so früh zum Entscheid, Boneco USA einzustellen? Es war ja quasi Ihre antizipatorische Lösung des aktuell für die Schweizer Wirtschaft auftauchenden amerikanischen Problems?

Der Entscheid, Boneco USA einzustellen, war das Resultat einer nüchternen Analyse. Anfangs 2023 haben wir uns die Frage gestellt, wie wir Boneco nachhaltig und profitabel aufstellen können. Als Folge haben wir ein umfassendes Restrukturierungsprogramm eingeleitet. Unter anderem ein wichtiges Thema war, welche Boneco-Märkte für uns profitabel sind, bzw. wo die Risiken die Chancen überwiegen.

«Im US-Markt erkannten wir deutliche Risiken»

Im US-Markt erkannten wir deutliche Risiken: Der stationäre Handel geriet zunehmend unter Druck, und es war schon nach Trumps erster Amtszeit absehbar, dass die bestehenden Zölle nicht verschwinden würden – im Gegenteil, eine weitere Verschärfung war zu befürchten. Damit standen für uns die langfristigen Perspektiven in den USA nicht im gewünschten Verhältnis zum Aufwand und Risiko.

Hansruedi Lanker: Anstatt wertvolle Ressourcen in ein Umfeld mit solch schwierigen Rahmenbedingungen zu binden, haben wir uns bewusst entschieden, diese in wachstums- und margenstärkere Bereiche zu investieren. Dass dieser Schritt nun im Nachhinein wie eine antizipatorische Antwort auf die aktuell spürbaren amerikanischen Probleme wirkt, bestätigt lediglich, dass es richtig war, früh und konsequent zu handeln.

Hansruedi Lanker arbeitet seit 2010 als Finanzchef der Plaston Holding AG: Bild: zvg

Sie haben sehr entschlossen die Kosten – across the board – gesenkt, das Umlaufvermögen optimiert, die Finanzierungskosten verringert. Waren Sie durch die Lehren der vergangenen Krisen sensibilisiert, oder was sind die Gründe für das perfekte Timing der effektiven Restrukturierung?

Die Erfahrungen aus früheren Krisen haben uns wachsam gemacht. Sie haben gezeigt, wie wichtig es ist, rechtzeitig und entschlossen zu handeln. Gleichzeitig ist es uns aber wichtig, nicht nur reaktiv, sondern proaktiv zu agieren. Wir beobachten Entwicklungen im Markt sehr genau, spielen Szenarien durch und bereiten Massnahmen frühzeitig vor.

Alexander Gapp: Dass das Timing nun so stimmig wirkt, hat also weniger mit Glück zu tun, sondern vielmehr mit konsequenter Analyse, einer detaillierten Datenbasis, klaren Prioritäten und einer Kultur, die Veränderungen nicht scheut. Ein professioneller Verwaltungsrat sowie ein stabiles, erfahrenes und krisenerprobtes Management haben dabei ebenso eine Schlüsselrolle gespielt wie das gute Teamwork in der gesamten Organisation. Dadurch konnten wir Kosten laufend senken, Liquidität sichern und die Finanzierungskosten reduzieren, ohne unsere strategischen Zukunftsthemen aus den Augen zu verlieren. Oder, wie Winston Churchill so treffend sagte: «Never let a good crisis go to waste!»

Die USA und China galten immer als die wichtigsten Wachstumsmärkte, auch und gerade für expansive Schweizer Unternehmen. Sie haben sich jetzt mit Boneco von beiden Märkten zurückgezogen, aus China wegen der Nachfrageschwäche, aus den USA …, warum eigentlich?

USA und China waren lange Zeit zweifellos die Wachstumsmotoren der Weltwirtschaft. Auch für Boneco waren beide Märkte von grosser Bedeutung. Doch wir haben uns bewusst entschieden, sehr genau auf die Rahmenbedingungen zu achten und dort zu investieren, wo Chancen und Risiken in einem gesunden Verhältnis stehen.

In China war es vor allem die Nachfrageschwäche und die verstärkte Marktpräsenz unzähliger, chinesischer Marken, die uns zum Umdenken gebracht haben. Durch Covid, aber auch durch die deutlich bessere Luftqualität in China hat sich das Konsumverhalten radikal verändert. Die Inflation hat zusätzlich gebremst, und die Immobilien- und Wirtschaftskrise, die man noch heute deutlich spürt, wirkt stark dämpfend auf den Konsum. In den USA sahen wir zudem, wie vorgängig erwähnt, einen anhaltenden Umbruch im Markt. Zudem sind die Transport- und Logistikkosten explodiert und haben die Margen im Onlinegeschäft unter Druck gesetzt.

Wie haben Sie auf diese Entwicklungen reagiert?

Hansruedi Lanker: Wir haben selbstkritisch erkannt, dass in der Vergangenheit Fehler gemacht und falsche Prioritäten gesetzt wurden. Diese galt es konsequent zu eliminieren – und genau das ist gelungen: Der Cash Drain bei Boneco konnte umgehend gestoppt werden, so haben wir in den vergangenen zwei Jahren einen positiven Cashflow und im vergangenen Jahr auch ein klar positives EBIT erreicht. Zudem wurden die Bilanzrisiken auf ein Minimum reduziert, darunter z.B. die Lagerüberbestände.

«Der Cash Drain bei Boneco konnte umgehend gestoppt werden»

Unter diesen Bedingungen war es für uns konsequent, die Ressourcen umzuschichten – hin zu Märkten und Geschäftsfeldern, in denen wir nachhaltiger wachsen und unsere Stärken besser ausspielen können. Es geht also nicht um Rückzug im Sinne von Schwäche, sondern um eine Fokussierung, die uns langfristig widerstandsfähiger und profitabler macht.

Nach zwei Verlustjahren ist die Plaston Holding mit einem positiven Gewinnausweis von 2.3 Mio. CHF wieder in der Gewinnzone. Die Dividendenzahlung wurde mit 50 CHF je Aktie wieder aufgenommen. Trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten sind Sie also zuversichtlich, auch für das laufende Geschäftsjahr wieder eine Dividende auszuschütten?

Alexander Gapp: Wir freuen uns sehr, dass wir nach zwei Verlustjahren wieder schwarze Zahlen schreiben konnten und mit 2.3 Mio. CHF Gewinn einen klaren Schritt nach vorne gemacht haben. Dass wir die Dividendenzahlung mit 50 CHF je Aktie wieder aufnehmen, ist ein wichtiges Signal – sowohl an unsere Aktionäre als auch an unsere Mitarbeitenden: Plaston ist zurück auf Kurs.

Natürlich bewegen wir uns weiterhin in einem unsicheren wirtschaftlichen Umfeld. Umso wichtiger ist es, eine Balance zu halten: zwischen der Ausschüttung an die Eigentümer und der Stärkung unserer finanziellen Stabilität.

Hansruedi Lanker: Wie im Geschäftsbericht sowie an der Generalversammlung bereits kommuniziert, werden wir jedoch keinen Ausblick für das aktuelle Geschäftsjahr veröffentlichen. Das Umfeld ist dafür zu volatil, und wir sehen von Monat zu Monat stark schwankende Umsätze. Grundsätzlich sind wir für das zweite Halbjahr etwas positiver eingestellt, aber wir können hierzu keine verlässliche Prognose abgeben.

Das erste Halbjahr ist fast vorbei. Bestimmt können Sie hier schon erste Aussagen treffen.

Alexander Gapp: Wie ich bereits zu Beginn unseres Gesprächs erwähnt habe, sehen wir noch kein klares Bild. Wir werden am 30. September den Halbjahresabschluss erstellen und anschliessend informieren. Es ist allerdings zu erwarten, dass wir unter den Vorjahreszahlen abschliessen werden.

Bei unserem letzten Interview im Dezember 2022 sagten Sie, dass die Aufhebung der Covid-Restriktionen die Wirtschaft in China beflügeln würde. Wie schätzen Sie den chinesischen Markt heute ein? Was hat den Ausschlag für den Rückzug aus dem Markt gegeben?

Im Dezember 2022 gab es tatsächlich die berechtigte Hoffnung, dass die Aufhebung der Covid-Restriktionen die chinesische Wirtschaft spürbar beleben würde. Heute sehen wir jedoch, dass sich die Realität deutlich anders entwickelt hat. Die Nachfrageschwäche hält an, die Immobilien- und Gesamtwirtschaftskrise wirken bis heute stark bremsend auf den Konsum, und die Inflation belastet zusätzlich. Das Konsumverhalten hat sich nach Covid grundlegend verändert – das hat insbesondere unser Boneco-Geschäft in China deutlich zu spüren bekommen.

«Plaston bleibt weiterhin mit einem starken Standort in China präsent»

Hansruedi Lanker: Deshalb haben wir uns in diesem Bereich zum Rückzug entschieden, wie in den vorangegangenen Antworten erläutert. Wichtig ist mir aber zu betonen: Dieser Schritt betrifft ausschliesslich das Boneco-Geschäft. Plaston bleibt weiterhin mit einem starken Standort in China präsent, auch wenn wir dort ebenfalls mit Herausforderungen konfrontiert sind und sinkende Umsätze verzeichnen.

Welches sind die Herausforderungen in China? Die e-Mobilität wächst, die chinesischen Autobauer streben nach Europa. Sie nannten einmal e-Mobilität in China als ein Wachstumstreiber für Ihren Bereich der Technischen Teile.

Alexander Gapp: Die e-Mobilität ist in China angekommen. Wenn Sie in Shanghai unterwegs sind, sind neue Autos nur noch elektrisch angetriebene Fahrzeuge. Und in den meisten Fällen nur chinesische Modelle. Allerdings ist der Markt für Fahrzeuge einem extremen Verdrängungswettbewerb ausgesetzt, der mit einem halsbrecherischen Preiskampf betrieben wird. Dies gilt auch für die Ladestationen. Wir machen bei diesem Preiskampf nicht mit, denn wir möchten unsere Marge halten. Sonst machen wir das Geschäft nicht. Daher ist der Absatz von Teilen für Ladestationen bei Plaston rückläufig.

Im Bereich der Kunststoffverpackungen beliefern wir weiterhin unsere Kunden lokal. Diese produzieren zwar in China, exportieren ihre Produkte aber. Auch hier gibt es Tendenzen, den Standort in Richtung anderer Länder in Südostasien zu verlassen.

Planen Sie auch, China zu verlassen, ganz nach dem Motto «follow-the-customer»?

Nein. Wir entwickeln hier auch neue Produkte und versuchen mittelfristig aufzuholen. Ein jährliches Wachstum von 20-30%, wie in der Vergangenheit, wird es in China wohl nicht mehr geben. Aber wir rechnen damit, dass wir in drei Jahren auch in China wieder höhere Wachstumsraten erzielen.

Eines Ihrer Produkte, das sie vor einigen Jahren entwickelt haben, ist Ihr Standard-Koffer MetaBOX, der auch von OEMs genutzt wird. Wie ist der Stand heute?

Die Entwicklung ist sehr erfreulich, und wir stehen mittlerweile bei ca. 60 OEMs. Wir können mehr und mehr Kunden für unser System überzeugen, aber es dauert meistens ein bis zwei Jahre vom ersten Kontakt bis zur tatsächlichen Umsetzung. Wenn sich die Kunden für die metaBOX entschieden haben, bleiben sie im Normalfall sehr loyal, wie dies bei anderen Kofferkunden auch der Fall ist. Unser innovatives und hochwertige Koffersystem ist im Markt hervorragend angenommen worden und bietet einen echten Mehrwert.

Wir sehen in diesem Bereich nach wie vor grosses Wachstumspotenzial: Zum einen, weil bestehende OEM-Partnerschaften weiter ausgebaut werden, zum anderen, weil laufend neue Interessenten dazukommen. Wir sind überzeugt, dass die metaBOX als Plattformlösung noch lange nicht ausgeschöpft ist und wir hier auch in den kommenden Jahren stark zulegen können.

Wir sprachen 2022 auch über Ihre Initiativen, mehr Frauen als Mitarbeitende und als Führungskräfte zu gewinnen. Damals war die Partizipationsrate in Tschechien und China höher als in der Schweiz. Was hat sich geändert?

Hansruedi Lanker: Das Thema Diversität und insbesondere die Förderung von Frauen ist uns weiterhin ein grosses Anliegen. Seit 2022 konnten wir in allen Regionen Fortschritte erzielen, wenn auch in unterschiedlichem Tempo. In Tschechien und China liegt die Partizipationsrate von Frauen nach wie vor höher.

Wichtig ist auch: Wir verfügen über ein stabiles Team und hatten in den vergangenen Jahren nicht sehr viele personelle Änderungen. Das zeigt, dass unsere Kultur getragen wird und Kontinuität herrscht – gleichzeitig macht es die Veränderung der Zusammensetzung naturgemäss etwas langsamer.

Wir sind uns bewusst, dass dies ein langfristiger Prozess ist. Flexible Arbeitsmodelle sowie aktive Förderung von Talenten sind dabei nur zwei Massnahmen. Wir sehen die positive Entwicklung als Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Als jüngstes Beispiel hat sich die Plaston-Gruppe entschieden, dass ihr erstmals eine Frau als VRP, Bettina Fleisch, vorsteht.

Durch die Einstellung der Geschäftstätigkeit von Boneco in den USA und China sowie Effizienzgewinne ist die Anzahl der Mitarbeitenden 2024 deutlich zurückgegangen. Wie würden Sie die Auswirkungen auf die von Teamgeist geprägte Plaston-Familie beschreiben?

Alexander Gapp: Personalabbau ist immer ein schwieriges Thema, das uns als Führungsteam sehr beschäftigt hat. Der Schritt war jedoch zwingend notwendig, um die Zukunftsfähigkeit von Plaston sicherzustellen. Wichtig war uns, laufend und offen zu kommunizieren. Unsere Mitarbeitenden haben die Notwendigkeit verstanden und die Massnahmen mitgetragen – das zeigt, wie stark das Vertrauen in unserer Organisation ist.

Die Firmenkultur geniesst bei Plaston weiterhin höchsten Stellenwert. Gerade in dieser Phase hat sich gezeigt, dass unser Teamgeist und der respektvolle Umgang miteinander nicht gelitten haben, sondern im Gegenteil eher gestärkt wurden. Trotz aller Herausforderungen blicken wir mit einer gefestigten und motivierten Mannschaft nach vorne.

Die Plaston Holding hat zahlreiche Awards und Auszeichnungen für ihr nachhaltiges Wirtschaften und die impulsgebenden Initiativen erhalten. Wann werden Sie den ersten Nachhaltigkeitsreport publizieren?

Hansruedi Lanker: Wir nehmen das Thema Nachhaltigkeit sehr ernst. Seit zwei Monaten sind wir in der Lage, unseren CO2-Ausstoss monatlich auf Artikel-Ebene auszuweisen. Möglich wird dies durch eine KI-gestützte Lösung, die auf unserer vierjährigen Erfahrung im CO2-Reporting und einer von Beginn an konsequent digitalen Datenbasis beruht. Für das Finanzjahr 2024/25 liegt der erste Entwurf unseres VSME-Nachhaltigkeitsberichts vor. Eine externe Prüfung hat bestätigt, dass nur noch geringfügiges Finetuning erforderlich ist. Der Bericht wird unseren Partnern ab Ende 2025 zur Verfügung stehen.

Wie steht es um Ihre Recyclingbemühungen? Sie nennen aktuell einen Anteil von 20% Recyclingmaterial, aber vor drei Jahren nannten Sie 20% bis 25%, je nach Koffertyp, und Sie sahen sich auf gutem Weg Richtung 30%.

Alexander Gapp: Die 20% beziehen sich auf die gesamte Plaston-Produktion. Bei technischen Teilen ist die Umstellung auf Recyclingmaterial anspruchsvoller; bei Koffern sind wir bereits deutlich weiter. Beim Hilti-Koffer liegen wir knapp an der 50%-Marke und arbeiten dabei sehr eng mit ihrem Team zusammen. Über alle Kunden hinweg erreichen wir bei Koffern aktuell etwa 25% und streben für das nächste Jahr 30% an. Dabei sind wir jedoch auch von den Spezifikationen und Freigaben unserer Kunden abhängig – nicht alle verfolgen das Thema Nachhaltigkeit so konsequent wie Hilti. So wird die nächste Koffergeneration zum grossen Teil aus recyceltem Kunststoff bestehen.

Wie schätzen Sie als gestandene Unternehmer die langfristigen Auswirkungen der US-Zollpolitik ein?

Hansruedi Lanker: Plaston ist von den US-Zöllen nicht direkt durch eigene Exporte betroffen, wohl aber viele unserer Kunden. Jede Verschärfung der US-Zollpolitik bringt zusätzliche Unsicherheiten in die Märkte und stellt unsere Partner – und damit indirekt auch uns – vor Herausforderungen.

Schon heute bewegen wir uns in einem komplexen Umfeld: ein starker Schweizer Franken, geopolitische Spannungen, administrative Hürden – insbesondere auch in Europa – sowie eine schwankende Konjunktur machen das Geschäft anspruchsvoll genug. Wenn sich der aktuelle Protektionismus weiter ausbreitet und auch andere Regionen ähnliche Massnahmen ergreifen, würde das den internationalen Handel zusätzlich belasten.

«Wir glauben fest an den Standort Schweiz»

Alexander Gapp: Wir beobachten diese Entwicklungen sehr genau und werden als Plaston bestmöglich und zeitnah reagieren. Entscheidend ist für uns, flexibel zu bleiben und unsere internationale Aufstellung so zu nutzen, dass wir auch unter veränderten Rahmenbedingungen erfolgreich arbeiten können. Wir glauben fest an den Standort Schweiz. Daher richten wir uns auch auf einen Wechselkurs EUR/CHF von 90 Rappen ein, bei dem wir es schaffen, in der Schweiz wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies erreichen wir auch, indem wir stark in die Digitalisierung und Automatisierung investieren. Dabei wird uns auch die Künstliche Intelligenz helfen.

Chart Plaston Sept25
Kursverlauf der Plaston-Aktie in den letzten 5 Jahren. Chart: otc-x.ch

Die Familie Frei ist nach wie vor grösster Aktionär. Nun ist Jörg Frei aus dem VR-Präsidium zurückgetreten. Was bedeutet dies für die Zukunft des Unternehmens, auch mit Blick auf den Schrumpfungsprozess, den Plaston gerade durchlaufen hat?

Hansruedi Lanker: Der Wechsel hat keine Auswirkungen. Strategisch läuft alles wie bisher, auch weil Bettina Fleisch schon vorher im Verwaltungsrat vertreten war und das Unternehmen gut kennt. Wir müssen nun unsere Hausaufgaben weiter machen und die Profitabilität verbessern. Derzeit beschäftigen wir nur noch 330 Mitarbeitende. Zu Beginn der Restrukturierung waren es 470.

Alexander Gapp: Wie eingangs erwähnt, bin ich ein Optimist. Wir befinden uns derzeit in einer absoluten Talsohle, haben aber dank des starken Business Development bereits neue Kunden und Projekte in der Pipeline. Es ist durchaus realistisch, dass wir schon bald wieder eine klare Umsatzsteigerung erreichen, organisch und/oder auch mit Akquisitionen.

Herr Gapp, Herr Lanker. Vielen Dank für das Gespräch.

Mitarbeit: Karim Serrar

BVZ Holding: Das Geschäft am Gornergrat läuft auch 2025 rund

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418'875 Gäste transportierte die Gornergratbahn im 1. Halbjahr 2025 auf den Gornergrat. Bild: zvg

418’875 Gäste transportierte die Gornergratbahn im 1. Halbjahr 2025 auf den Gornergrat. Bild: zvg

Man hat sich schon beinahe daran gewöhnt: Die Bahnen in den grossen Schweizer Tourismusregionen eilen von Rekord zu Rekord. Auch die BVZ-Gruppe, zu der die Gornergratbahn, die Matterhorn-Gotthard-Bahn sowie Beteiligungen und Immobilien in den Tourismusregionen entlang der Bahnstrecke gehören, steigerte im 1. Halbjahr 2025 den Gesamtertrag gegenüber dem Vorjahr um 7,6% auf 111.6 Mio. CHF. Der Reingewinn stieg deutlich stärker um 38,0% auf 13.1 Mio. CHF, wie das Unternehmen in seinem Halbjahresbericht schreibt.

Verkehrsertrag legt um 7,3% zu

Besonders gut lief es für das Tourismusunternehmen bei den Gornergrat Bahnen. Die Anzahl Reisende von Zermatt auf den Gornergrat stieg um 4,0% auf 418’875. Noch deutlich besser fiel das Plus mit 11,7% beim Ertrag aus, der sich auf 24.3 Mio. CHF erhöhte. Auch im Geschäftsfeld Mobilität, das die Matterhorn-Gotthard-Bahn umfasst, legte die Gästezahl kräftig zu: um 3,5% auf 4.78 Mio. Der Ertrag erhöhte sich um 4,2% auf 41.3 Mio. CHF, wobei allein mit dem Swiss Travel Pass 10.6 Mio. CHF umgesetzt werden konnten. «Die Besucherzahlen aus dem Heimmarkt sowie aus allen Nah- und Fernmärkten sind konstant hoch geblieben», wird Verwaltungsratspräsident Patrick Z’Brun in der Medienmitteilung zitiert. Der Verkehrsertrag legte insgesamt um 7,3% auf 74.3 Mio. CHF zu, wovon 17.3 Mio. CHF auf die Abgeltungsleistungen der öffentlichen Hand für den Regionalverkehr entfallen. Mit 3.1 Mio. CHF blieben die Erträge aus dem Immobilienbereich stabil.

Kosten steigen unterproportional

Auch die Kosten fielen aufgrund der starken Frequenzzunahme deutlich höher als im Vorjahr aus, stiegen jedoch im Verhältnis zum Umsatz unterproportional: Der Betriebsaufwand erreichte 76.7 Mio. CHF, ein Plus von nur 4,4%. Zugelegt haben vor allem der Dienstleistungsaufwand (+12,3%), die Personalkosten (+2,6%) sowie der Verwaltungs- und Werbeaufwand (+6,3%). Der Betriebsgewinn auf Stufe EBITDA erreichte 34.9 Mio. CHF (+15,3%), die EBITDA-Marge 31,3%. Trotz gestiegener Abschreibungen verblieb unter dem Strich ein Gewinn von 13.1 Mio. CHF oder 55.25 CHF je Aktie. Mit 263.9 Mio. CHF fiel auch das Eigenkapital (inkl. Minderheiten) höher als im Vorjahr aus, entsprechend einer Quote von 37,7%.

48 neue Wohnungen für Andermatt

Die gute Geschäftsentwicklung verleiht der BVZ-Gruppe den notwendigen Rückenwind, um auch die zahlreichen Projekte der Strategie 2025 bis 2028 umzusetzen. Dazu zählen im Immobilienbereich die zweite Etappe des Projekts Andermatt Central mit 48 neuen Wohnungen, die Vorbereitungen für den Mattertal-Tunnel sowie die Massnahmen in puncto Nachhaltigkeit, für die die BVZ-Gruppe den myclimate-Nachhaltigkeitsaward erhalten hat.

Das Unternehmen weist in seinem Aktionärsbrief darauf hin, dass die Geschäftstätigkeit auf der Strecke Visp–Zermatt auch im ersten Halbjahr 2025 aufgrund von Naturereignissen wie Steinschlägen und Murgängen immer wieder eingestellt werden musste. Trotz der geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten ist die BVZ-Gruppe zuversichtlich für das 2. Halbjahr: «Die Vorzeichen stehen gut, im Geschäftsjahr 2025 an die sehr guten Zahlen des Vorjahres anknüpfen zu können», so CEO Egon Gsponer in der Medienmitteilung.

Fazit

Wie nicht anders zu erwarten, hat auch die BVZ-Gruppe für das 1. Semester 2025 Gästezahlen, Umsatz und Gewinn gegenüber dem Vorjahr nochmals steigern können. Erfreulich ist, dass der Aufwand unterproportional gestiegen ist, was zu einer verbesserten EBITDA-Marge geführt hat.

Seit Jahresbeginn hat der Kurs der BVZ-Aktie an der SIX um mehr als 15% zugelegt. Chart: six-group.com

Die Bewertung der Aktien ist nach wie vor tief. Angesichts eines Gewinns je Aktie von 55.25 CHF im 1. Semester 2025 ist davon auszugehen, dass dieser für das Gesamtjahr die 109 CHF des Vorjahres übertreffen wird. Dies, sofern es nicht wieder zu grösseren Naturereignissen kommt und damit zu Ertragsausfällen bzw. Sonderkosten. Bei Kursen um die 1’040 CHF sind die Aktien dann weiterhin mit einem KGV von unter 10 bewertet. Der Buchwert (ohne Minderheiten) lag Ende Juni 2025 bei 1’220 CHF je Aktie, was ebenfalls auf eine günstige Bewertung hinweist. Sofern es auch 2025 wieder zu einer moderaten Dividendenerhöhung kommt, liegt die Rendite bei knapp 2,0%. Im Vergleich zur Jungfraubahn ist die Dividendenrendite nach wie vor niedrig; allerdings besteht hier durchaus noch Nachholpotenzial.

Hinweis in eigener Sache: Am 21. Oktober 2025 findet der Branchentalk Tourismus im Kursaal Bern statt. Annemarie Meyer, CEO des BVZ-Joint Ventures Glacier Express, wird an dem Anlass daüber sprechen, wie der Glacier Express digitale Kanäle für zeitgemässes Tourismusmarketing nutzt.

Fünf Fragen an Pascal Jenny, Präsident Arosa Tourismus: «Für Arosa ist ein Einstieg ausländischer Investoren keine Option»

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Am 21. Oktober findet im Kursaal Bern der Branchentalk Tourismus von schweizeraktien.net statt. Hochkarätige Tourismusfachleute werden an der Veranstaltung unter dem Titel «Tourismus anders denken – Chancen einer neuen Vielfalt» teilnehmen.

Im Vorfeld zu diesem Event möchten wir einigen Schlüsselfiguren die Möglichkeit geben, sich zum Thema «Toursimus anders denken» zu äussern. Heute: Pascal Jenny, Präsident von Arosa Tourismus.

Pascal Jenny war von 2008 bis 2021 Direktor von Arosa Tourismus, seit 2021 amtet er als Präsident für die Vermarktungsorganisation des Bündner Ferienorts. Jenny ist zudem Präsident des Schweizer Handballverbands SHV. Bild: zVg.

Herr Jenny, Sie bezeichnen Arosa als «Gallien der Alpen». Also als kleinen, selbstbewussten Ort, der sich gegen die Übermacht des Römischen Reiches wehrt. Was genau verstehen Sie darunter? Wer ist in Ihrer Analogie das Römische Reich?

Arosa sieht sich als kleiner, stolzer und eigenständiger Ort, der sich bewusst von den grossen Zentren, also den «Flachländern», den Städten und den Massenangeboten und auch den deutlich finanzstärkeren Ferienregionen wie Zermatt, St. Moritz oder Verbier absetzt und drauf besteht, eigene Wege zu gehen – in Tourismus, Events, Nachhaltigkeit etc.

«Arosa will nicht einfach mitlaufen, sondern mitgestalten»

Der Begriff zielt auf den «positiven Widerstand»: Arosa will nicht einfach mitlaufen, sondern mitgestalten, auch wenn das mit mehr Aufwand, Kritik oder Mut verbunden ist. Wir legen uns auch nicht einfach in das gemachte «Marketing-Bett», welches z.B. Schweiz Tourismus oder Graubünden Ferien für die Tourismusorte und DMOs bereitstellt. Wir treiben eigenständige Projekte wie das Arosa Bärenland, Veranstaltungsinnovationen und eine gezielte Positionierung voran.

Die Analogie zum «Römischen Reich» dreht sich vor allem um die touristischen Erwartungshaltungen von aussen, wie z.B. Marktforderungen und der Vergleich mit anderen Destinationen, die Normen und Strukturen, die eher für homogene Angebote stehen – die Arosa bewusst herausfordern möchte – wie das Asterix & Obelix immer wieder auf humorvolle Art getan haben.

Ende Jahr findet bereits zum 34. Mal das Arosa Humorfestival statt. Sie selbst waren der Initiator des Bärenlandes in Arosa, das 2018 seine Tore öffnete. In welchem Ausmass tragen solche Anlässe finanziell und in Besucherzahlen zur Bilanz der Gemeinde Arosa bei?

Die Besucherzahlen, Logiernächte und die damit verbundenen Ausgaben in Hotels, Gastronomie und Bahnen zeigen natürlich einen spürbaren wirtschaftlichen Beitrag an den Destinationserfolg. Solche Events und Attraktionen helfen, fixe Infrastruktur besser auszulasten, Nebensaisonverluste zu reduzieren und langfristig die Marke «Arosa» zu stärken. Auch nicht finanzielle Effekte (Image, Wiederholungsgäste, Mund-zu-Mund-Propaganda, Bindung von Partnern/Sponsoren) sind zentral – und oft mitentscheidend, ob wir als «Tourismus-Dorf» bereit sind, in solche Projekte zu investieren. Aus touristischer Sicht sind Vorsaison-Belebung wie z.B. durch das Arosa Humorfestival, Diversifizierung des Angebots, Markenbildung, Identität & Differenzierung und wirtschaftliche Effekte zentral.

Arosa ist in erster Linie bekannt als Wintersportdestination. Aber wie viele Skigebiete leiden auch Sie unter dem Klimawandel. Bleibt der Wintersport, mit dem Sie die meisten Besucher anlocken, das wichtigste Asset in den touristischen Bemühungen Arosas?

«Wintersport bleibt auch künftig ein zentrales Asset für Arosa»

Es stimmt, Arosa ist nach wie vor primär klassisch eine Wintersportdestination – und genau hier profitieren wir von unserer Lage auf über 1’800 Metern. Während andere Regionen stärker vom Klimawandel betroffen sind, hatten wir in den letzten Jahren Rekordwinter mit sehr guten Schneeverhältnissen. Der Wintersport bleibt deshalb auch künftig ein zentrales Asset für Arosa. Gleichzeitig wäre es aber kurzsichtig, nur darauf zu setzen. Wir investieren gezielt in Ganzjahresangebote wie das Humorfestival oder das Bärenland, um auch unabhängig vom Schnee attraktiv zu sein – und damit die Zukunft unserer Destination nachhaltig abzusichern.

Ausländische Unternehmen wie Vail Resort übernehmen ganze Skigebiete in der Schweiz, z.B. in Montana und Andermatt/Sedrun. Wären Sie offen für einen solchen Investor? Oder würden Sie eher den Weg gehen wie die Weisse Arena in Flims/Laax, wo die Bergbahnen jetzt an die Gemeinden verkauft werden sollen?

Für Arosa ist ein Einstieg ausländischer Investoren keine Option. Unser Modell beruht auf regionaler Verankerung, Mitbestimmung und dem Verständnis, dass die Wertschöpfung im Tal bleiben muss. Arosa lebt davon, dass Bevölkerung, Gemeinden und Betriebe gemeinsam Verantwortung tragen. Würden wir die Steuerung nach Übersee oder an rein renditeorientierte Investoren abgeben, ginge uns genau dieser lokale Spirit verloren – und damit auch die Glaubwürdigkeit gegenüber unseren Gästen. Einen Weg wie er in Laax nun im Raum steht, wo die Infrastruktur an die Gemeinde verkauft wird, erachte ich als wenig zielführend. Ich bin gespannt auf die Abstimmungen in den drei beteiligten Gemeinden.

Wie sehen Sie die Zukunft der Bergdestinationen in den Alpen?

«Destinationen, die allein auf Wachstum setzen, werden es schwer haben»

Ich bin überzeugt, dass die Zukunft der Bergdestinationen davon abhängen wird, wie gut sie vierdimensionale Nachhaltigkeit, Erlebnisqualität und lokale Verankerung miteinander verbinden. Destinationen, die allein auf Wachstum setzen, werden es schwer haben. Wenn wir aber investieren in umweltfreundliche Mobilität, authentische Natur- und Tiererlebnisse, und die Aufenthaltsdauer erhöhen, schaffen wir Mehrwert – ökonomisch, sozial und für die Umwelt. Arosa will genau diesen Weg gehen: ganzjährig attraktiv und mit starkem Bezug zur Region.

Herr Jenny, besten Dank für Ihre Antworten.

Weleda: Christian Brüchle wird neuer CFO

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Christian Brüchle wird neuer CFO der Weleda Gruppe und nimmt Einsitz in der Geschäftsleitung des Unternehmens. Bild: zvg

Christian Brüchle wird neuer CFO der Weleda Gruppe und nimmt Einsitz in der Geschäftsleitung des Unternehmens. Bild: zvg

Die Herstellerin von Naturkosmetik und anthroposophischen Arzneimitteln, Weleda AG, erhält einen neuen Finanzchef. Per 15. September 2025 wurde Christian Brüchle vom Verwaltungsrat zum neuen CFO bestellt, teilte das Unternehmen in einer Medienmitteilung mit. Kein Wort wird in der Medienmitteilung zum Abgang von Robert Savalle verloren, der seit November 2022 für die Finanzen verantwortlich war.

Wie aus der Medienmitteilung weiter hervorgeht, soll Christian Brüchle als Mitglied der Geschäftsleitung künftig den Bereich Group Finance führen und gemeinsam mit CEO Tina Müller und Chief Pharma Officer Mónica Mennet-von Eiff die Weiterentwicklung der Weleda Gruppe gestalten.

Brüchle, der an der Universität Witten-Herdecke Wirtschaftswissenschaften studiert hat, verfüge über 19 Jahre internationale Erfahrung in Finance, Transformation und Geschäftsführung insbesondere in der Beauty-Branche, heisst es weiter. Zuletzt sei er als CFO und Geschäftsführer D/A/CH beim Kosmetikunternehmen Coty Inc. tätig gewesen, wo er die Finanzen und den Nachhaltigkeitsbereich verantwortete.

«Christian bringt nicht nur umfassende internationale Erfahrung mit, sondern auch eine Begeisterung für die Werte und Ziele von Weleda. Ich heisse ihn herzlich willkommen und freue mich, gemeinsam mit ihm und Mónica die Zukunft der Weleda Gruppe zu gestalten», wird Tina Müller, CEO der Weleda AG, in der Medienmitteilung zitiert.

Kursverlauf des Weleda PS seit Jahresbeginn. Chart: otc-x.ch

Die Partizipationsscheine der Weleda AG werden ausserbörslich auf OTC-X gehandelt. Zuletzt wurden 5’750 CHF für einen PS bezahlt. Nach einem starken Plus von über 30% seit Jahresbeginn auf über 6’000 CHF hat der Kurs etwas verloren. Ein Grund dafür könnten die Berichte über die NS-Vergangenheit des Unternehmens sein, die kürzlich nach dem Erscheinen eines neuen Buches öffentlich gemacht wurden.

Swiss Marketplace Group: Wissenswertes zum IPO

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Die Swiss Marketplace Group geht vs. am 19. September an die Börse. Bild: zvg

Die Swiss Marketplace Group geht vs. am 19. September an die Börse. Bild: zvg

Trotz vieler Vorschusslorbeeren auf den IPO-Jahrgang 2025 ist der nun angekündigte Börsengang der Swiss Marketplace Group (SMG) nach BioVersys erst der zweite in diesem Jahr. Die angebotenen Aktien stammen ausschliesslich aus dem Bestand der Finanzinvestoren, dem Unternehmen fliesst kein frisches Kapital zu. Lohnt sich die Teilnahme an der Zeichnung?

Die Zeichnungsfrist wurde am 11. September eröffnet und dauert laut Medienmitteilung bis zum 18. September. Insgesamt stehen bis zu 19.6 Mio. Aktien aus den Beständen der Finanzinvestoren Mobiliar, Ringier und General Atlantic für das IPO zur Verfügung. Die TX Group wird keine Aktien abgeben. Da keine neuen Aktien geschaffen werden, fliesst der SMG auch kein neues Kapital zu. Die Bookbuildingspanne wurde auf 43 CHF bis 46 CHF festgelegt. Je nach Preisfindung werden sich nach der Aufnahme des Aktienhandels am 19. September 20% bis 23% des Aktienkapitals im Streubesitz befinden. Somit wird die SMG Aktie auch in die relevanten Indizes der SIX aufgenommen werden. Die Emissionsbewertung beträgt bis zu 4.5 Mrd. CHF.

Emissionserlös von 1 Mrd. CHF erwartet

Bei starker Nachfrage ist ein Greenshoe vorgesehen. General Atlantic und Ringier stellen weitere fast 3 Mio. Aktien bereit. Einen Hinweis auf die Investorennachfrage geben die Commitments der Vermögensverwalter Pictet und Blackrock, die als sogenannte «Cornerstone Investors» jeweils die Verpflichtung eingegangen sind, für bis zu 150 Mio. CHF Aktien der SMG zu kaufen – bis zu einem Preis von 46 CHF je Aktie, also am oberen Ende der Bookbuildingspanne. Bereits am 12. September, so liessen die Konsortialbanken verlauten, haben die Zeichnungen das Angebot an zur Verfügung stehenden Aktien weit übertroffen. Damit ist absehbar, dass die SMG Aktien zu 46 CHF zugeteilt werden. Daraus errechnet sich ein Emissionserlös von knapp über 1 Mrd. CHF. Konsortialführer sind UBS, Goldman Sachs und JP Morgan.

Exit der Finanzinvestoren via IPO

Die SMG ist erst 2021 in der heutigen Form entstanden. Abb.: Emissionsprospekt Swiss Marketplace Group

Die Swiss Marketplace Group entstand 2021 aus den Internet-Plattformen von TX Group, vormals Tamedia, und Ringier. Damals beteiligten sich die Mobiliar Versicherung und der amerikanische Private Equity Investor General Atlantic als Finanzinvestoren. Schon diese Beteiligungsstruktur verwies früh darauf, dass die SMG eines Tages in der nicht zu fernen Zukunft verkauft oder zumindest teilweise monetarisiert werden sollte. Ein Börsengang ist meist die beste Variante für den Exit, da die erzielbaren Bewertungen höher sind als bei Verkäufen an Industrieadressen oder Finanzinvestoren. Vor dem Börsengang liegen die Beteiligungsquoten bei 30,7% für die TX Group, je 29,3% für Ringier und Mobiliar und 10% für General Atlantic. Die verkaufenden Altaktionäre verpflichten sich zu einer Lock-up Periode von 180 Tagen. Mitglieder von Management und Verwaltungsrat unterwerfen sich einer Lock-up Verpflichtung von 360 Tagen.

Finanzielle Eckdaten

Die Hälfte der Umsätze in 2024 entfielen aus dem Immobilienbereich. Abb. SMG Factsheet

Im Geschäftsjahr 2024 erreichte der Umsatz von SMG 290.9 Mio. CHF. Im ersten Halbjahr 2025 wurden 161.5 Mio. CHF erzielt, eine Steigerung von 14,4% zum erste Semester 2024. Davon entfielen 79.4 Mio. CHF auf das Segment Real Estate, 39.6 Mio. CHF auf Automobilplattformen, 37.3 Mio. CHF auf Generalisten Marktplätze sowie 5.8 Mio. CHF auf Sonstige wie Finanz- und Vergleichsportale. Die Wachstumsraten der Segmente bewegen sich zwischen 11% und 28%. Beachtlich, aber durchaus branchenüblich sind die bereinigten EBITDA-Margen der Plattformen, die von 46% bis 67% reichen. Im SMG-Durchschnitt liegt diese bei 54,3%. Auffällig ist deren starke Ausweitung in allen Segmenten im letzten Jahr um fünf bis zehn Prozentpunkte. Das “bereinigte” EBITDA repräsentiert das operative EBITDA unter Nichtberücksichtigung von Einmalkosten durch M&A-Transaktionen, Reorganisationen und den Aufwand für das IPO. Die können sich durch die Inanspruchnahme von Banken, Agenturen, Kanzleien und Beratern schnell auf viele Mio. CHF aufsummieren.

Tätigkeitsspektrum und Marken

Plattformen wie Immoscout25, Autoscout24. Ricardo und Tutti gehören zur SMG. Abb. schweizeraktien.net

Die bearbeiteten Geschäftsfelder sind wettbewerbsintensiv, aber auch von unterschiedlichen lokalen und sprachlich-kulturellen Eigenheiten bestimmt. In der Schweiz sind die Plattformen von SMG in ihren Segmenten jeweils in einer marktführenden Position. Das sind Homegate und ImmoScout24 im Bereich Real Estate, AutoScout24 im Segment Automobile sowie FinanceScout24, Ricardo und tutti.ch. Die SMG ist in allen Sprachregionen der Schweiz aktiv und führt die starke Marktpenetration auf Netzwerkeffekte, Schnelligkeit in der Anpassung und die in 30 Jahren gewonnene Expertise im Online-Geschäft zurück.

Umsatz- und Gewinnwachstum

Das Zahlenwerk kann vor allem durch die hohe Profitabilität und stetiges Wachstum überzeugen. Im Zeitraum 2022 bis 2024 lag das jährliche Umsatzwachstum bei 11,6%. Das bereinigte EBITDA erhöhte sich in dieser Zeitspanne jährlich um 47,8%. Im ersten Semester 2025 erreichte das EBITDA 87.6 Mio. CHF, was einer Marge von 54,3% entspricht. Für das Gesamtjahr stellt SMG ein Umsatzwachstum von 13% bis 15% sowie eine bereinigte EBITDA-Marge in den «mid-50%» in Aussicht. SMG soll eine Dividendenaktie werden. Für das laufende Geschäftsjahr stellt das Management eine Dividendensumme von 75 Mio. CHF in Aussicht, was im Bereich von 65% bis 75% des bereinigten Jahresgewinns liegt. Bezogen auf einen Emissionspreis von 46 CHF errechnet sich somit eine Dividendenrendite von 1,66%.

Peer-Group Vergleiche

Sind Umsatzwachstum und Margenstärke nachhaltig erzielbar? Das ist die Kernfrage, die sich Investoren stellt. Ein vertiefter Blick auf die internationale Peer-Group offenbart, dass in den letzten Jahren stabile Wachstumsraten von 15% oder mehr erzielt wurden und die operativen EBITDA-Margen komfortabel über 50% liegen. Vergleichbare Unternehmen an den Börsen sind die deutsche Scout24 und die britische Rightmove, die jedoch beide nur im Real Estate Segment aktiv sind. Bei einem Umsatz in 2024 von 566.3 Mio. Euro erreicht die Market Cap von Scout24 aktuell fast 8 Mrd. Euro. Das für 2025 geschätzte
KGV liegt bei 38. Scout24 ist schon seit 2015 an der Börse. Die Aktie hat sich von 30 Euro auf 120 Euro verbessert. 62% der Aktien sind im Streubesitz, viele namhafte Institutionen wie Sun Life, Allianz, DWS und Vanguard sind mit bis zu 5% beteiligt.

Die Aktien der schwedischen Hemnet Group haben sich nach dem IPO gut entwickelt, durchlaufen derzeit allerdings eine Konsolidierung. Chart: google.com/finance/

Die schwedische Hemnet ging 2021 an die Nasdaq Stockholm. Die Aktie stieg am ersten Handelstag um 50%. Inzwischen liegt der Kurs nach grossen Schwankungen allerdings nur unwesentlich höher. Hemnet ist ebenfalls ausschliesslich auf den Real Estate Sektor konzentriert und stammt aus dem Beteiligungsportfolio von General Atlantic. Die Market Cap liegt bei 2 Mrd. Euro, das für 2025 geschätzte KGV bei 40.

Die in London gehandelte Baltic Classifieds ist dagegen wie SMG in vier Geschäftbereichen aktiv: Real Estate, Automotive, Jobs & Services sowie Generalist. Baltic Classifieds betreibt in den drei baltischen Republiken 14 Portale und ist Marktführer. Die Aktie zeigt ein ähnliches Kursmuster wie Hemnet seit dem IPO 2021. Erst seit wenigen Wochen werden die Aktien auch an der deutschen Börse gehandelt. Im Geschäftsjahr per 30. April 2025 lag der Umsatz bei 83 Mio. Euro, die Market Cap liegt bei 1.8 Mrd. Euro. Auch hier sind namhafte Finanzinvestoren wie Apax Partners, BlackRock und Fidelity prominent im Aktionärskreis vertreten.

Der Aktienkurs von Baltic Classified konnte sich seit dem IPO fast verdoppeln. Chart: google.com/finance/

Technologierisiken

Wo die Gewinnzahlen so überzeugend ausfallen, das Wachstum über längere Zeit überdurchschnittlich ist und der illustre Investorenkreis so glänzend erscheint, muss es auch Risiken geben. Gerade in der Internet-Wirtschaft hat es in der Vergangenheit Überraschungen bei Geschäftsmodellen gegeben, die nur zeitweilig erfolgreich waren, weil Innovationssprünge sie überrundet oder gar obsolet gemacht haben. Im Fall der Online-Anzeigen ist offensichtlich, dass diese Bedrohung von der KI ausgeht. Die SMG sieht sich zwar als marktführend bei der Integration von KI zur Steigerung der Effizienz und Personalisierung der Kundenbeziehungen, doch Kritiker sehen das Geschäftsmodell durchaus längerfristig in Frage gestellt.

Direkte Peer-to-Peer Transaktionen entsprechen dem ursprünglichen Gedanken der Innovation Internet, die Mittelsmänner überflüssig macht. Wie das technologisch aussehen kann, ist allerdings noch eine offene Frage. Erste Hinweise geben Initiativen von Automobilherstellern, die ihre Modelle «direct-to-consumer» (D2C) verkaufen. Die so umgangenen traditionellen Autohändler sind bisher die grösste Inserentengruppe auf den SMG Automobil-Plattformen.

Marktrisiken

Ein weiterer Risikofaktor sind die Makler, die zwar Kooperationspartner sind, aber zunehmend auch die Marktmacht der Online-Plattformen kritisieren. Letztes Jahr rief der Schweizerische Verband der Immobilienwirtschaft zu deren Boykott auf. Alternativen werden gesucht oder sind im Entstehen. Im 402 Seiten umfassenden Emissionsprospekt werden detailliert weitere allgemeine und spezifische Risiken aufgeführt, beispielsweise die Abhängigkeit von Such-Algorithmen, von geopolitischen Ereignissen und Naturkatastrophen, Technologiewandel und wechselnden Präferenzen der Kunden und Nutzer. Ein relativ neues Risiko stellen die US-Zölle dar, die zwar SMG nicht direkt betreffen, aber das Konsumklima und die Transaktionsfreudigkeit beeinträchtigen können. Die SMG ist auch teilweise dominierend in Marktsegmenten, was die Wettbewerbsbehörde auf den Plan rufen kann.

Investmentrisiken

Darüber hinaus gibt es spezifische Kapitalmarktrisiken. Die ausgesprochen hohe Popularität bei institutionellen Anlegern zeigt, dass diese Cluster-Investments meist in der gleichen Zeitspanne getätigt wurden. Ein ähnliches Verhalten ist auch beim Ausstieg zu erwarten, um die inzwischen relativ hohen Bewertungen beim «Kasse-machen» optimal zu nutzen. Dies kann in drei Monaten oder in drei Jahren sein, auf jeden Fall wird es wegen der Marktenge ein schnell ablaufender Prozess sein, sobald die Wachstumsraten abknicken.

Die TX Group gibt keine Aktien ab. Das macht zunächst den Eindruck eines stabilen langfristigen Investors. In den letzten fünf Jahren verlief die Umsatzentwicklung stagnierend bei unter 1 Mrd. CHF. Die Gewinnentwicklung verlief erratisch. In drei der letzten fünf Jahre wurde ein Verlust verzeichnet, doch die Dividendenausschüttung wurde abgesehen von 2021 fortgesetzt. In 2024 wurden 65.7 Mio. CHF ausgeschüttet, der Verlust lag bei 3,2 Mio. CHF. Es ist bekannt, dass eine grosse Gemeinschaft der Nachfahren der Gründerfamilien der TX Group in den Genuss der Ausschüttung kommt, die sich vielleicht nicht aufrechterhalten lässt. Eine Sachdividende in Form von Aktien der SMG im kommenden Jahr könnte dafür kompensieren. Ein solcher Schritt würde den potenziellen Angebotsüberhang von SMG Aktien nach dem Ablauf der Lock-up Fristen nochmals verstärken.

Fazit

Vor dem ersten Handelstag der SMG Aktien weisen die meisten Indikatoren auf ein erfolgreiches IPO mit Zeichnungsgewinnen hin. Die Frage ist, ob angesichts der frühen Überzeichnung interessierte Anleger überhaupt zum Zug kommen. Nach der Handelseröffnung und mit dem Ablauf der Marktpflege-Periode wird sich erst erweisen, in welche Richtung die Aktie gehen wird. Die Kurse der Peer-Group Unternehmen haben in den letzten Wochen und Monaten nach teils spektakulärer Entwicklung eine, vielleicht nur zeitweilige, Trendwende nach unten vollzogen. Wer auf spekulative Zeichnungsgewinne aus ist, kann zeichnen. Wer langfristig orientiert investieren will, findet bessere und vor allem preiswertere Opportunitäten.

Kursaal Bern: Schwacher Auftakt im 2025, doch Zuversicht fürs 2. Halbjahr

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Wegen der geopolitischen Unsicherheiten fanden im 1. Halbjahr 2025 aucg im Kursaal Bern weniger Veranstaltungen statt. Bild: kursaal-bern.ch

Im 1. Halbjahr 2025 zählten die Kongresse und Events im Kursaal Bern weniger Teilehmer, was sich auch in den Umsatzzahlen widerspiegelt. Bild: kursaal-bern.ch

Im Geschäftsjahr 2024 konnte die Kursaal Bern AG noch mit einem hervorragenden Ergebnis glänzen und wieder eine Dividende ausschütten. Doch in der ersten Jahreshälfte 2025 lief es etwas schleppend. Während das Hotel, die Gastronomie und der Kongressbereich die guten Vorjahreswerte nur knapp verfehlten, musste der Casinobereich einen herben Rückschlag hinnehmen. Der Gesamtumsatz ging um 7,4% auf 35.3 Mio. CHF zurück. Bei einem EBITDA von 4.4 Mio. CHF verblieb unter dem Strich nur ein kleiner Semestergewinn von 380’000 CHF.

Casinos müssen Federn lassen

Wie die Kursaal Bern AG in ihrem Halbjahresbericht schreibt, agierten die terrestrischen Casinos in Bern und Neuchâtel in einem schweizweit immer noch rückläufigen Marktumfeld. Um dem zu begegnen, seien in Neuenburg die Treuekarte und das Spielangebot überarbeitet worden. Auch das Grand Casino Bern habe in neue Events und Aktionen investiert. Dennoch gingen die Erträge aus dem Casinogeschäft per Ende Juni um 10,6% auf knapp 19 Mio. CHF zurück – über 2 Mio. CHF weniger als im Vorjahr. Die Kursaal Bern AG betont in ihrer Medienmitteilung, dass sich das Onlinecasino 7melons.ch hingegen gut entwickelt und die erwarteten Ziele erfüllt habe.

Sperrung der Kornhausbrücke belastet

Im Kongressbereich wurden 8.5 Mio. CHF umgesetzt, ein kleines Minus von 3,1%. Auch im Swissôtel Kursaal Bern und in der Gastronomie ging der Umsatz um 4,7% auf 7.3 Mio. CHF zurück. In diesem Zusammenhang weist das Unternehmen auch auf die Sperrung der Kornhausbrücke hin, die zu einer geringeren Gästezahl in der Bar und in den Restaurants geführt habe. Ebenso seien Kongresse aufgrund von Sparmassnahmen bei Firmenkunden weniger stark besucht worden als im Vorjahr, was zu geringeren F&B-Umsätzen geführt habe. Das Hotel konnte hingegen von Grossanlässen wie der Frauenfussball-EM profitieren, während die Übernachtungen der Geschäftsreisenden etwas geringer ausfielen.

Zuversicht trotz Unsicherheiten

Per Ende Juni lag die Eigenkapitalquote bei 69,3%. Wie dem Halbjahresbericht zu entnehmen ist, konnten sogar langfristige Finanzverbindlichkeiten im Umfang von 3.5 Mio. CHF zurückgezahlt werden.

Für das 2. Halbjahr arbeitet das Unternehmen an einer besseren Entwicklung. «Oberstes Ziel ist es, die tieferen Ergebnisse des ersten Halbjahres aufzuholen. Dabei werden auch die schon eingeleiteten Massnahmen zur Kostendisziplin im gesamten Unternehmen helfen», heisst es in der Medienmitteilung. Trotz der herausfordernden Marktsituation wird für das Gesamtjahr 2025 ein solides operatives Ergebnis erwartet.

Die Aktien der Kurssaal Bern AG hatten seit Jahresbeginn einen guten Lauf. Chart: bxswiss.com

Die Aktien der Kursaal Bern AG sind an der BX Swiss kotiert. Zuletzt wurden 385 CHF für eine Aktie bezahlt.

Hinweis in eigener Sache: Am 21. Oktober 2025 findet der Branchentalk Tourismus im Kursaal Bern statt. Kevin Kunz, CEO der Kursaal Bern AG, und Lorenz Perren, CFO, werden an dem Anlass das Unternehmen sowie Bern als Eventhauptstadt präsentieren.

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